"Bismarck-Streit" im Zeughaus Spandau - Ausstellung widmet sich der kontroversen Kultfigur Otto von Bismarck

Ein Bierhumpen in Form seines Kopfes - der Personenkult um Otto von Bismarck trieb zuweilen seltsame Blüten. Dabei ist der ehemalige Reichskanzler heftig umstritten. Eine Sonderschau im Zeughaus der Zitadelle Spandau zeichnet die Kontroverse nach. Von Sigrid Hoff
In vielen deutschen Städten steht sein Denkmal, im Berliner Tiergarten findet sich gar ein Nationaldenkmal. In der deutschen Hauptstadt gibt es mehrere Bismarckstraßen, wie überall in Deutschland und – landauf-landab – unzählige Bismarcktürme: Kaum eine historische Persönlichkeit wurde so häufig im Stadtbild geehrt und verklärt wie der einstige Reichskanzler Otto von Bismarck (1815 - 1898). Vor allem nach seinem Tod entstand eine Denkmalflut.
Eine Weltkarte in der neuen Sonderausstellung im Zeughaus der Zitadelle Spandau verzeichnet 700 Erinnerungsorte zwischen Australien, Papa-Neuguinea und den USA, die meisten in Deutschland. Die interaktive Schau "Bismarck-Streit: Kultfigur und Denkmalsturz" zeigt auch, welche Blüten der Bismarck-Kult darüber hinaus einst trieb: Von Bismarck-Hering bis Bismarck-Fledermaus, von Bismarck-Eiche bis Bismarck-Palme tragen bis heute Tiere und Pflanzen seinen Namen.
Jede Menge Kitsch
Präsentiert werden auch Gegenstände, die nach dem einstigen Reichskanzler benannt sind: eine Kiste Bismarck-Zigarren, eine Flasche Fürst-Bismarck-Korn und sogar eine Nähmaschine der Marke Bismarck. Jede Menge Kitsch entstand zudem mit dem Personenkult um den Eisernen Kanzler: Christbaumkugeln und Pfeifen in der Form seines Kopfes und sogar Bierkrüge.
Urte Evert, Kuratorin der Ausstellung und Leiterin des Stadtgeschichtlichen Museums auf der Zitadelle, schüttelt den Kopf über diese Bismarck-Devotionalien: "Ein Bierhumpen in seiner Form, wo man sich fragt: Wer will denn aus der Schädeldecke von Bismarck trinken? Aber das hat man halt gemacht."
Bismarck-Mythos und Hitler
Die Sonderschau zeichnet die Wellen und unterschiedlichen Formen der Bismarck-Ehrung der letzten 125 Jahre nach, widmet sich vor allem aber auch der Kritik an dem ehemaligen Reichskanzler und Gründungsvater des Deutschen Reichs von 1870.
Insbesondere während des Ersten Weltkriegs bis weit in die 1920er-Jahre wurde er zum Nationalheiligen stilisiert, was sich eben auch in unzähligen Denkmälern und Straßenbenennungen zeigt. An diesen Kult knüpften die Nationalsozialisten zunächst an. Urte Evert betont jedoch, dass die Nationalsozialisten den Bismarck-Mythos nur aufnahmen, um ihn durch die neue Kultfigur Hitler zu ersetzen.
In Verbindung mit dem deutschen Kolonialismus kritisiert
Nach 1945, im geteilten Deutschland, verlief die Rezeption unterschiedlich. In der DDR gab es zunächst einen Denkmalsturm auf Bismarck, in der Bundesrepublik spielte die Erinnerung an den Reichskanzler spätestens ab den 1960er/70er-Jahren keine große Rolle mehr. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Bismarck steht heute vor allem in Verbindung mit dem deutschen Kolonialismus in der Kritik.
Die kontroverse Debatte kommentiert die Ausstellung mit künstlerischen Positionen. Zu sehen sind riesige grell bemalte Pappmaschee-Formen, mit denen die Künstlergruppe Monumental Shadows das Bismarck-Nationaldenkmal im Berliner Tiergarten jüngst verhüllte. Die deutsch-polnische Künstlerin Georgia Krawiec greift in ihrer fotografischen Arbeit das Thema Bismarck-Eiche auf, während der portugiesische Künstler Márcio Carvalho mit aus Gips gefertigten Bismarckköpfen das vermeintlich Unumstößliche der Denkmalfiguren hinterfragt.
Und schließlich zeigt ein Modell den Vorschlag der Künstlergruppe "Projektion Bismarck", die den gigantischen Bismarck in Hamburg vom Sockel stürzt und durch eine Weltkugel ersetzt. Die riesige Figur bleibt daneben liegen, so dass man auf ihr herumklettern kann.
Darüber hinaus laden interaktive Stationen die Besucherinnen und Besucher ein, mit Bällen über Straßenumbenennungen abzustimmen oder eine Bismarck-Büste mit Häkelarbeiten zu verhüllen.
Das Anliegen der Historikerin Urte Evert ist es, unterschiedliche Positionen in der Ausstellung sichtbar zu machen und zur Diskussion einzuladen. Dazu könnten, so ihre These, auch umstrittene Denkmäler im öffentlichen Raum dienen, wenn sie erklärt und vielleicht auch künstlerisch verfremdet werden. Anders bewertet sie die Ehrung durch Straßennamen. Hier sei ein Perspektivwechsel durch Neubenennungen möglich. "Und da hoffe ich bei Bismarcks Straßen auch darauf", betont die Historikerin.
Die Ausstellung kann also auch ein Forum sein, um die Debatten über den Bismarck-Kult fortzusetzen.

Sendung: rbbKultur, 09.06.2023, 17:45 Uhr