Raubkunst aus der Kolonialzeit - Vereinbarung zu Rückgabe von Benin-Bronzen unterzeichnet

Es ist besiegelt: Die Benin-Bronzen werden zurückgegeben. Die Bundesregierung und Vertreter Nigerias haben eine Vereinbarung zur Rückgabe von Kulturgütern aus der Kolonialzeit unterzeichnet. Bereits erste Stücke wurden überreicht.
Hochrangige Vertreter Deutschlands und Nigerias haben die Rückgabe wertvoller Kunstschätze eingeleitet. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) und ihre nigerianischen Amtskollegen unterzeichneten dazu am Freitag eine Absichtserklärung, die eine "bedingungslose Rückgabe" vorsieht. Gleichzeitig vereinbarten beide Seiten, "dass die deutschen öffentlichen Museen und Institutionen die Benin-Bronzen weiterhin als Leihgaben ausstellen" können.
Baerbock: "Es war falsch, die Bronzen wegzunehmen."
Baerbock verwies auf die Gesichte des Kolonialismus. "Wir dürfen nicht vergessen, dass dies auch ein Teil deutscher Geschichte ist", sagte sie. "Es war falsch, die Bronzen wegzunehmen, es war falsch, sie 120 Jahre zu behalten." Dies sei ein Anfang, Fehler zu korrigieren. Gleichzeitig verwies sie auf Kooperationen für Ausstellungen in der Zukunft. "Die Bronzen können künftig Urlaub machen in deutschen Museen."
Roth sprach von einem Tag der Hoffnung, Menschlichkeit und Freundschaft. "Deutschland ist dabei, seine Blindheit gegenüber der eigenen kolonialen Vergangenheit zu verändern", sagte sie. Nun gehe es "vorwärts in eine Zukunft, in der Gerechtigkeit die Wunden der Vergangenheit heilen könnte". Roth sprach von einer neuen Ära der Kooperation zwischen Museen und Verantwortlichen. "Kultur macht eine gemeinsame Zukunft möglich."
Nigerias Kulturminister Lai Mohammed zeigte sich "sehr glücklich, dass Deutschland dies möglich macht". Sein Dank ging auch an die Museen und die verantwortlichen Träger. "Durch diese Vorgehen hat Deutschland die Führung übernommen, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.
Erste Bronzen zurückgegeben
Aus der Sammlung des Ethnologischen Museums wurden am Freitag die ersten beiden Kunstschätze übergeben. Weitere Rückgaben sollen in diesem Jahr folgen. Etwa 1.100 der kunstvollen Stücke aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das als Edo State heute zu Nigeria gehört, sind in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, sagte im rbb24 Inforadio, man werde aber weiter Leihgaben Nigerias in Deutschland sehen können. "Berlin hat den größten Anteil von über 500. Ich kann nur für uns sprechen, aber es wird eine vollständige Eigentumsrückübertragung aller Benin-Bronzen geben", unterstrich Parzinger gegenüber dem rbb. Gleichzeitig werde es aber über langfristige Leihgaben der nigerianischen Seite möglich sein, auch Kunstwerke aus Benin hier zu zeigen. "Diese Kombination ist so wichtig, denn natürlich müssen wir begangenes Unrecht wieder gutmachen", betonte er. Im Humboldtforum würden außerdem zwei Säle vorbereitet, die Benin gewidmet seien. Diese würden gemeinsam mit Experten aus Nigeria konzipiert und im September eröffnet. Das mache eine gemeinsame Erzählung zu den Kunstwerken möglich.
Die Benin-Bronzen sind 500 Jahre alte Skulpturen aus dem einstigen Königreich Benin im heutigen Nigeria. Die Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren aus dem Königspalast sind zum Synonym für koloniales Unrecht geworden.
Der Großteil dieser Kunstwerke befindet sich heute in Europa, im British Museum. Über die nach London zweitgrößte Benin-Sammlung verfügt das Ethnologische Museum im Berliner Humboldt-Forum, gefolgt von Museen in Leipzig und Dresden.
Bronzen als Trophänen im 19.Jahrhunbdert nach London gekommen
Bei den Bronzen steht, anders als bei anderen Kunstschätzen aus der Kolonialzeit, fest, dass sie gewaltsam geraubt wurden. 1897 hatten die Briten das Königreich Benin im Rahmen einer Strafexpedition überfallen und den Palast geplündert.
Die Bronzen gelangten als Trophäen nach London und wurden auf britische Museen verteilt oder an Museen im Ausland verkauft. Rund 1.100 Bronzen erwarben deutsche Museen. Allein mehrere hundert davon sollen sich in Berlin befinden.
Die betroffenen Museen hatten die Rückgabe in den vergangenen Jahren mit dem Argument abgelehnt, in Nigeria fehlten Expertise und Infrastruktur, um die Artefakte angemessen aufzubewahren und auszustellen. Die Rückgabe-Debatte fand vor dem Hintergrund von Diskussionen über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit statt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2022, 17 Uhr