Konzertkritik | Die Rolling Stones in Berlin - Die wahrscheinlich coolsten Opas des Planeten

Do 04.08.22 | 10:25 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Ron Wood (l-r), Mick Jagger und Keith Richards von der Band Rolling Stones performen auf der Berliner Waldbühne. (Quelle: dpa/S.Stache)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.08.2022 | Hendrik Schröder | Bild: dpa/S.Stache

Zum Abschluss ihrer Welt-Tournee haben die Rolling Stones die Berliner Waldbühne bespielt. Dabei lieferten die Musiker um Frontsänger Mick Jagger den 20.000 Zuschauern ein Spektakel. Teuer, aber preiswert, fand auch Hendrik Schröder.

Diese Zungen, überall sieht man dieses Logo der Rolling Stones. Auf tausenden T-Shirts, Mützen, Aufnähern, tätowiert auf den Unterarm, auf Sitzkissen und auf die Wangen gemalt, überall Zungen. Man kommt sich vor wie in einer Sekte. Aber es sind nur die Fans der wahrscheinlich coolsten Opas des Planeten.

Begeistert werden sich diese Fans später noch die Songtitel ins Ohr schreien, wenn sie geich am ersten Akkord erkennen, was jetzt kommt. Jetzt brechen sie aber erst mal in kollektive Ekstase aus, als Jagger und Co. mit "Street Fighting Man" die Waldbühne betreten.

Ein Mal noch

Die Fakten sind soweit bekannt: Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood, die verbliebenen Mitglieder also, sind inzwischen Mitte 70 und bald 80, Drummer Charlie Watts starb im vergangenen Jahr, ihn ersetzt jetzt ein junger zackiger Typ, der die Band ordentlich voran treibt.

Jagger stolziert und hüftwackelt über die Bühne, steckt sich das Mikro vorne in den Hosenbund, hebt die Hände und klatscht. Die Videowand zeigt sein Gesicht in Großaufnahme. Er ist wahnsinnig dünn und hat die Falten eines Hundertjährigen, aber seine ganze Ausstrahlung sagt: "Jetzt, hier, Rock'n'Roll". Ein Mal noch. Sehen die Leute genau so. Die übrig gebliebenen Althippies, die ihre geheimnisvollen Ausdruckstänze aufführen, die 20-Jährigen, die alles filmen. Ganze Familien stehen da, in Stones-Shirts und praktischen Trekkingsandalen und jeder kennt alle Songs. Ein Fest für alle, die sich die Tickets zwischen 200 und 500 Euro leisten können.

Dehydrierung und Entkräftung

Für manche allerdings endet der Abend jäh. Nicht wenige bringen die Sanitäter auf Tragen erschöpft aus der Menge. Die Sonne knallt aber auch, zumindest am Anfang, das Bier fließt in Strömen. Von alldem bekommt die Band nichts mit. Keith Richards mit seinem Stirnband um die schneeweißen Haare, dem offenen Hemd, den so lässig über das Griffbrett fliegenden Fingern. Ron Wood, der bei der Bandvorstellung auf den Steg läuft, seinen vermeintlichen Bizeps zeigt und sich minutenlang feiern lässt wie ein Boxer nach dem Sieg. Nur fürs bis hierher überhaupt Überleben vielleicht. Jagger erzählt, wie sein Deutsch nach fünf Schnäpsen "Berliner Luft" plötzlich perfekt wurde. Humor haben sie.

Wie die Stones seit fast 60 Jahren Berlin rocken

Jaggers linker Zauberarm

Aber das beste ist Mick Jaggers linker Arm. Mit dem rechten hält er das Mic, der linke aber ist wie aufgezogen immer in Bewegung, der kann fuchteln, streicheln, drohen, antreiben, sich listig schlängeln, der kann die 20.000 Zuschauer in der Waldbühne mit einer langen Bewegung zum richtigen Ton beim obligaten Ohohoho-Mitsingpart führen. Dieser Arm macht viel von Jaggers Ausstrahlung aus. Aber sie spielen auch einfach fantastisch gut. Sie spielen "Out of time", "Honky Tonk Woman", "Paint it Black", "Sympathy for the devil", "Satisfaction". Und alles klingt wirklich gut. Ein sehr teures Vergnügen zwar, aber ein richtig gutes Konzert, was man den Stones im hohen Alter so vielleicht nicht unbedingt mehr zugetraut hätte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.08.2022, 07:10

Beitrag von Hendrik Schröder

13 Kommentare

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  1. 11.

    Wahnsinnskonzert!!!
    Aber unverantwortlich die Taktik des Veranstalters die Tickets mit freier Platzwahl zu verkaufen. Die Plätze in der Waldbühne sind nummeriert, wenn man das genutzt hätte wäre uns die Tortur vor dem dann auch verspäteten Einlass erspart geblieben. So entsteht der Verdacht das der Veranstalter mehr als die normal verfügbaren Sitzplätze verkauft hat.
    Egal, wir haben es überlebt und hatten einen unvergesslichen Abend.

  2. 10.

    Spielen die auch neue Sachen oder düdeln die da nur das alte Zeugs ab? Meine Musik ist es ganz und gar nicht aber es ist schon sehr beeindruckend, was die in dem Alter noch so leisten.

  3. 8.

    Also, wenn sie keine Ahnung haben von Musik, oder Rock, dann schreiben sie bitte kein dummen Kommentar"
    Gut, abgemacht.
    Das überlasse ich dann Ihnen.

  4. 7.

    Also, wenn sie keine Ahnung haben von Musik, oder Rock, dann schreiben sie bitte kein dummen Kommentar

  5. 6.

    Danke für diesen Kommentar. Wir älteren haben mehr Power als manch 20jähriger..
    Ich habe leider keine Karten bekommen sonst wäre ich dabeigewesen. Die Stones sind legendär.

  6. 5.

    Mythenpflege – ein einträgliches Geschäft. The Great Rock‘n Roll Swindle. Charlie, du hast es hinter dir. Gehab dich wohl.

  7. 4.

    Ob die auch noch am Tag, wenn die Sonne scheint, rausdürfen?

  8. 3.

    Ich wusste gar nicht, dass die Stones in Berlin Enkelkinder haben.
    Was ist mit Udo Lindenberg oder Herbie Hacock, tja die sind einfach nur ältere Herren.
    Ich finde es unverschämt ältere Menschen als Oma und Opa zu bezeichnen, es ist despektierlich.

    Übrigens, meine Schulfreundin ist schon mit 37 Jahren Oma geworden, und mit 59 Uroma.

  9. 2.

    Moin! Wenn man davon absieht, dass der Einlass nicht um 16:30 begann und man die Leute bei 35 Grad warten ließ, dann sage ich mal: Großartig war‘s. Sie haben ein Brett abgeliefert, es war eine tolle Stimmung und die letzte Note um Punkt 22:00 Uhr. So viel Power und gute Laune der Stones und der tollen Begleitband: Wahnsinn.
    Aber das Gefühl von nicht wenigen war: Mehr als die erlaubten 22.000 Plätze. Ich bin seit Jahren in der Waldbühne. Aber so voll, auch sitzend auf den Stufen war es noch nie.

  10. 1.

    Ich hätte die Jungs wirklich gerne nochmal gesehen. Aber die Preise etwas weiter unten, also näher an der Bühne, lagen einfach weit außerhalb meines Budgets. Und weiter oben sitzen kam für mich nicht in Frage. Da hatte ich in der Vergangenheit immer das Gefühl, nicht so richtig dabei zu sein.

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