Benin-Bronzen übergeben - Kultursenator Lederer sieht Kolonialismus-Aufarbeitung als "Daueraufgabe"

So 25.12.22 | 15:59 Uhr
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Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika sind im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in einer Vitrine ausgestellt. (Quelle: dpa/Daniel Bockwoldt)
Bild: dpa/Daniel Bockwoldt

Deutschland hat mehrere Benin-Bronzen wieder nach Nigeria gebracht. Die Rückgabe ist ein neues Kapitel in der Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus. Für Berlins Kultursenator Lederer ist die Aufarbeitung damit aber noch nicht beendet.

Die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus muss aus Sicht Verantwortlicher in Politik und Kultur nach Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen weiter vorangetrieben werden. "Wir wollen hier keine halbherzigen Lösungen", sagte der Berliner Kultursenator und Linke-Politiker, Klaus Lederer, der dpa.

"Wo der Unrechtskontext handgreiflich ist, muss man sich als Treuhänder für die Kulturgüter begreifen und dann in entsprechende Diskussionsprozesse und Verhandlungen mit den Ländern eintreten, wo die ursprünglichen Herkunftsgesellschaften der Kulturgüter und Gegenstände liegen", so der Senator. "Es bleibt eine Daueraufgabe, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, und zwar nicht in Konkurrenz zu anderen Epochen der Geschichte, sondern als einen zusätzlichen Aspekt von Geschichtsbetrachtung, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die ihr zusteht."

Roth will Preußen-Stiftung umbenennen

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete die Rückgabe der Bronzen als einen "Türöffner": Es gehe um die Notwendigkeit, genauer hinzuschauen und Provenienzforschung voranzutreiben. Die Museen würden dabei unterstützt. "Die Bronzen öffnen für unseren Umgang mit unserer eigenen kolonialen Geschichte neue Wege", sagte die Politikerin.

Kolonialismus habe es nicht nur gegeben etwa durch Frankreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Belgien oder Großbritannien. "Wir haben auch eine Geschichte, die verdammt unbekannt ist." Sie hoffe sehr, dass dies auch Wege öffnet in Geschichts- und Schulbücher. "Denn was wissen wir denn von der tatsächlich kolonialen Vergangenheit? Das ist die Voraussetzung, um die Dekolonialisierung wirklich anzugehen."

Roth hatte sich nach der Rückgabe der Bronzen zudem für eine Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) ausgesprochen. Der aktuelle Name bringe nicht "die Weltläufigkeit der Kulturgüter zum Ausdruck", sagte Roth dem "Spiegel" [spiegel.de, Bezahlinhalt] nach Angaben vom Sonntag. Neben einer umfassenden Strukturreform sei in einem zweiten Schritt auch ein "attraktiver, zukunftsgewandter Name" nötig. Einen Vorschlag dafür gebe es bislang nicht.

Roth bemängelte zudem, der Name schließe einen großen Teil Deutschlands aus. "Preußen ist ein wichtiges, aber nicht unser einziges Erbe, diese einseitige Priorisierung ist falsch, Deutschland ist viel mehr."

Kunst aus Bronze und Elfenbein

Gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte Roth in der nigerianischen Hauptstadt Abuja 20 wertvolle Benin-Bronzen an das afrikanische Land zurückgegeben. Mehr als 1.100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.

Das Abkommen mit Nigeria habe auch Rückwirkung auf andere Länder, "wo die Debatte deutlich Fahrt aufnimmt". Die Rückgaben seien der Beginn einer neuen Zusammenarbeit in der Archäologie, bei der Ausbildung von Museumsmanagern, Wanderausstellungen und gemeinsamen Investitionen in die kulturelle Infrastruktur.

Leihgaben als "Königsweg"

Aus Sicht des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, wird der künftige Umgang mit kolonialem Raubgut auch durch die Rückgabe der Bronzen geprägt. "Bei einem eindeutigen Unrechtskontext ist das Vorgehen wie bei den Benin-Bronzen mit der Rückübertragung der Eigentumsrechte ein wichtiger und richtiger Schritt", sagte Parzinger der dpa. "Es ist eine Art Königsweg, wenn dabei Objekte weiter als Leihgaben hier gezeigt werden können, dann ist es eine wunderbare Lösung für beide Seiten, denn diese herausragende Kunst soll auch weiterhin weltweit zu sehen sein."

"Im internationalen Vergleich hat Deutschland hier viel erreicht", sagte Parzinger. "Nicht nur in Berlin, auch in Hamburg, Köln, Stuttgart und Leipzig wurde eine ganze Menge geleistet." Die 514 Benin-Objekte aus dem Bestand der Stiftung seien die bislang weitaus größte Rückübertragung im kolonialen Kontext. "Zudem ist geklärt, welche Leihgaben hier bleiben können und was wir schrittweise zurückgeben. Das hat ein Zeichen gesetzt, das international sehr aufmerksam wahrgenommen wurde."

Forum für gesellschaftliche Debatten

Dabei geht es nicht immer nur um geraubte Objekte. "Den Museen in Deutschland und Europa ist bewusst, dass Rückgaben nur ein Aspekt sind", sagte Parzinger. Die intensive Zusammenarbeit im Bereich Kultur und kulturelles Erbe eröffne die Chance, "ein gänzlich neues Verhältnis zum globalen Süden zu entwickeln. Da sehe ich das eigentliche Potenzial."

Die Debatte um das Humboldt Forum in Berlin hat aus Sicht seines Generalintendanten Hartmut Dorgerloh auch die Rückgabe beeinflusst. "Für die internationale Wahrnehmung des Humboldt Forums war die Eigentumsübertragung der Benin-Bronzen ein sehr wichtiger Schritt", sagte Dorgerloh der dpa. Er sei froh über jetzt klare Verhältnisse. "Das hat gezeigt, dass das Humboldt Forum Prozesse befördern und in Gang setzen kann, auch wenn wir selber gar nicht in der unmittelbaren Verantwortung für die Benin-Bronzen und deren Rückgabe standen." Das Forum könne aber gesellschaftliche Diskussionen "und letztendlich Entscheidungen wie zum Beispiel über Restitutionen proaktiv und konstruktiv begleiten".

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.12.2022, 16:00 Uhr

33 Kommentare

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  1. 33.

    Mit samt den Benin Bronzen könnte man doch auch gleich unzählige abgelehnte Asylbewerber aus diesem Land zurückgeben !!!

    Aber auf diesem Ohr sind unsere Gutmensch Politiker ja taub !!!

  2. 32.

    Interessant, wie der Artikel nicht darauf ein geht, wo der Wohlstand von Benins dieser Zeit her stammt.

  3. 31.

    Klar hat Deutschland schon längst bezahlt. Hier wird allerdings ein neuer Schuldkult kreiert, weil das Ding mit dem 2. WK nun langsam mal nicht mehr zieht.

  4. 30.

    "O.k., die Europäische Union hat einem Vorschlag E. Macrons folgend, diese Aktivitäten angeschoben. D gehört zu den ersten, die sie umsetzen." Und warum gehen dann nicht dei großen Kolonialmächte in Europa (welche immer noch Überseebesitzungen außerhalb des Mutterlandes haben) mit gutem Beispiel voran? Deutschland wurden seine kurzzeitigen Kolonien schon von den Siegern in Versailles weggenommen als Preis und unter sich aufgeteilt, damit hat Deutschland doch schon bezahlt.

  5. 29.

    Ich stelle leider immer öfters fest, sobald bei einem Artikel die "konservativen" Meinungen überwiegen, wird der Kommentarbereich ziemlich schnell geschlossen. Bei anderen Themen, wo vorrangig "Mainstream" Meinungen vertreten werden, bleibt dieser auffällig lang offen, ist das ein Zufall?

  6. 28.

    O.k., die Europäische Union hat einem Vorschlag E. Macrons folgend, diese Aktivitäten angeschoben. D gehört zu den ersten, die sie umsetzen. Hoch geschätzte Kunstwerke werden zurückgegeben. D wird das "Museumsgebäude"errichten.
    Bleibt zu hoffen, dass diese Skulpturen in diesem Land auch die Wirkung entfalten, die wir, aber auch die Wissenschaft dort hineininterpretiert hat, was ich erst einmal nicht als grundsätzl. falsch bezeichnen möchte.
    Dennoch bin ich besorgt, ob dieses Land, v.a. schwer mit den Überfällen der Boko-Haram-Kräfte auf die Bildung & die lernwilligen Mädchen beschäftigt, in der Lage ist, sein Weltkulturerbe zu beschützen. Aber vielleicht darf man so die Frage gar nicht mehr stellen: Denn ein arabisch-spr. Clan hat als "Dank für das bessere Leben"auch mal so nebenbei Weltkulturerbe an sich gerissen. Wird der Freistaat Sachsen diese Schätze zurückerhalten & schützen können???

  7. 27.

    Und warum sollten wir in DEUTSCHLAND eine englische Sprachvariante anwenden? Aber es scheint als würden SIE mit der behindertengerechten "Leichten Sprache" besser zurechtkommen? Und fahren nun Baerbock und Roth auch in dir weite Welt und bringen die verschollene deutsche Kunst nach DEUTSCHLAND zurück? Welche Eintragung möchten Sie in Ihrem nächsten Pass oder Perso zu stehen haben "Staatenlos" und in welcher Sprache soll dieses Dokument ausgestellt werden?

  8. 26.

    Rückgabe von gestohlenen Gegenständen ist in Ordnung .
    Aber bekommt Deutschland auch
    "Beutekunst" aus anderen Ländern
    zurück?

  9. 25.
    Antwort auf [Rene ] vom 26.12.2022 um 01:08

    Dass die SED-Kommunisten mit ihrem Mauerstaat ein gebrochenes Verhältnis zur Deutschen Geschichte haben, ist hinlänglich bekannt. Da kann man auch bei einem Herrn Lederer zur Tagesordnung übergehen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die kulturellen Menschheitserbstücke auch die Zeitläufte überstehen. Das Auswärtige Amt warnt, die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In weiten Teilen des Landes bestehen insbesondere bei Reisen auf dem Landweg unkalkulierbare Risiken für Leib und Leben durch Bedrohung, Erpressung, Raub, Entführung und Mord.
    Was dazu zwei berufslose Damen bei der Rückgabe äußern, ist für viele hierzulande relativ unbedeutend.

  10. 22.

    Diese „Benin“-Skulpturen wurden von britischen Kolonialisten geraubt und weiter nach Deutschland verkauft.
    Theoretisch sollten die Briten die Sachen zurück geben…
    Evtl. wäre manches Museum recht leer, würde man die Rechtmäßigkeit des Erwerbs der „Entdecker“ und Ausgrabungen hinterfragen.

  11. 21.

    Falls SIE es in den letzten 25 Jahren noch nicht gemerkt haben: In Foren und Kommentarspalten, Chats und anderen digitalen Diskussionsgruppen ist es üblich, aufs Siezen zu verzichten. Heutzutage könnte man sogar von behindertengerechten Umgangston sprechen im Sinne von "Leichte Sprache" oder angeglichen an die englischsprachige Variante, in der es das Siezen so nicht gibt. Schließlich ist die vom Bundespräsidenten einmal als Tätersprache bezeichnete Sprache Deutsch sowieso fragwürdig, ob wir diese überhaupt noch nutzen dürfen.

  12. 20.

    Das geht mir nicht weit genug: Man sollte Deutschland umbenennen und wenn wir schon dabei sind auch gleich Bürgergeld in Bürger*innengeld umbenennen. Es kann nicht sein, dass Deutschlands Vergangenheit vor der dunklen Vergangenheit noch in jedweder Form im Erinnerung bleibt, sei es durch Geschichte oder Erzählungen. Es muss vollständig in Vergessenheit geraten und sämtliche Informationen über die Vergangenheit sollte vollständig aus allen digitalen und analogen Medien entfernt werden.

  13. 19.

    Und wen interessiert es, wenn sie in dunklen Kanälen verschwinden. Werden Bäerbock/Roth welche nachbauen lassen. Hoffentlich hat dieser grüne Spuk bald ein Ende

  14. 18.

    Ihre unsäglich von Unkenntnis der deutschen Geschichte und der Entstehung respektive der gegenwärtigen Existenz der SPk zeugt von einem Bildungsniveau, das der gegenwärtigen Zeit in diesem Staat entspricht. Es ist einfach nur unterirdisch!

  15. 17.

    Deutschland verlor alle seine Kolonien bereits als Folge des ersten Weltkrieges. Die deutschen Kolonien waren ein Zuschussgeschäft von Anfang an, wirtschaftlich ohne Bedeutung. Auch als Siedlungsgebiet wurden die deutschen Kolonialgebiete nicht verwendet.
    Es besteht daher im Vergleich zu den anderen ehemaligen europäischen Kolonien kein Anlass, sich jetzt gesondert mit der deutschen Kolonialgeschichte zu beschäftigen.

  16. 16.

    Ich weiß ja nicht, welche persönliche Beziehungen Sie mit Annalena Baerbock und Claudia Roth verbinden, dass Sie die Beiden duzen, ich persönlich pflege zu Menschen, die ich persönlich nicht kenne, erst einmal das Sie. Dass England die Statuen entwendet und das Deutsche Reich sie dann erworben hat, ist allen Stellungnahmen zu entnehmen. Also handelt es sich um Hehlerware und das gilt es ins Reine zu bringen. Das ist jetzt getan worden.

    Wie es andere Länder mit ihrer Vergangenheit halten, bleibt noch abzuwarten. Wie ich im anderen Beitrag schrieb: Frankreich wird es aus rein biografischen Gründen von Macron, die zeitlich einen größeren Abstand zur Kolonialgeschichte erlauben, wahrscheinlich ähnlich halten.

  17. 15.

    DSW war gar nicht so erfolgreich und kostete eher Geld, viel erfolgreicher in Afrika waren Togo und Ostafrika (noch erfolgreicher wäre Kiautschou in China gewesen, welche sich ähnlich dem engl. Pachtgebiet Hong-Kong entwickelte)

  18. 14.

    Erstmal das. Und weiterhin war die deutsche koloniale Geschichte eher kurz, dafür aber teilweise erfolgreicher als die, der klassischen Kolonialmächte, welche ja die Kolonien ganz brüderlich mit Versailles unter sich aufgeteilt haben - damit hat das deutsche Reich eigentlich schon bezahlt und die neuen Eigentümer nach Versailles haben noch zu bezahlen an die Kolonien.

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