Deutsches Technikmuseum - "Wir wollen den Menschen wieder Lust aufs Reparieren machen"

Mi 07.12.22 | 18:34 Uhr | Von Hans Ackermann
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Ein Kind repariert ein Auto in der Ausstellung "Reparieren" im Deutschen Technikmuseum.(Quelle:Henning Hattendorf)
Video: rbb24 Abendschau | 07.12.2022 | Arndt Breitfeld | Bild: Henning Hattendorf

Eine neue Ausstellung im Berliner Technikmuseum will eine alte Kulturtechnik wiederbeleben: das Reparieren von Geräten und Gegenständen, die dadurch eine "zweite Chance" bekommen. Ambitioniert - und durchaus gelungen, findet Hans Ackermann.

Eine große Weltkugel empfängt das Publikum am Eingang der Ausstellung "Reparieren!" im Deutschen Technikmuseum Berlin. Blau-grün schimmert der Globus des Berliner Künstlers Muharram Batman. Erst aus der Nähe erkennt man, dass die Oberfläche seines "Planeten" nicht von Wäldern und Ozeanen bedeckt ist, sondern von Bruchstücken aus Leiterplatten, elektronischen Bauteilen und silbrigen Lötstellen.

"Die Idee hinter dem 'Schrottglobus' ist, dass die Menschen, die in die Ausstellung kommen, erst einmal von einem schönen blauen Planeten angezogen werden", erklärt Kuratorin Justine Czerniak. "Beim näheren Herantreten entpuppt sich dieser wunderschöne blaue Planet dann als eine Skulptur aus Schrott."

Ausstellungseröffnung "Reparieren" im Technikmuseum (Quelle: rbb/Hans Ackermann)
Weltkugel - Schrottkugel | Bild: rbb/Hans Ackermann

Skulpturen aus Elektroschrott am Eingang

80 Kilogramm Elektroschrott würden bei uns durchschnittlich pro Jahr von einem Vier-Personen-Haushalt produziert, erzählt Justine Czerniak. Der riesige Müllberg aus Elektrogeräten und weiteren Konsumgütern könnte schrumpfen, würden noch mehr Menschen die Reparatur als Kulturtechnik wiederentdecken. Die Ausstellung soll dazu ermuntern, den Dingen eine "zweite Chance" zu geben, sagt die Kulturwissenschaftlerin. "Wir wollen den Menschen wieder Lust aufs Reparieren machen, ihnen das Thema auf eine spielerische Weise näherbringen."

Lust am Reparieren

Lust am Reparieren bekommt man hier tatsächlich an geräumigen Arbeitstischen und vor Vitrinen voller Werkzeuge. "Mitmach-Stationen", die im Museumsbereich an der Ladestraße aufgebaut sind und zum Spielen und Staunen einladen, insgesamt zehn Module zum Thema "Reparieren statt Wegwerfen". Ein Motto, das man gar nicht früh genug verinnerlichen könne, meint Justine Czerniak.

Deswegen sei die Ausstellung auch "explizit für Familien mit Kindern konzipiert, für sie gibt es viele niedrigschwellige Angebote. Einen riesigen Knopf kann man annähen, eine Riesensocke stopfen – oder den Geschichten von "Dingen aus der Tonne" lauschen." Die Kuratorin legt eine riesengroße, bunt bemalte "Socke" aus Holz auf eine spezielle Plattform – woraufhin das Ding tatsächlich zu sprechen beginnt und mit traurig-näselnder Stimme klagt: "Früher wurden wir Socken gestopft und geflickt, aber heute, wer stopft denn heute noch Socken?"

Eine Repassiermaschine zur Reparatur von Strümpfen wird in der Ausstellung gezeigt.(Quelle:Clemens Kirchner)
Eine Repassiermaschine zur Reparatur von Maschenware wird in der Ausstellung gezeigt. | Bild: Clemens Kirchner

Legendäre Küchengeräte

Statt achtlos alles wegzuwerfen, sollten man bei jedem "Ding" – von der Socke bis zur Waschmaschine – überlegen, ob es repariert werden kann. So wie das legendäre "RG 28", ein Musterbeispiel für maximale "Reparierbarkeit", leuchtend orange in einer eigenen Vitrine ausgestellt. "Das Rührgerät 28 ist ein Kult-Mixer, gebaut noch in der DDR", erzählt die Kuratorin. "Man kann ihn auseinanderschrauben und dadurch warten. Das ist eine wichtige Eigenschaft, wenn man Dinge reparieren will."

Heute, so Czerniak, sei das einfache Öffnen von Elektrogeräten oft gar nicht mehr möglich. "Die Gehäuse sind verklebt, so dass man nicht an die Mechanik im Inneren drankommt." Als Beispiele für diese Praxis sieht man in der benachbarten Vitrine Smartphones und Tablets, bei denen verschweißte Displays oder mit starkem Kleber befestigte Akkus eine Reparatur erschweren.

Ausstellungseröffnung "Reparieren" im Technikmuseum (Quelle: rbb/Hans Ackermann)
Fahrradrahmen mit Teilen | Bild: rbb/Hans Ackermann

Bundesumweltministerin repariert ihr Fahrrad selbst

Die Reparatur erleichtern, die Weiterverwendung ermöglichen – dieses zentrale Anliegen der Reparaturbewegung ist in der Ausstellung auf Plakaten und Manifesten abgebildet. Das "Recht auf Reparatur" unterstützt auch die Schirmherrin der Ausstellung, Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die es sich auch privat nicht nehmen lässt, ihr Fahrrad selbst zu reparieren. "Kette ölen, die Lampe richten und Luft aufpumpen – das gehört sich doch wohl so, dass man hochwertige Konsumgüter pflegt und dadurch möglichst lange Freude daran hat."

Auf europäischer Ebene, so die Ministerin, trete sie für Regelungen ein, nach denen Hersteller im EU-Binnenmarkt "Reparaturanleitungen und Ersatzteile" zur Verfügung stellen müssten und Produkte von vornherein so gestaltet würden, "dass sie leicht auseinander zu bauen und dadurch reparierbar sind".

Hilfe zur Selbsthilfe

Etwas "auseinander zu bauen" bedeutet allerdings auch, dass man es wieder zusammenbekommen muss. Wer dieses Selbstvertrauen noch nicht hat, kann sich im Berliner Technikmuseum "professionelle Hilfe" holen, im Repair-Café, das die Ausstellung einmal pro Monat anbietet. "Repair-Cafés sind ein Phänomen, das sich seit etwa zehn Jahren weltweit ausbreitet", sagt Kuratorin Czerniak. "Menschen mit Reparaturwissen kommen zusammen und helfen anderen Menschen dabei, Dinge zu reparieren."

Mut zum Wagnis

Ihr Selbstvertrauen stärken auch jene Grundschulkinder, die am Workshop "Fahrrad reparieren" teilnehmen und dort – wie es in der Ankündigung heißt – eine "sehr wichtige Reparatur am Fahrrad wagen" und ein Loch im Schlauch flicken.

Eine "Reparatur wagen" – mit dieser Formulierung ist die vielleicht wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches Reparieren benannt: der Mut, den man braucht, wenn man die Dinge selbst in die Hand nimmt. Und dafür dann aber auch belohnt wird, sagt Kuratorin Justine Czerniak. "Wenn man geschafft hat, etwas zu reparieren, wenn man sich mit den Dingen auseinandergesetzt hat, fördert das die Kreativität und man ist stolz, es selbst geschafft zu haben."

Ein Einblick in die Ausstellung "Reparieren!" im Deutschen Technikmuseum.(Quelle:Clemens Kirchner)
Ein Einblick in die Ausstellung "Reparieren!" im Deutschen Technikmuseum. | Bild: Clemens Kirchner

Einfach machen

"Einfach machen", dieser Geist einer zukunftsorientierten "Reparier-Gesellschaft", wie sie auch von der Bundesumweltministerin gefordert wird, ist auf der gut 500 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche überall zu spüren. Information, Fachwissen, handwerkliche Praxis und Ermunterung, alles an einem Ort – in dieser vielschichtigen Konzeption liegt der besondere Verdienst der ambitionierten, liebevoll und detailreich ausgestatteten Ausstellung.

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.12.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

13 Kommentare

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  1. 13.

    Lust auf Reparieren machen?
    Ja was erwartet man denn von einer zunehmend verblödeten Gesellschaft? Die können doch keinen Schraubendreher halten und keine Schraube von einem Nagel unterscheiden. Nein, leider…..die Mehrheit ist zu dumm, um die einfachsten Dinge reparieren zu können. Die können nur wegwerfen und neu kaufen!

  2. 12.

    Und, woran es auch hakt: Das Geldausgeben in den Kontext zu jener Zeit zu setzen, in dem eine Ware benutzt wird, ist ausgesprochen unterentwickelt. Doppelt so viel auszugeben bei etwas, was dreimal so lange hält, scheitert meistens nicht daran, dass dafür augenblicklich kein Geld da wäre. Es scheitert am Willen, manchmal auch am Vermögen, sich das überhaupt vorzustellen.



  3. 11.

    Ich denke mal, da sollten sich die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche an einen Tisch sitzen, denn jedesmal werden sich die Augen gerieben, es wird beklagt u. Besserung gelobt, um dann in schöner Regelmäßigkeit im Dickicht weiterer Bestimmungen zu versanden.

    Gegen die Öffnung von Elektrogeräten durch nicht einschlägig ausgebildete Laien steht die Front der Sicherheitsfachleute, die bei einem durch Stromschlag Verletzten sofort Alarm schlagen. Das Fatale daran: Einem solchen Einzelnen, dem aus Übermut Solches passiert, geht im Zweifelsfall bis zur allerletzten Instanz, um sein vermeintliches Recht einzuklagen, dem mitunter dann auch stattgegeben wird. Gegen das Mitbringen von Boxen, um dort unabgepackte Lebensmittel hineinzutun, haben jz. lang Hygiene-Beauftragte gewettert, die selbst mikromillimetergroße Lebensmittelreste als unhygienisch bezeichneten.

    Es gäbe Ermessen und eigene Verantwortung. Das macht den Menschen aus.

  4. 10.

    Da siehst Du was zu kritisch, für manche ist derartiges Handeln schon die höchste Stufe einer Reparatur und beginnt sobald man (Frau) sich schmutzig gemacht hat.
    So ordne ich es zumindest bei mir ein, z.B. wenn ich n Teller Sauber mache.

  5. 9.

    @Knut Krause
    Besser ist es vielleicht. Irgendeine Gewährleistung erlischt ohnehin, wenn Sie anfangen, selber zu basteln an Geräten.
    Bei manch Elektro-Reparatur (Installation) muss ohnehin ein Fachmann ran oder der die Arbeit abnehmen = prüfen.

    Wer sich dennoch ranwagt: ich mache mir ein Foto vom Originalzustand und weitere, wo nötig. Dann wird alles beschriftet.
    Für "Schalter auswechseln" reicht das in der Regel.
    Youtube und ein altes DIY-Nachschlagewerk vom ADAC helfen ebenfalls weiter bei allen möglichen Reparaturen.
    Es gibt außerdem Reparaturwerkstätten, wo jeder unter Anleitung selber macht.

    Mein kl. Geschäft liegt in harmloseren Bereichen von Täschnerei, Polsterei und Sattlerei und Angrenzendes.

  6. 8.

    Ja, ich sehe das genauso! Ich bastel z.B. sehr sehr gerne. Und ich bastel auch sehr viel, auch wirklich schöne Sachen. Aber an Elektro trau ich mich nicht ran, da lass ich lieber die Finger von, wegen Strom. Das kann ziemlich gefährlich sein! Also ich würde da wirklich aufpassen.

  7. 7.

    Leider sind viele Geräte schon von der Konstruktion her Einwegartikel. Vor Jahren wurde gefordert, daß gewisse Elektroartikel gar nicht oder nur mit Spezialwerkzeug geöffnet werden können sollen - aus Sicherheitsgründen.
    Übrigens wird auch das zuverlässigste Gerät versagen, wenn die Motorkohlen "runter" sind. Da gibt es meist keinen passenden Ersatz und dann ist aus.
    Es ist ja auch für den Hersteller nicht leicht zwischen preiswert und langlebig abzuwägen. Geht's gleich kaputt, ist der Kunde verärgert - hält's zu lange, gibt's evtl. inzwischen leistungsfähigere oder effizientere Geräte....

  8. 6.

    Selbst bei Namhaften Werkzeugherstellern werden sich einfache Sachen wie Stichsägenblattaufnahmen als Ersatzteil nicht vorgehalten,obwohl noch immer gleich produziert in neueren Modellen.So kann man eine grüne kaum gebrauchte,5 Jahre alte Säge nach Aussage des Handels, nur gegen eine neue vielleicht mit dem gleichen Fehler behaftete eintauschen,sprich kaufen.

  9. 5.

    Werte Ministerin Lemke, ich frage mich, Was haben Kette ölen, Lampe richten und Luft aufpumpen, mit einer hier thematisierten Reparatur zu tun?

  10. 4.

    Die durchdachten Vorschläge der User @1, @2 und @3 zeigen doch der Politik sehr deutlich an, was vermutlich die meisten Bürger von den uns aufoktroyierten Waren der Industrie halten: Sollbruchstelle Schalter! Vermutlich auf Platz 1 oder? Wie mühsam war es, die Rückgabe von defekten Haushaltsgeräten durchzusetzen. Nun kommt das Technik-Museum um die Ecke. Gut zu wissen, dass es dort also auch wenigstens einmal im Monat ein Repaircafe gibt.
    In einem anderen Presseorgan habe ich gelesen, dass nun endlich auch aus der Wirtschaft selbst Vorschläge zum wirksamen Recycling diverser Inhaltsstoffe kommen. Super, aber es hätte auch nicht gerade 30 Jahre dauern müssen! Als ehem Ostbürger hatte man immer so eine Vorstellung davon, wie Wertstoffe gesammelt werden werden könnten. Und schließl. gab es bei uns in der Fam. Spielzeug aus Holz, weil die Chance auf Reparatur am größten war! -- Eine sehr erfreuliche Entwicklung, von der hoffe, dass sich das Noch-ein-Mal fest etabliert!

  11. 3.

    @Mona: richtig! Es muss eine EU-Vorschrift geben, dass die Eingebaute Halbwerzeit von Geräten untersagt wird und die Geräte wieder geöffnet werden können. Außerdem muss eine Mindestlaufzeit geben, in der Ersatzteile auch zu bekommen sind. Eine andere Frage allerdings ist, wie es mit verbesserter Energieeffizienz ausschaut. Toll wäre, wenn Geräte dann auch upgrade-fähig werden.
    Ich habe neben meiner Rente eine kleine Werkstatt, in der ich Lieblingsstücke aller Art repariere, sofern eine Reparatur irgendwie möglich ist. Außerdem betreibe ich Upcycling. Meist nicht ein gesamtes Produkt, aber einzelne Teile davon.
    Allerdings muss auch die Wertschätzung der Handarbeit sich verbessern. Handarbeit kostet eben Zeit und wenn sie hier geschieht, hat sie nicht denselben Preis wie in China.

  12. 2.

    Es wäre am Gesetzgeber, diese Art Geräte zu verbieten bzw. eben vorzuschreiben, dass man die Teile öffnen können muss. Glühbirnen wurden ja auch reglementiert, demnächst sind die Ladekabel dran.

  13. 1.

    Sehr löbliche Idee. Das Pronlem bei der Umsetzung i Alltag wird nur leider sein, dass viele Geräte inzwischen so konzipiert sind, dass sie sich gar nicht mehr (selbt) reaparieren lassen. Sei es durch Verklebungen, Pastikverschleißteile statt Metall oder Spezialteile, für die man auch Spezialwerkzeug bräuchte.

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