#musikistkeinhobby | Rapperin Nashi44 - "Ich bin nicht Deine Lingling und auch nicht Deine Geisha"

So 21.08.22 | 16:29 Uhr | Von Hendrik Schröder und Christoph Schrag
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Die Rapperin Nashi44 (Quelle: imago images/Roland Owsnitzki)
Bild: imago images/Roland Owsnitzki

Die Rapperin Nashi44 ist in Neukölln aufgewachsen, ihre Texte sind derbe, um gegen Rassismus und Sexismus anzusingen. Ihre Antwort auf die Frage "Woher kommst du" ist "aus der Pussy meiner Mutter". Ein Gesprächsprotokoll.

In der neuen rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag jede Woche Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind - und ihre ganz besondere Message und Geschichte erzählen.

Die viet-deutsche Rapperin Nashi44 aus Neukölln mischt mit Songs wie "Aus der Pussy" (2021) oder "magic clit" (2021) gerade die Hip Hop Szene auf. Ihr Stil ist provokativ. Ihre Texte sind derbe. Aber klug und hochpolitisch.

"Ich bin in Berlin Neukölln aufgewachsen, direkt mit Hip Hop und mit RnB, Aggro Berlin auf dem Schulhof und sowas. Ich wusste da schon ganz früh, dass ich später mal Musik machen und Texte schreiben will.

Ich hab' dann aber erst mal Jazz gemacht, weil ich dachte, ich muss einfach noch mehr über Musik wissen. Ich bin nach Leipzig gegangen, um Jazz zu studieren, weil ich einfach eine richtige musikalische Ausbildung haben wollte. Nach zwei Jahren hab ich das abgebrochen, es war zu verschult.

In dieser Zeit war ich auch so viel mit Rassismus und Sexismus konfrontiert, dass ich gemerkt habe, mit Rap kann ich mich, was die Themen angeht, einfach besser ausdrücken. Asian Berlin Pussy Power nenne ich den Style. Ich habe bewusst das Mittel der Übertreibung gewählt. In den Texten, in den Videos, weil ich das Gefühl habe, mit nur seicht dran vorbeireden, erreicht man niemanden. Ich spreche nämlich immer wieder mit Leuten, die einem das Gefühl geben: 'Ach komm, so schlimm ist das doch gar nicht mehr, wir leben doch jetzt in einer bunten Welt.'"

Die Autoren

Hendrik Schröder und Christoph Schrag (Quelle: rbb)
rbb

Hendrik Schröder und Christoph Schrag sind seit 25 Jahren befreundet und fast genau so lange machen sie schon Dinge zusammen: Reportagen, moderieren, reisen, Musik. Christoph Schrag ist Moderator bei Fritz. Hendrik Schröder ist Reporter und Moderator bei rbb24 Inforadio und rbb 88.8. Außerdem basteln sie in ihrem kleinen Kreuzberger Tonstudio unter dem Namen "Schallultras" an Podcasts. Im Alltag tragen sie übrigens keine Schutzanzüge.

Keine Projektionsfläche für Phantasien der anderen

"Was mir aber eben oft begegnet ist, dass die asiatisch gelesene Frau nur für Sex da ist. Und dann auch nur für Sex, der dem Mann gefällt. Du wirst halt objektifiziert und hypersexualisiert. Das begegnet mir oft im Alltag, dass ich nicht mehr als Mensch wahrgenommen werde, sondern Du bist dann eine Projektionsfläche für die Phantasien der anderen. Das passiert mir etwa, dass ich auf Tinder unterwegs bin und du kriegst da Sprüche, wo Typen gleich schreiben: Du siehst ja aus wie eine super schüchterne Asiatin. Oder wie eine total heiße Latina.

Und ich denke dann: Bin ich auch noch ein Mensch oder nur das? Deswegen greife ich das in meinen Songs auf. Bei "suck on my spring roll" singe ich: "Ob in Dessau oder Atlanta, ihr zeigt keinen Respekt vor unseren Schwestern. Ich bin nicht Deine Lingling und auch nicht Deine Geisha, ich bin nicht da für Dein white male pleasure". Wir wachsen nun mal alle in einem rassistischen und sexistischen System auf, aber ändern können wir das nur, wenn wir das alle auch verstehen und deswegen machen ich das so."

Krasse Sprache, klare Message

"Mir passiert das immer noch, dass Leute mich mitten in Berlin auf Englisch ansprechen, weil sie denken, dass ich kein Deutsch kann. Oder ich im Club ständig gefragt werde, wo ich herkomme.

Darum geht es auch auf meinem Track "aus der Pussy". Weil ich dann antworte: Ich komm' aus der Pussy meiner Mutter. Klar ist das krasse Sprache und natürlich rede ich im wahren Leben nicht ständig so.

Nashi44 ist trotzdem keine Kunstfigur, sondern einfach ein Teil von mir, mit dem ich die Themen ansprechen kann und die mich beschäftigen. Mit dem Thema Rassismus und Sexismus gegenüber asiatischen Menschen und anderen Minderheiten, hatte ich mich schon länger auseinandergesetzt. In Leipzig sind dann aber echt Extreme aufeinandergetroffen. Ich wurde da auf der Straße angemacht, sogar an der Hochschule gab es solche Situationen."

Musikalisches Zuhause für alle, denen es auch so geht

"Meine erste EP "Asia Box" ist jetzt draußen und soll auf jeden Fall ein Beitrag sein dazu, anti-asiatischen Rassismus erst mal anzuerkennen und darüber zu reden, dass es den einfach gibt. Und auch den Schmerz darüber abzubauen. Das soll schon auch ein musikalisches Zuhause sein für andere Menschen, die asiatisch gelesen werden und in Deutschland wohnen. Ich kriege das auch als Feedback ganz oft auf Konzerten, dass Leute sagen, es ist so toll, dass Du darüber sprichst."

Gesprächsprotokoll: Hendrik Schröder und Christoph Schrag.

Bislang sind diese Gespräche mit diesen Künstler:innen geplant:

Haxan

Donata

McLuvin

Sable

Selina Bostic

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Beitrag von Hendrik Schröder und Christoph Schrag

19 Kommentare

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  1. 19.

    In Berlin reicht es schon wenn du nicht aus dem gleichen Kiez bist, um beleidigt und runter gemacht zu werden.
    Das nenne ich alltagsrassismus deutsche gegen deutsche.

  2. 18.

    Sie sehen es als Kompliment und Ausdruck der Bewunderung an, wenn irgendjemand ihr "gutes Deutsch" lobt, das sie ws. schon sehr lange Zeit sprechen. Das sei Ihnen doch auch unbenommen. Nur sollten Sie anderen Menschen, die vlt. nicht gerade so 'typisch mitteleuropäisch' wie Sie aussehen, zugestehen, dass sie ein solches Verhalten als mindestens gönnerhaft wahrnehmen, Dagmar.

  3. 17.

    Was man allerdings als Tatsache hinstellen kann ist, dass Menschen sich diskriminiert fühlen können, selbst wenn es als Kompliment gemeint war (Stichwort positiver Rassismus). Und wie es bereits geschrieben wurde, spielt eine "habt-euch-doch-nicht-so"-Einstellung den Rassisten in die Hände...

  4. 16.

    Nein. Ich stimme "rbb-24-nutzer" und "Sheela" ausdrücklich zu. Was sie und "Dagmar" nicht sehen wollen ist der alltägliche Rassismus, der sich eben auch in dem angesprochenen Beispiel äußert.

    Es sind Leute wie sie und "Dagmar" die schaden weil sie keine Empathie für Opfer von Alltagsrassismus aufbringen.

  5. 15.

    Mit derartigen Eskalationen und Umdeutungen schaden Sie nur. Wollen Sie den Kommentar nicht doch besser mit anderen Augen lesen?

  6. 14.

    Tja, es sieht asiatisch aus, seine Muttersprache ist wohl nicht die hiesige, meistens hört man dann bei deutschsprechen ein Akzent heraus, so auch bei mir. Das er deutsche Schulbildung hatte, das steht ihm nicht auf der Stirn geschrieben.
    Man muss nicht immer ein Haar in der Suppe vermuten, und es als Tatsache hinstellen.

  7. 13.

    Sich selbst die Deutungshoheit zuzuschreiben, wann etwas rassistisch gemeint sei und wann nciht, ist teil des Problems, teil von Rassismus, ebenso die Verharmlosungen gegenüber Rassismus im Alltag, im Text explizit benannt, von Kommentator*innen hier dennoch ausdrücklich übergangen und umgedeutet. Es geht um Ausgrenzung, Abwertung, Delegitimation, darüber spricht die Künstlerin, der Text und darum dreht es sich auch bei Rassismus. Es ist ergo kein individueller, "kleinkünstlerischer" Akt der Selbstvermarktung. Und das Thema Aufmerksamkeitsökonomie liegt allein schon in diesem Forum ganz anders: Rechte versuchen, Rassismus zu verharmlosen und zu legitimieren, während Anderen das Recht auf eine entsprechende Problematisierung abgesprochen wird. So funktioniert Hierarchisierung. Rassistisch Markierte und Marginalisierte sind nicht schuld am Rassismus - klass. Täter-Opfer-Umkehr. Zudem waren asiatisch Gelesene die ersten, die in der Corona-Pandemie rassistisch attackiert wurden.

  8. 11.

    Kann mit ihr nicht viel anfangen.

    Vorschläge: Luvre47 und AOB bzw Bangs.
    Viel zu wenig beachtet. Mach One.

  9. 10.

    Wenn Sie deutsche Schulbildung genossen haben (wie mein Kollege) dann empfinden sie das nicht als Kompliment. Zu mir sagt auch keiner "wow", weil ich gut deutsch spreche...

  10. 9.

    Sie wollen "Jan" so verstehen, wie er es eindeutig nicht gemeint hat? Ihm gefallen die Texte und das Stilmittel nicht, was er sagen darf. Ihn in die "falsche Ecke" zu stellen sagt über Ihre Gedanken mehr aus und Schaden eher Ihrem Anliegen.

    P.S. anerkennende Worte zur deutschen Sprache, so wie "Dagmar" unter #7 formuliert, sind kein Rassismus.

  11. 8.

    Sich per Tinder durch die Gegend v..ln und sich beschweren, als Sexobjekt betrachtet zu werden. Genau mein Humor.

  12. 7.

    Beschäftigt sie sich auch noch mit anderen Themen oder nur sich selbst? Kann natürlich auch an den Autoren liegen,weil sie sich nur dafür interessiert haben.
    Aber danke für Den Tip! Ich werde mal reinhören,vielleicht ist es ja doch abwechslungsreicher.

  13. 6.

    Diese Frage bekomme ich als nichtdeutsche europäisch ausehende Frau auch des öffteren gestellt, ich verstehe sie als Kompliment, und Ausdruck der Bewunderung seitens meines Gegenüber, dass man ohne deutsche Schulbildung diese schwere Sprache sehr gut beherscht.
    Man muss wirklich nicht jede Äußerung mit Rassismus begründen..

  14. 5.

    Anti-asiatischer Rassismus ist für jede/n ein Thema, der/die asiatisch gelesen wird. Mein Arbeitskollege hat thailändische Wurzeln, lebt seit 40 Jahren in Deutschland und wird bis heute gefragt, warum er denn so gut deutsch kann.
    Vielleicht versuchen Sie mal sich in so jemanden hinein zu versetzen, bevor Sie Themen wie Rassismus und Sexismus als Karrieresprungbrett diskreditieren...

  15. 4.

    Ich verstehe und befürworte den Kampf gegen Sexismus und Rassismus von Nashi44, wundere mich allerdings darüber, dass sie sich darüber wundert, dass auf Tinder entsprechende Sprüche kommen.

  16. 3.

    Provokante, aggressive & anstößige Texte & Videos sind intelligent und politisch? Wo bitte schön ist anti-asiatischer Rassismus in Berlin bisher ein Thema? Mit den Themen Rassismus & Sexismus bekommt man eine Bühne - daher wird es recht inflationär von Kleinkünstlern benutzt, quasi als Reichweitenhebel. Nächste Woche sind zum Glück die Ferien & somit das Sommerloch vorbei.

  17. 2.

    Van Canto wäre toll. Ok, ist 'ne ganze Band, aber "Neuer Wind" passt in die Zeit.

  18. 1.

    Plötzlich macht hier jeder auf 44!

    Richtige Queen of Whackness!

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