Berliner Philharmoniker mit Mahlers Siebter - Der Weg aus der Krise

Sa 27.08.22 | 09:28 Uhr | Von Maria Ossowski
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Kirill Petrenko u. die Berliner Philharmoniker © Stephan Rabold
Audio: rbb24 Inforadio | Sa 27.08.22 | Ossowski, M. | Bild: Stephan Rabold

Saisoneröffnung der Berliner Philharmoniker. Das ist vor allem ein musikalisches Ereignis, aber auch ein gesellschaftliches. Nur eine Sinfonie stand diesmal auf dem Programm: Mahlers Siebte. Ein Koloss. Von Maria Ossowski

Der Saal leuchtet in Blau und warmen Goldtönen, fast jeder der über 2000 Plätze in der Philharmonie ist besetzt. Die einhundert Orchestermusiker haben Platz genommen, Kirill Petrenko hebt den Taktstock. Warnend, düster und doch voller Strahlkraft erklingt das Tenorhorn.

Ein Jahr hat Mahler nach diesem Beginn seiner Siebten Sinfonie gesucht, verzweifelt hat er am Wörthersee und in den Dolomiten das Thema nicht gefunden, bis er beim Übersetzen eines Bergsees den Ruderschlag hörte, im Sommer 1905.

Dirigat mit gebrochenem Fuß

Die Berliner Philharmoniker mit Mahler, das ist eine perfekte Symbiose. 1920 hat das Orchester diese Sinfonie zum ersten Mal gespielt, immer wieder, auch unter Claudio Abbado und unter Sir Simon Rattle und nun erstmals mit Kirill Petrenko.

Der Chefdirigent hatte sich zu Beginn der Sommerferien den rechten Fuß gebrochen, er musste operiert werden, und eine kleine Fußstütze auf dem Podium soll nun das Bein entlasten. Petrenko ist ein eleganter Tänzer, er dirigiert mit vollem Körpereinsatz.

Deshalb schont er zu Beginn der 80 Minuten noch hin und wieder den Fuß, aber wenn Mahlers Walzertakte erklingen oder die Mandolinenkantilene, eine Hommage an Mozarts Don Giovanni, dann scheint jeder medizinische Rat vergessen, Petrenko und sein Orchester verschmelzen in musikalischer Energie und nobler Bewegung.

Wo bleibt die Polit-Prominenz?

Fünf Sätze mit zwei Nachtmusiken, die ein Scherzo in der Mitte umrahmen, enden schließlich im lang ersehnten C-Dur Rondo-Finale. Was dunkel und alptraumartig begann, mit rufenden Fanfaren, das endet hell und lebensbejahend. Ein ungeheures Lachen, so Mahler, umgibt die Welt. Das ist wunderschön herausgearbeitet, das macht glücklich, das glänzt und strahlt nach all den Widersprüchen, den schroffen Wechseln von Dur und Moll.

Ein riesiger Jubel nach den letzten Takten bricht aus, Jubel für die Bläser, den Bratscher, den Konzertmeister und den neuen Solopauker. Im Block A jubelt die Prominenz, Nobelpreisträgerin Herta Müller ist dabei, der Schauspieler Matthias Brandt, der Entertainer Max Raabe, auch Joachim Sauer, der Mann der Exkanzlerin.

Wer fehlt? Die Bundespolitprominenz. Zum ersten Mal bei der Saisoneröffnung ist niemand aus dem Kabinett dabei. Keine Minister konnte ich entdecken, auch die Staatsministerin für Kultur war, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der Einladung nicht gefolgt. Scheint es nicht opportun, in Krisenzeiten die Philharmoniker zu feiern?

Ein Fehler. Mahlers Sinfonie zeigt den Weg aus der Krise, zumindest musikalisch, und an diesem Abend in der allerwunderbarsten Art.

Sendung: Inforadio, 27.08.2022, 07:33 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

4 Kommentare

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  1. 4.

    Die „Prominenz“ zahlt i.d.R. keinen Cent für die Plätze. Ich denke, z.Z. ahnt „man“, dass es unklug ist jetzt in der Öffentlichkeit zu erscheinen! Und „man“ tut Recht.

  2. 3.

    Es ist soooo unwichtig ob Prominenz anwesend war, wichtig ist das es den Zuhöre*innen gefallen hat und den Musiker*innen Spaß gemacht hat. Nur darauf kommt es an!

  3. 2.

    Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Politik Ereignisse wie das Saison-Eröffnungskonzert der Berliner Philharmoniker versäumt, zumal die für die reservierten Plätze offensichtlich nicht durch andere Gäste besetzt worden sind. In diesen schwierigen Zeiten könnten die Damen und Herren Politiker/innen ruhig mal "Mensch sein" demonstrieren und zeigen, dass auch ihre Seelen gelegentlich einen schönen Ausflug fürs Gemüt brauchen.

  4. 1.

    Vielleicht ist das Nichterscheinen von Mitgliedern der Regierung Ausdruck von deren Kulturferne?
    Ich befürchte es.

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