Drastisch gestiegene Energiekosten - Unis wollen Präsenzbetrieb auch im Winter fortsetzen

Mo 19.09.22 | 22:03 Uhr
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Symbolfoto: Studenten sitzen im Audimax der Freien Universität Berlin. Mit einer Aktionswoche begeht die Freie Universität Berlin den Beginn des Wintersemesters 2021/2022, das mit einem großen Anteil an Präsenzveranstaltungen stattfinden soll (Quelle: dpa / Britta Pedersen).
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Video: rbb24 Spät | 19.09.2022 | Uwe Wichert | Bild: dpa-Zentralbild

Die Kosten für Heizung und Strom werden auch die Hochschulen dramatisch treffen: Die TU Berlin etwa rechnet für dieses Jahr mit doppelt soviel Ausgaben - und 2023 mit bis zu fünfmal soviel. Die Studierenden sollen trotzdem nicht wieder ins Homeoffice.

Die Berliner Hochschulen und die Senatsverwaltung für Wissenschaft wollen den Präsenzbetrieb auch im Winter fortsetzen, trotz drastisch steigender Energiekosten. Das erklärten mehrere Hochschulvertreter sowie die Wissenschaftsstaatssekretärin am Montag bei einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. "Eine Generation, die zu Hause studiert und friert, können wir uns nicht leisten", sagte die Staatssekretärin Armaghan Naghipour.

Das Homeoffice spare keine Energie, diese werde dann zuhause verbraucht, sagte Andreas Wanke, Leiter der Stabsstelle für Nachhaltigkeit und Energie an der FU Berlin. "Wir können im Gegenteil eher sicher sein, dass diejenigen, die in der Uni sind, zu Hause den Thermostat abdrehen", sagte Wanke.

TU rechnet mit fünfmal höheren Energiekosten

Das Land Berlin hat alle öffentlichen Einrichtungen verpflichtet, zehn Prozent an Energie zu sparen, die Bundesregierung geht über diese Forderungen in manchen Punkten noch hinaus. Das soll dazu beitragen, die Folgen der Preissteigerungen wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine abzumildern. Das Einsparziel selbst bezeichneten mehrere Hochschulvertreter am Montag prinzipiell als erreichbar. Die bekanntesten Maßnahmen: Das Senken der Raum- und Wassertemperaturen.

Wegen der zu erwartenden Preissteigerungen aber stehen die Hochschulen vor enormen finanziellen Problemen, denn sie fallen bisher nicht unter die geplante Energiekostenrücklage der Bundesregierung. Die TU Berlin rechnet nach Angaben ihrer Präsidentin Geraldine Rauch mit bis zu fünfmal so hohen Kosten für Strom, Gas und Fernwärme im kommenden Jahr. Bisher hätten diese Kosten bei 24 Millionen Euro gelegen. "Für 2023 rechnen wir mit 90 bis 140 Millionen Euro". Man sei momentan im Blindflug, was den Haushalt im nächsten Jahr angehe, sagte Rauch dem rbb. Auf die Frage, wie die Hochschule diese wesentlich höheren Kosten bezahlen wolle, antwortete Rauch: "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe keine Ahnung."

Senat fordert Bund auf, mehr zu zahlen

Auch die Freie Universität Berlin kann die Mehrkosten noch nicht beziffern. Universitätspräsident Günter Ziegler geht aber von einem zweistelligen Millionenbetrag aus. Genau abschätzen ließe sich das derzeit aber noch nicht. Man sei im Gespräch mit dem Land Berlin, wie die massiven steigenden Energiekosten abgedeckt werden könnten, sagte Ziegler am Montag dem rbb. "Es ist völlig klar, dass wir diese zusätzlichen Energiekosten nicht aus den regulären Budgets der Universität und der Hochschulen tragen können."

Die Berliner Wissenschaftsverwaltung teilte dem rbb am Abend mit, man arbeite an einer Lösung. Zuvor hatte Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) die Bundesregierung aufgefordert, die Hochschulen mit in das geplante Entlastungspaket aufzunehmen. "Wir dürfen keinesfalls riskieren, dass die Hochschulen aus Not und gegen ihren eigenen Willen zu Mitteln greifen, die der wichtigen Präsenzlehre schaden, für die wir uns gemeinsam - Land und Hochschulen - nach fünf Online-Semestern so sehr einsetzen. Das Energieproblem würde ansonsten auf die 200.000 Studierenden in Berlin abgewälzt", sagte Gote dem rbb.

TU: Audimax zu, Nacht- und Weihnachtsschließungen geplant

Die müssen sich zum Jahresende hin wohl auf eingeschränkte Öffnungszeiten einstellen, viele andere Möglichkeiten habe die Uni nicht, spürbar Energie einzusparen, sagte die TU-Präsidentin am Montag. Ohne Einschränkungen für den Betrieb werde es nichts gehen, da dürfe man sich nichts vormachen. Bedeutet: Vom 16. Dezember bis einschließlich 2. Januar sollen die TU-Gebäude geschlossen werden, das zumindest planen die Verantwortlichen laut einer E-Mail, die Studierende am Montag erhielten - in dieser Zeit gibt es also doch Homeoffice.

Auch das nächtliche Schließen der Gebäude zwischen 22 und 5 Uhr wird gerade diskutiert. "Beides ist hochkritisch, weil man sehen muss, dass gerade Studierende häufig bis spät in die Nacht irgendwo gemeinschaftlich sitzen und jetzt, gerade nachdem Corona überwunden ist, sich wieder zusammenfinden, um gemeinsam zu lernen. Insofern sind wir auch da noch am Prüfen, was geht", sagte Rauch dem rbb.

Man werde nicht alle Gebäude offen halten können, das sei unrealistisch. Das Audimax zum Beispiel wird wegen seiner ineffizienten Lüftungsanlage definitiv bis auf Weiteres geschlossen, die Veranstaltungen werden auf andere Räume verteilt. Die TU etwa arbeitet nach Rauchs Angaben gerade eine 35 Punkte lange Liste zum Energiesparen ab. "Es wird vielleicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, aber dafür sind es halt viele Tröpfchen, trotz allem", sagte Rauch.

Unis und Hochschulen zählen bei Bundesnetzagentur zu "geschützten Kunden"

Die Freie Universität plant 2022 zum ersten Mal seit Jahren keine Schließung über Weihnachten, allerdings nur weil der Personalrat geklagt und ein Gericht diesem Recht gegeben hatte. Durch die Schließungen in den vergangenen Jahren hat die Universität nach Angaben von Präsident Ziegler jedes Jahr rund eine halbe Million Euro eingespart.

Die Bundesländer Berlin, Thüringen und Brandenburg überlassen die Entscheidung, ob sie zum Jahreswechsel schließen möchten, den einzelnen Hochschulen. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller sagte vor kurzem, dass die Sicherstellung von Präsenzunterricht und Präsenzlehre auch aus der Sicht der Bundesnetzagentur oberste Priorität genieße und Schulen, Hochschulen und Universitäten als "geschützte Kunden" im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes auf jeden Fall mit Energie versorgt würden.

Mehrere Studierende bezeichneten ein längeres Schließen der Hochschule im Gespräch mit dem rbb am Montag als unfair. Den Einzelnen zuhause heizen zu lassen sei ineffizienter, als mehrere Studierende in gemeinsamen Räumen zu unterrichten - das Problem werde nur verlagert.

Sendung: rbb24 Spät, 19.09.2022, 21:45 Uhr

20 Kommentare

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  1. 20.

    "Die Berliner Hochschulen und die Senatsverwaltung für Wissenschaft wollen den Präsenzbetrieb auch im Winter fortsetzen, trotz drastisch steigender Energiekosten."
    Na wenigstens mal eine sinnvolle Maßnahme. Präsenzstudium ist schon wichtig für eine brauchbare Wissensvermittlung. Zumal ohne Präsenz und nur zu Hause der studentische Austausch ein Stück weit verloren geht und der Energieverbrauch in den Privatbereich verlagert wird.

  2. 19.

    Da diese Maßnahmen alle nicht in den verabschiedeten Haushalten enthalten sind, sind es gar nicht so unterschiedliche Töpfe.
    Wird alles über Nachtragshaushalt bwz. Sondereinnahmen finanziert und da hat man ja vorab Gestaltungsspielraum. Das Geld kommt ja nicht vom ÖPNV sondern vom Steuerzahler oder seinen Kindern.
    Wäre also kein Problem gewesen, die 105 Mio. auch zu investieren oder zukunftsfähiger oder gerechter auszugeben.

  3. 17.

    Es geht darum, daß die Kosten im Rahmen bleiben. Nur das kann es Gesellschaftlich getragen werden. Aber wenn die Entscheidungen von Personen getroffen werden welche über 10k im Monat verdienen, einen eigenen Fuhrpark haben, umsonst essen dann passt da etwas nicht

  4. 16.

    Hallo Brigitte,

    kurze Nachfragen: Was würden Sie stattdessen vorschlagen? Und sollte Deutschland demnach nichts in seiner Macht stehende für den Klimaschutz tun, weil andere Regierungen, auf die Deutschland keinen Einfluss hat, nicht tun, was aus Klimaschutz-Sicht notwendig wäre? Sollten wirs dann nicht ehrlicherweise alle am besten gleich lassen und unseren Nachkommen sagen: Sorry, kümmert Ihr Euch drum, wir wollten einfach bequem leben und nichts ändern, das versteht Ihr sicher?

    Letzte kleine Frage: Wenn wir die AKW wieder aufmachen und weiter betreiben, wohin würden Sie den Atommüll bringen? Wären Sie auch einverstanden mit einem Endlager in Ihrer Nähe? Das Atommüll-Problem konnte mir irgendwie noch niemand bis auf "Irgendwohin damit, nur nicht zu mir" beantworten. Danke und schönen Tag!

  5. 15.

    Man vergisst schnell, dass der Weg zur Uni/Schule/Arbeit auch Energie in nicht unerheblichem Maße verbraucht. Die zahlt im Ernstfall der Studi/Arbeitnehmer selber... Auch hier wäre eine vernünftige Preispolitik, wie in allen anderen EU-Nachbarländern, sicherlich eine bessere Lösung. Die paar Kröten aus dem Entlastungspaket helfen den Studenten NICHT aufs Pferd...

  6. 14.

    Was auffällt, dass virusfreundliche Räume gemieden werden sollen und an unseren Schulen genau das Gegenteil gemacht wird/wurde. Wissenschaft kontra Bildungsverwaltungen? Wohl eher Politik nach Kassenlage zu Lasten Betroffener.

    P.S. Ob die Kultusminister Voraussetzungen für Fern/Wechselunterricht geschaffen haben? Eine Antwort darauf brauch nicht kommentiert werden.

  7. 13.

    Es wird immer über präsenz geredet, aber die betroffenen werden nicht gefragt. Wenn man bei Google "Uni kassel petition hybrid" eingibt, sieht man das viele sich mindestens zusätzlich online Angebote wünschen. Bei einer Umfrage von über 300 Studenten würden sich fast alle wünschen, dass man die Individuelle Wahl zwischen online und präsenz hat, eine knappe Mehrheit würde für dieses Semester online gegenüber präsenz Vorlesungen vorziehen und ein großer Teil von denen die online bevorzugt, wäre auch mit ausschließlich online zufrieden.

    Schade, dass an der Uni nicht mal eine größere Umfrage erfolgt, um herauszufinden was sich die Mehrheit der Studenten wünscht. Es wird immer so getan als würden alle präsenz wollen. Das stimmt nicht, vllt noch nicht mal die Mehrheit.

  8. 12.

    Bei Milliarden Einwohnern sinkt natürlich die Prokopf Emmision. Es geht nicht um den Prokop Verbrauch, damit rechnen sie alles schön, erst Recht bei Milliarden Chinesen ggü 80 Mio Deutschen. Es kann nur der Gesamt Ausstoß des Landes verglichen werden. Und da ist China einer der Top 3 Versursacher

  9. 11.

    Hallo Brigitte, volle Zustimmung!

  10. 10.

    Ja, die Mär vom bösen Chinesen.
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167877/umfrage/co-emissionen-nach-laendern-je-einwohner/

  11. 9.

    Ihren Kommentar sollten mal die Verantwortlichen lesen. Vielleicht würde es manche Entscheidungen erleichtern.

  12. 6.

    Wie schon auf Ihre vorangegangenen Kommentare immer wieder erklärt: das sind unterschiedliche Haushalte, daran ändern auch Ihre ständigen Wiederholungen nichts....

  13. 5.

    Es wäre mal interessant zu wissen, wie viele Studierende die Nacht- und Ferienzeit wirklich nutzen, ob man das Angebot reduzieren und nur einige Gebäude offen halten kann. Und ob man als Arbeitnehmer mit seinem Homeoffice diese Räume dann auch nutzen darf.

  14. 4.

    Da sollte Berlin lieber in unsere Hochschulen und damit in die Zukunft investieren als 105 MILLIONEN EURO für dieses unnütze 29-Euro-Ticket zu verschwenden.

  15. 3.

    Ich erinnere mich an Erzählungen meiner Eltern, dass die Kinder jeder, der konnte, eine Kohle zum Heizen mit zur Schule brachten. Weit sind wir gekommen. Obwohl Deutschland mit die sichersten AKW hat und die Kohlekraftwerke in keiner Weise mehr mit den "Dreckschleudern" von vor 30 Jahren vergleichbar sind, schalten wir als Einzige beides ab. Alles auf Kosten der Bevölkerung für grüne Ideologien und Lobbyisten. In Deutschland gehen allmählich die Lichter aus, auch dann wird sich der Klimawandel fortsetzen. Dafür sorgen Staaten wie zum Beispiel die USA und China.

  16. 1.

    Also wenn's jetzt an den Heizkosten liegt, ob wir unsere jungen Menschen noch ausbilden können, dann gute Nacht, Deutschland! Wir haben uns an unserer Jugend schon wegen Corona versündigt.

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