Raubkunst aus der Kolonialzeit - Vereinbarung zu Rückgabe von Benin-Bronzen unterzeichnet

Fr 01.07.22 | 17:51 Uhr
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Detailaufnahme einer sogenannten Benin-Bronze, aufgenommen im Rahmen einer Veranstaltung anlaesslich der Unterzeichnung einer politischen Erklaerung zu den Benin-Bronzen. Deutschland und Nigeria unterzeichnen im Auswaertigen Amt eine Vereinbarung zur Rueckgabe der Benin-Bronzen. (Foto: picture alliance/photothek)
Video: rbb24 Abendschau | 01.07.2022 | Sabrina Wendling | Bild: picture alliance/photothek

Es ist besiegelt: Die Benin-Bronzen werden zurückgegeben. Die Bundesregierung und Vertreter Nigerias haben eine Vereinbarung zur Rückgabe von Kulturgütern aus der Kolonialzeit unterzeichnet. Bereits erste Stücke wurden überreicht.

Hochrangige Vertreter Deutschlands und Nigerias haben die Rückgabe wertvoller Kunstschätze eingeleitet. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) und ihre nigerianischen Amtskollegen unterzeichneten dazu am Freitag eine Absichtserklärung, die eine "bedingungslose Rückgabe" vorsieht. Gleichzeitig vereinbarten beide Seiten, "dass die deutschen öffentlichen Museen und Institutionen die Benin-Bronzen weiterhin als Leihgaben ausstellen" können.

Baerbock: "Es war falsch, die Bronzen wegzunehmen."

Baerbock verwies auf die Gesichte des Kolonialismus. "Wir dürfen nicht vergessen, dass dies auch ein Teil deutscher Geschichte ist", sagte sie. "Es war falsch, die Bronzen wegzunehmen, es war falsch, sie 120 Jahre zu behalten." Dies sei ein Anfang, Fehler zu korrigieren. Gleichzeitig verwies sie auf Kooperationen für Ausstellungen in der Zukunft. "Die Bronzen können künftig Urlaub machen in deutschen Museen."

Roth sprach von einem Tag der Hoffnung, Menschlichkeit und Freundschaft. "Deutschland ist dabei, seine Blindheit gegenüber der eigenen kolonialen Vergangenheit zu verändern", sagte sie. Nun gehe es "vorwärts in eine Zukunft, in der Gerechtigkeit die Wunden der Vergangenheit heilen könnte". Roth sprach von einer neuen Ära der Kooperation zwischen Museen und Verantwortlichen. "Kultur macht eine gemeinsame Zukunft möglich."

Nigerias Kulturminister Lai Mohammed zeigte sich "sehr glücklich, dass Deutschland dies möglich macht". Sein Dank ging auch an die Museen und die verantwortlichen Träger. "Durch diese Vorgehen hat Deutschland die Führung übernommen, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

Erste Bronzen zurückgegeben

Aus der Sammlung des Ethnologischen Museums wurden am Freitag die ersten beiden Kunstschätze übergeben. Weitere Rückgaben sollen in diesem Jahr folgen. Etwa 1.100 der kunstvollen Stücke aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das als Edo State heute zu Nigeria gehört, sind in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, sagte im rbb24 Inforadio, man werde aber weiter Leihgaben Nigerias in Deutschland sehen können. "Berlin hat den größten Anteil von über 500. Ich kann nur für uns sprechen, aber es wird eine vollständige Eigentumsrückübertragung aller Benin-Bronzen geben", unterstrich Parzinger gegenüber dem rbb. Gleichzeitig werde es aber über langfristige Leihgaben der nigerianischen Seite möglich sein, auch Kunstwerke aus Benin hier zu zeigen. "Diese Kombination ist so wichtig, denn natürlich müssen wir begangenes Unrecht wieder gutmachen", betonte er. Im Humboldtforum würden außerdem zwei Säle vorbereitet, die Benin gewidmet seien. Diese würden gemeinsam mit Experten aus Nigeria konzipiert und im September eröffnet. Das mache eine gemeinsame Erzählung zu den Kunstwerken möglich.

Die Benin-Bronzen sind 500 Jahre alte Skulpturen aus dem einstigen Königreich Benin im heutigen Nigeria. Die Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren aus dem Königspalast sind zum Synonym für koloniales Unrecht geworden.

Der Großteil dieser Kunstwerke befindet sich heute in Europa, im British Museum. Über die nach London zweitgrößte Benin-Sammlung verfügt das Ethnologische Museum im Berliner Humboldt-Forum, gefolgt von Museen in Leipzig und Dresden.

Bronzen als Trophänen im 19.Jahrhunbdert nach London gekommen

Bei den Bronzen steht, anders als bei anderen Kunstschätzen aus der Kolonialzeit, fest, dass sie gewaltsam geraubt wurden. 1897 hatten die Briten das Königreich Benin im Rahmen einer Strafexpedition überfallen und den Palast geplündert.

Die Bronzen gelangten als Trophäen nach London und wurden auf britische Museen verteilt oder an Museen im Ausland verkauft. Rund 1.100 Bronzen erwarben deutsche Museen. Allein mehrere hundert davon sollen sich in Berlin befinden.

Die betroffenen Museen hatten die Rückgabe in den vergangenen Jahren mit dem Argument abgelehnt, in Nigeria fehlten Expertise und Infrastruktur, um die Artefakte angemessen aufzubewahren und auszustellen. Die Rückgabe-Debatte fand vor dem Hintergrund von Diskussionen über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit statt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2022, 17 Uhr

20 Kommentare

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  1. 20.

    Kann man in einem System der sozialen Marktwirtschaft Politik und Wirtschaft voneinander trennen?
    Meiner Meinung nach: nein!

  2. 19.

    Wenn dem so ist, dann hat mich mein Gefühl getäuscht. Allerdings wird auch selten darüber berichtet in Deutschland, vielleicht dann genau deswegen.

  3. 18.

    Politik und Wirtschaft mal voneinander zu trennen, könnte helfen, Ihre Verständnisprobleme zu lösen. Die Bronzen, die so wichtig sind für die kulturelle Identität Nigerias sind, nun endlich dahin zurückzugeben, wo sie hingehören, hat absolut nichts mit Gutmenschentum zu tun, sondern ist das einzig Richtige und längst überfällig. Aber das scheinen Sie ja grundsätzlich ebenso zu sehen.

  4. 17.

    So ist es! Diese Verlogenheit finde ich auch zunehmend unerträglich.
    Du kommt, dass unsere ach so gerechtigkeitsbedachten Politiker mit deutschen Milliarden anderswo befremdlich verschwenderisch umgehen, die einheimischen Defizite jahrelang schön reden und dann für ihre Fehler in keinster Weise zur Verantwortung gezogen werden. In einem der hiesigen Kommentare stand, Deutschland sei nicht irgendeine Bananenrepublik - wirklich nicht??

  5. 16.

    .
    BjörnFrankfurt/OderFreitag, 01.07.2022 | 20:30 Uhr
    "Welche andere ehemalige oder noch akutelle Kolonialmacht (man nennt es nicht mehr Kolonien) folgt uns? Da gäbe es sicher noch mehr solcher dann notwendigen Aktionen weltweit. Wie sieht das eigentlich mit Raubgut nach Kriegen durch die jeweiligen Sieger aus?"

    Ist das eine Frage, oder wollen Sie Ihr Gefühl das Sie täuscht referieren?
    In anderen ehemaligen Kolonialmächten ist die Rückgabe enteignetem, geraubtem oder mit fragwürdigen Verträgen ausser Landes gebrachten Kunst- und Kulturgütern schon sehr viel weiter als in Deutschland.
    Es täuscht Sie also Ihr Gefühl, nur Deutschland sei da wieder einmal ganz vorne. Ist es nicht.

  6. 14.

    Verstehe einfach dieses ganze Trara nicht!
    Wenn wir diese Bronzen unrechtmäßig besitzen, dann einfach zurückgeben und fertig.
    Bezahlen wir eigentlich den Rücktransport oder die "eigentlichen Räuber"?

    Warum müssen sich unsere Politiker immer als "Gutmenschen" profilieren?
    Es haut doch vorn und hinten nicht hin!
    Deutschland - der große Kämpfer für den Klimawandel ...
    ... kaufen Strom aus AKWs der Ukraine (zu einem "Freundschaftspreis"?
    ... schicken unsere alten Autos nach Afrika
    ... verscherbeln unsere Hühnerreste wie Hühnerfüße nach Asien und machen dort die Produktion platt
    ... lassen in armen Ländern "im Sinne des Kiimawandels" produzieren und lassen dann alles einfliegen
    usw.

  7. 13.

    Unbedingt! Aber hat man dort mal eruiert, wie groß dieses Bedürfnis ist?
    Wieder einmal diskutiert man gravierende Probleme ( hier mit dem Ansichtsrecht irgendwelcher Bronzekunstwerke), wo sich Millionen und Abermillionen Erdenbürger fragen, ob sie morgen noch genug Wasser und Nahrung haben werden, Frieden, ein Dach über dem Kopf... Schon ziemlich makaber!

  8. 12.

    Nigeria erhält endlich geraubte Kunstgegenstände zurück, musste sich aber verpflichten, dass sie langfristig hierbleiben als Leihgaben. Sollte nicht der rechtmäßige (!) Eigentümer Nigeria allein darüber entscheiden, was nun damit geschieht? Die nigerianische Bevölkerung hat ein Recht darauf, diese Kunst selbst sehen zu dürfen!

  9. 11.

    Wie wäre beim nächsten London Besuch ein Gang ins Museum?
    der Eintritt ist fast immer kostenlos.

  10. 10.

    " Die Frage nach dem: 'wie gehen andere mit Raubkunst um' wirft schon ein bezeichnendes Bild auf die Kommentatoren. " Mal erläutern. Es gibt gute Argumente für ein solchen Vorgehen, kann man also so machen. Aber folgen Deutschland andere Länder dabei? Wir sind nicht irgendeine Bananenrepublik, hätten also sehr wohl das Gewicht auf internationale Vereinbarungen dazu hinzuarbeiten. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich (hinkt natürlich etwas, wie oft bei Bergleichen): Wir steigen aus der Kernkraft aus mit durchaus im Positiven diskutablen Argumenten, aber folgt irgendjemand an bedeutenden Kernkraftnutzern unserem Beispiel?

  11. 9.

    Deutschland hat die Bronzen von London gekauft im wissen, das es sich um Raubkunst handelte. Es ist sozusagen Hehlerware und somit nicht rechtmäßiges Eigentum. Die Rückgabe ist also aus diesem Grunde als Wiedergutmachung zu werten. Die Frage nach dem: 'wie gehen andere mit Raubkunst um' wirft schon ein bezeichnendes Bild auf die Kommentatoren.

  12. 8.

    Ja, bei der Siegermacht wird das erstmal lange auf Eis liegen. Was ist mit den anderen Siegermächten? Außerdem gibt es nicht nur diesen letzten Krieg von Deutschland. Die ganze Geschichte Europas ist eine Geschichte der Kriege - um nur mal in der geographischen Nähe zu bleiben.

  13. 6.

    "Wie sieht das eigentlich mit Raubgut nach Kriegen durch die jeweiligen Sieger aus?"

    Russland weigert sich - wenig überraschend - seit einigen Jahren Beutekunst an Deutschland zurückzuführen. Haben aber beide Seiten zu verantworten. Das Thema hat sich natürlich mit dem Krieg gegen die Ukraine gänzlich erledigt.

  14. 5.

    Es wird wohl auch in Zukunft Vorgänge solcherart geben. Es wird immer die Frage auftauchen bei welchem Radius der Betrachtung eine Wahrnehmungsimmunität einsetzt.

  15. 4.

    Auf zdf-info gab es schon mehrere Dokus zum Thema und das dürfte Sie evtl. auch interessieren:
    https://internationalepolitik.de/de/der-umgang-mit-raubkunst-ist-eine-frage-der-gerechtigkeit

  16. 2.

    Welche andere ehemalige oder noch akutelle Kolonialmacht (man nennt es nicht mehr Kolonien) folgt uns? Da gäbe es sicher noch mehr solcher dann notwendigen Aktionen weltweit. Wie sieht das eigentlich mit Raubgut nach Kriegen durch die jeweiligen Sieger aus?

  17. 1.

    Nur nochmal zum Verständnis, diese Kunstwerke wurden bei "britischen Plünderungen geraubt", später von deutschen Museen "erworben", also gekauft? Und nun werden sie von den Käufern schuldbewusst zurückgegeben, und das verstehen wir dann als Wiedergutmachung? Wofür genau?

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