Techno-Parade in Berlin - War das die Loveparade 2.0?

Techno, Ekstase, jede Menge Bass. Am Samstag tanzten mehr als Hunderttausend Raver:innen bei “Rave the Planet”. Doch wie viel legendäre Loveparade steckte in dem neuen Techno-Umzug drin? Von Luis Lemmen
Wummernde Boxen, elektronische Sounds und ein Meer aus Regenschirmen - es ist laut und voll auf dem Ku'damm an diesem regnerischen Samstagmittag. Der Bass hämmert, die Meute tanzt. Die ersten Techno-Wagen, "Floats" genannt, rollen langsam los. Von oben schüttet es Regen und Konfetti, die Raver:innen geben alles.
Mittendrin im ganzen Glitzer: Fränki, Techno-Lover und Berliner Urgestein. Mit seinem orangen Overall und der lila Perücke fällt er inmitten der bunten Kostüme, nackten Haut und neonfarbenen Netzstrumpfhosen gar nicht auf. "Unglaublich, dass so viele hier am Ku'damm sind und abgehen", sagt Fränki, während der erste Float an uns vorbeirollt. Der Sound aus den Boxen ist so laut, dass ich kaum verstehe, was er sagt.

Erinnerungen an die Loveparade
"Dit is' wie bei den Loveparades in den 90ern", erzählt Fränki und lacht. Er muss es ja wissen: Fränki war schon bei der allerersten am Start. "1989 sind wir mit Hundert Leuten den Ku'damm runtergezogen. Seitdem war ich jedes Jahr dabei." Eine neue Techno-Parade war längst überfällig, findet Fränki: "Nach zwei Jahren Pandemie wollen die Leute wieder tanzen!"
Den Eindruck kann man durchaus gewinnen: "Freiheit und Selbstexpression", "einfach zusammenkommen und feiern" und "Techno forever", das lieben die Teilnehmer:innen an "Rave the Planet". Der Zug, bestehend aus den Floats und der Techno-Masse, bewegt sich nur langsam voran, aber mit jedem Schritt steigen Stimmung und Pegel. Verschiedene Techno-Styles bringen die Boxen zum Beben, darunter auch viele Tracks aus den 90ern.
Techno-Parade zurück in Berlin
"Techno ist gekommen, um zu bleiben"
Neben hartem Techno soll auch eine politische Message transportiert werden: Die Organisator:innen fordern auf Bannern mehr Förderung der Berliner Techno-Kultur und ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kunstschaffende. Außerdem soll die elektronische Musikkultur UNESCO-Weltkulturerbe werden. Die "Rave the Planet"-Parade heute liefert ein gutes Argument für diese Forderungen.
Mehr als 100.000 Teilnehmer:innen
Mittlerweile ist der Himmel nicht mehr grau, sondern wolkenfrei und blau. Der Rauch aus den Nebelmaschinen der Floats glitzert im Sonnenlicht, während der Umzug am Brandenburger Tor Richtung Siegessäule einbiegt. Genau wie bei den Loveparades der 90er findet hier der Höhepunkt der Parade statt. Immer mehr Raver:innen kommen dazu. Mittlerweile seien es mehr als 100.000, sagt mir ein Polizist. Die alten Loveparades kenne ich nur aus Videos und dem Fernsehen, doch genau so muss es damals ausgesehen haben.
Auch die Outfits erinnern an die Paraden vor mehr als 20 Jahren. Bunt, freizügig, exotisch. Einige tragen wie Fränki die typischen Arbeitsoveralls und Latzhosen. Aber nicht nur das Aussehen der Techno-Meute ist bunt. Junge und ältere Raver:innen feiern hier zusammen. Die Stimmung ist locker und offen. "Jeder ist willkommen": mit dieser Aussage hatte Dr. Motte, Loveparade-Gründer und Rave the Planet"-Veranstalter, wohl Recht.
Von "Rave the Planet" zu "Save the Planet"
Doch die Loveparades der 90er hinterließen nicht nur einmalige Erinnerungen und Gehörschäden, sondern auch ein Bild der Verwüstung. Leere Flaschen, Kostümfetzen und Konfetti verschmutzten die Straßen und den anliegenden Tiergarten. Der Streit zwischen dem Berliner Senat und dem Veranstalter über die Kostenübernahme der Aufräumarbeiten endete mit dem Abzug der Loveparade aus Berlin.
Dieses Jahr hat man anscheinend aus den Fehlern gelernt: "Wir nehmen die Verantwortung gegenüber der Natur und der Umwelt ernst, um den nachfolgenden Generationen einen belebbaren Planeten zurückzulassen, auf dem sie weiter Raven können." So steht es in Facebook-Gruppen, die sich am Tag danach zum gemeinsamen Müllsammeln treffen. Außerdem auffällig: Viele achtsame Raver:innen stellen leere Flaschen gesammelt abseits der Straße hin, sodass sie einfacher abgeholt werden können.
Energie und Ekstase - war das die "neue Loveparade"?
"Rave the Planet 2022" war eine "Umbrella-Parade", "Endlich-wieder-feiern-Parade" und in den Augen vieler Raver:innen eindeutig die "neue Loveparade". Sie hoffen auf eine jährliche Wiederholung des Events. Die Stimmung sei "genauso wie damals" gewesen, sagt Fränki. Und das sei gut so, denn "Techno und die Loveparade, dit gehört einfach hier hin!" Wenn es einer weiß, dann wohl Fränki.
Sendung: rbb24 Abendschau, 09.07.2022, 19:30 Uhr