Ein Jahr nach "Letter of Intent" - Künstler in den Uferhallen bangen immer noch um ihre Zukunft

Fr 16.09.22 | 06:07 Uhr | Von Frank Preiss
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Die Uferhallen in der Uferstraße 8 in Berlin-Wedding (Bild: imago images/Doris Spiekermann-Klaas)
Bild: imago images/Doris Spiekermann-Klaas

Als Durchbruch wurde vor einem Jahr die Einigung zwischen Politik und Eigentümern der Uferhallen in Berlin-Wedding gefeiert: Die Ateliers sollten langfristig bleiben, wurde verabredet. Doch auch ein Jahr später herrscht Unsicherheit. Von Frank Preiss

Die Hoffnung unter den Künstlern in den Weddinger Uferhallen war groß, als Mitte September 2021 ein "Letter of Intent" beschlossen wurde: Mehrere Akteure hatten sich darauf verständigt, dass die Mietverträge der Ateliers verlängert werden und sie fester Bestandteil des Areals bleiben - trotz Neubauplänen des Eigentümers. Beteiligt waren das Land Berlin, der Bezirk Mitte, das Landesdenkmalamt und der Eigentümer des Künstlerdomizils, die Uferhallen AG. Der "Letter of Intent" sollte langfristige Planungssicherheit verschaffen.

Doch Ruhe ist damit unter den 150 Künstlerinnen und Künstlern vor Ort nicht eingekehrt.

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Die Uferhallen in der Uferstraße 8 in Berlin Wedding (Bild: imago images/Doris Spiekermann-Klaas)
imago images/Doris Spiekermann-Klaas

Die Geschichte der Uferhallen

Ab 1873 entstand auf dem Gelände an der Uferstraße ein Transportbetriebshof für die "Große Berliner Pferdeeisenbahn". Ab 1896 wurde das Areal für die Bedürfnisse des elektrischen Straßenbahnbetriebs umgestaltet. 1898 errichtete der Architekt Joseph Fischer-Dick die große, mit Sägezahn-Dächern versehene Straßenbahnhalle. Zwischen 1926 und 1931 entstanden Klinkersteingebäude nach Plänen des Architekten Jean Krämer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Berliner Verkehrsbetriebe die Uferhallen auch für die Instandsetzung ihrer Omnibusse. 2007 wurde der Betriebsbahnhof stillgelegt und von der Uferhallen Immobilien AG als Kunst- und Kulturstandort entwickelt. 2017 wurde eine Aktienmehrheit an der Uferhallen AG verkauft.

"Letter of Intent" hinterlässt Fragezeichen

Das Gelände in der Uferstraße in Wedding, auf dem einst Busse und Straßenbahnen repariert wurden, beherbergt seit 2007 zahlreiche Ateliers, Tanz- und Proberäume, Werkstätten, Tonstudios und Veranstaltungsräume. Das Areal gehört der Uferhallen AG, die inzwischen im Besitz mehrerer Unternehmen ist.

Der Investor will die Ränder des Uferhallen-Geländes um zahlreiche neue Wohnungen ergänzen. Unter anderem soll ein 13-stöckiger Wohnturm entstehen, in dessen Erdgeschoss auch Ateliers Platz finden sollen. Gebäude, die nicht unter Denkmalschutz stehen, sollen abgerissen werden.

Im "Letter of Intent" wurde im September 2021 verabredet, dass die Mietverträge der Künstler bis Ende 2023 verlängert werden. Ab 2024 sollen die Atelierflächen auf dem Areal dann langfristig an die ansässigen Künstlerinnen und Künstler vermietet werden - doch zu welchen Konditionen, bleibt grundsätzlich unklar. Die Angst vor stark steigenden Mietpreisen besteht somit weiter.

Künstler fordern gleichbleibende Mieten

"Für mich ist das tatsächlich ein Horrorszenario", sagt Künstlerin Antje Blumenstein, die dem von den Betroffenen gegründeten Verein "Uferhallen e.V." angehört. "Ich arbeite mit Skulpturen und habe hier auch ein Keller-Lager. Ich habe sehr viel Werkzeug, Materialien. Jede Mietsteigerung bedeutet für den Künstler, der ja auch seine Wohnung zahlen muss und dessen Atelier sein Arbeitsraum ist, ein Problem, selbst wenn es nur ein Euro ist pro Quadratmeter ist. Das nächste Problem ist, dass auch innerstädtisch diese Räume immer mehr schrumpfen", beklagt sie gegenüber dem rbb.

Zwar wurden den Künstlern vor Ort Ersatzflächen angeboten, dabei insbesondere in einer großen Halle. Doch so einfach sei das nicht, betont Blumenstein: "Das ist denkmalgeschützt, das wird also schwierig und teuer. Und es muss natürlich auch so sein, dass man ein nutzbares Atelier bekommt, inklusive Heizung, und da ist auch noch die große Frage: Wer zahlt das?" Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Verein "Uferhallen" fordert sie die Uferhallen AG auf, nicht nur die bestehenden Mietverträge beizubehalten, sondern auch die Mietpreise.

Bebauungsplan der Uferhallen, Stand Mai 2022 (Bild: Architektenbüro Ortner & Ortner)
Der Bebauungsplan, Stand Mai 2022: Abriss in gelb und orange, Neues in rotBild: Architektenbüro Ortner & Ortner

Zähe Verhandlungen über einen Generalmietvertrag

Schon direkt nach Abschluss des "Letter of Intent" hatte das Vorstandsmitglied des Vereins Uferhallen e.V., Peter Dobroschke, betont, am Ende müsse "eine tatsächliche Langfristigkeit, Bezahlbarkeit und Selbstverwaltung der ansässigen Mieterschaft" stehen. Er hoffe nun auf einen Generalmietvertrag mit der Uferhallen AG, "um diesem Ziel einen deutlichen Schritt näher zu kommen". Doch die Positionen scheinen noch weit auseinander zu liegen: "Die derzeitige Mietvorstellung der Investoren würde eine Vervielfachung der Kosten bedeuten", betont der Verein auf seiner Internetseite.

Wie weit die Verhandlungen über künftige Mietpreise inzwischen gediehen sind, wollte keiner der Beteiligten rbb|24 mitteilen. Die Senatsverwaltung für Kultur will sich derzeit nicht zu dem Thema äußern. Vom Behördensprecher hieß es lediglich auf rbb|24-Anfrage, man befinde sich "aktuell auf verschiedenen Ebenen in Gesprächen mit den Beteiligten". Zu Zwischenständen werde man sich nicht äußern, sondern "konkrete Auskünfte erst geben, wenn es Konkretes gibt".

Der Baustadtrat des Bezirks Mitte, Ephraim Gothe, wurde nur unwesentlich konkreter: "Die Miete ist noch nicht endverhandelt. Hier gibt es noch verschiedene Stellschrauben: Nebenkosten, Unterhaltung, Langfristigkeit", teilte er auf rbb|24-Anfrage mit. Der Vorstand der Uferhallen AG, Felix Fessard, hat noch nicht auf die entsprechenden rbb|24-Fragen geantwortet.

Mögliche Konflikte zwischen Künstlern und Anwohnern

Neben den künftigen Mietpreisen treibt die ansässigen Künstler aber auch die Frage um, wie das Zusammenleben der neuen Bewohner mit dem teils lauten Arbeitsalltag beispielsweise von Bildhauern zusammenpassen soll. Manche geplante Wohnung liege Wand an Wand zu Ateliers, heißt es. "Wie soll das gehen? Es gibt Lärm aus dem Atelier heraus, mitunter auch vor der Tür, dann natürlich auch Lieferverkehr", sagt Blumenstein. "Wir befürchten Beschwerden und Unterlassungsklage, speziell bei Abend- und Wochenendarbeit und bei größeren Kulturveranstaltungen."

Baustadtrat Gothe zeigt dafür Verständnis. "Dafür ist der Bebauungsplan da, damit Gewerbe und Wohnen räumlich so sortiert wird, dass eine Kollision ausgeschlossen werden kann", teilte er mit. Der Bebauungsplan verfolge drei Ziele: "Die Sicherung des Kulturstandortes, die Sicherung der denkmalgeschützten Gebäude, dann kommt erstmal nix und dann kommt eine behutsame Nachverdichtung", so Gothe weiter. Schon bald werde es neue Treffen zwischen ihm, dem Verein Uferhallen e.V. und der Stadtentwicklung geben, zudem seien Workshops auch mit dem Eigentümer geplant. Es scheint also Vieles in Bewegung zu sein.

"Art Week" thematisiert Kampf um die Uferhallen

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, widmet sich die diesjährige "Berlin Art Week" seit dem 14. September mit einer Ausstellung der schwierigen Lage in den Uferhallen. "On Equal Terms" (deutsch: "Auf gleicher Augenhöhe"), kuratiert von Sophia Gräfe und Arkadij Koscheew, dokumentiert den schon seit Jahren andauernden Kampf der Künstlerinnen und Künstlern um den Erhalt der Uferhallen. "Was ist Augenhöhe?" soll die entscheidende Frage sein.

Zudem dient der BAW-Garten auf dem Gelände der Uferhallen als zentraler Festival-Treffpunkt – auch das ein klares Statement der Art-Week-Veranstalter.

Sendung: rbbKultur, 14. September 2022, 8 Uhr

Beitrag von Frank Preiss

6 Kommentare

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  1. 6.

    Wie kommen Sie auf die Idee, dass da unter der Erde begehrter Wohnraum geschaffen wird? Sie haben doch selbst einen Artikel verlinkt, aus dem klar ersichtlich ist, dass es sich nur um zusätzliche Räume von Stadtvillen handelt, hauptsächlich für Sporträume, Sanitärräume und die Automobilsammlung. Das auf der Zeichnung auch Personalräume erwähnt werden, finde ich mehr als verachtend. Die Hausbesitzer leben nicht unter der Erde.
    Kellerwohnungen, vornehm auch Souterrainwohnung genannt, gab es früher in Berlin. Manchmal sieht man sie auch heute noch. Viele Keller sind dafür aber gar nicht geeignet, weil zu niedrig.

  2. 5.

    Die Genossen haben schlicht die Entwicklung verschlafen. Einst im kommunalen Eigentum unterentwickeltes Randgebiet zu Mauerzeiten. landete das Gebiet im Bietergefecht bei einer agilen privaten Investorengruppe. „Der Senat und die Verwaltung für Kultur werden sich nicht mit Steuergeldern am Aufpumpen der Immobilienblase beteiligen“, sagte Daniel Bartsch, der Diplompolitiker und Linkspartei-Genosse von der Senatsverwaltung für Kultur.

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/privatinvestoren-kaufen-uferhallen-3862681.html

  3. 4.

    Da geht in Berlin eine ganze Menge, nämlich in die Höhe.

    In London schafft man gefragten Wohnraum mittlerweile unter der Erde.

    In Berlin nicht vermittelbar.

    https://www.welt.de/finanzen/immobilien/article176530384/Mehr-als-ein-Keller-Reiche-Londoner-bauen-luxurioese-Unterwelten.html

    Oder doch vermittelbar, weil diesen Wohnraum Wohlhabende errichten?

    Wenn gewollt, Keller zu Wohnraum umbauen.

    Übrigens haben diese s. Artikel in Planung befindlichen, neuen Wohnungen wohl kaum messbaren Einfluss an der Wohnungsdichte Berlins.

    Die Frage ist zu offen gestellt.

  4. 3.

    Wieviel Wohnraum und Wohnungsdichte verträgt die Stadt?

  5. 2.

    Gut, der Lärm-Konflikt besteht. Da wird es keine "Ruhe" geben können. Der Eigentümer-Konflikt ist verhandelbar: Wenn er den Künstlern nicht das Gefühl des Willkommenssein geben kann werden die sich andere Orte suchen: Eberswalde oder Luckenwalde warten nur darauf und rollen den roten Teppich aus. Insofern ist die Verhandlungsposition nicht ganz so schwach. Denn der Eigentümer will vom geschaffenen Flair der Künstler auch profitieren und das ist etwas das man mit Geld schwer aufwiegen kann...

  6. 1.

    Grundsätzlich dürfte für Berlin gelten:

    - Wohnungen/Wohnraum vor Skulpturen -

    Fraglich ist auch, welche „Billigmieten“, Inklusivmieten derzeit eigentlichen durch die sog. Künstler gezahlt werden?

    Dann wäre der Bericht des RBB seriös, so jedoch wird nur Stimmung durch den ÖRR gegen den Vermieter durch eventuell stark steigende Mieten gemacht - grenzwertig.

    Also, lieber RBB, können Sie die Mietkonditionen bitte nachreichen? Danke.

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