"Bismarck-Streit" im Zeughaus Spandau - Ausstellung widmet sich der kontroversen Kultfigur Otto von Bismarck

Fr 09.06.23 | 18:44 Uhr | Von Sigrid Hoff
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"Bismarck-Streit" im Zeughaus Spandau (Quelle: Zitadelle Spandau)
Audio: Kulturradio | 09.06.2023 | Sigrid Hoff | Bild: Zitadelle Spandau

Ein Bierhumpen in Form seines Kopfes - der Personenkult um Otto von Bismarck trieb zuweilen seltsame Blüten. Dabei ist der ehemalige Reichskanzler heftig umstritten. Eine Sonderschau im Zeughaus der Zitadelle Spandau zeichnet die Kontroverse nach. Von Sigrid Hoff

In vielen deutschen Städten steht sein Denkmal, im Berliner Tiergarten findet sich gar ein Nationaldenkmal. In der deutschen Hauptstadt gibt es mehrere Bismarckstraßen, wie überall in Deutschland und – landauf-landab – unzählige Bismarcktürme: Kaum eine historische Persönlichkeit wurde so häufig im Stadtbild geehrt und verklärt wie der einstige Reichskanzler Otto von Bismarck (1815 - 1898). Vor allem nach seinem Tod entstand eine Denkmalflut.

Eine Weltkarte in der neuen Sonderausstellung im Zeughaus der Zitadelle Spandau verzeichnet 700 Erinnerungsorte zwischen Australien, Papa-Neuguinea und den USA, die meisten in Deutschland. Die interaktive Schau "Bismarck-Streit: Kultfigur und Denkmalsturz" zeigt auch, welche Blüten der Bismarck-Kult darüber hinaus einst trieb: Von Bismarck-Hering bis Bismarck-Fledermaus, von Bismarck-Eiche bis Bismarck-Palme tragen bis heute Tiere und Pflanzen seinen Namen.

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Jede Menge Kitsch

Präsentiert werden auch Gegenstände, die nach dem einstigen Reichskanzler benannt sind: eine Kiste Bismarck-Zigarren, eine Flasche Fürst-Bismarck-Korn und sogar eine Nähmaschine der Marke Bismarck. Jede Menge Kitsch entstand zudem mit dem Personenkult um den Eisernen Kanzler: Christbaumkugeln und Pfeifen in der Form seines Kopfes und sogar Bierkrüge.

Urte Evert, Kuratorin der Ausstellung und Leiterin des Stadtgeschichtlichen Museums auf der Zitadelle, schüttelt den Kopf über diese Bismarck-Devotionalien: "Ein Bierhumpen in seiner Form, wo man sich fragt: Wer will denn aus der Schädeldecke von Bismarck trinken? Aber das hat man halt gemacht."

Bismarck-Mythos und Hitler

Die Sonderschau zeichnet die Wellen und unterschiedlichen Formen der Bismarck-Ehrung der letzten 125 Jahre nach, widmet sich vor allem aber auch der Kritik an dem ehemaligen Reichskanzler und Gründungsvater des Deutschen Reichs von 1870.

Insbesondere während des Ersten Weltkriegs bis weit in die 1920er-Jahre wurde er zum Nationalheiligen stilisiert, was sich eben auch in unzähligen Denkmälern und Straßenbenennungen zeigt. An diesen Kult knüpften die Nationalsozialisten zunächst an. Urte Evert betont jedoch, dass die Nationalsozialisten den Bismarck-Mythos nur aufnahmen, um ihn durch die neue Kultfigur Hitler zu ersetzen.

In Verbindung mit dem deutschen Kolonialismus kritisiert

Nach 1945, im geteilten Deutschland, verlief die Rezeption unterschiedlich. In der DDR gab es zunächst einen Denkmalsturm auf Bismarck, in der Bundesrepublik spielte die Erinnerung an den Reichskanzler spätestens ab den 1960er/70er-Jahren keine große Rolle mehr. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Bismarck steht heute vor allem in Verbindung mit dem deutschen Kolonialismus in der Kritik.

Die kontroverse Debatte kommentiert die Ausstellung mit künstlerischen Positionen. Zu sehen sind riesige grell bemalte Pappmaschee-Formen, mit denen die Künstlergruppe Monumental Shadows das Bismarck-Nationaldenkmal im Berliner Tiergarten jüngst verhüllte. Die deutsch-polnische Künstlerin Georgia Krawiec greift in ihrer fotografischen Arbeit das Thema Bismarck-Eiche auf, während der portugiesische Künstler Márcio Carvalho mit aus Gips gefertigten Bismarckköpfen das vermeintlich Unumstößliche der Denkmalfiguren hinterfragt.

Und schließlich zeigt ein Modell den Vorschlag der Künstlergruppe "Projektion Bismarck", die den gigantischen Bismarck in Hamburg vom Sockel stürzt und durch eine Weltkugel ersetzt. Die riesige Figur bleibt daneben liegen, so dass man auf ihr herumklettern kann.

Darüber hinaus laden interaktive Stationen die Besucherinnen und Besucher ein, mit Bällen über Straßenumbenennungen abzustimmen oder eine Bismarck-Büste mit Häkelarbeiten zu verhüllen.

Das Anliegen der Historikerin Urte Evert ist es, unterschiedliche Positionen in der Ausstellung sichtbar zu machen und zur Diskussion einzuladen. Dazu könnten, so ihre These, auch umstrittene Denkmäler im öffentlichen Raum dienen, wenn sie erklärt und vielleicht auch künstlerisch verfremdet werden. Anders bewertet sie die Ehrung durch Straßennamen. Hier sei ein Perspektivwechsel durch Neubenennungen möglich. "Und da hoffe ich bei Bismarcks Straßen auch darauf", betont die Historikerin.

Die Ausstellung kann also auch ein Forum sein, um die Debatten über den Bismarck-Kult fortzusetzen.

"Bismarck-Streit" im Zeughaus Spandau (Quelle: Zitadelle Spandau)

Sendung: rbbKultur, 09.06.2023, 17:45 Uhr

Beitrag von Sigrid Hoff

11 Kommentare

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  1. 11.

    Ich verweise auf die vorgeschlagenen Namensänderung von Straßen, Bäumen, Entnahme von Standbildern.

  2. 10.

    Was hat denn das mit Bilderstürmerei zu tun? Es geht um eine kritische Auseinandersetzung mit der Person Bismarck. Solche Auseinandersetzung mit unserer Geschichte hilft übrigens sehr gut mit ihr klar zu kommen und trägt auch zur politischen Bildung bei.

  3. 9.

    Volle Zustimmung. Leider wurde mein Beitrag nicht freigsschatet.
    "Wir sollten langsam lernen, mit unserer Historie klar zu kommen. Sie ist ein Teil von uns, und hat uns zu dem gemacht, was wir sind." Da frage ich mich immer, wie andere große Nationen wie Frankreich, UK, Spanien oder auch die USA mit ihrer Geschichte klarkommen oder ob die das auch so betreiben wie wir hier gerade in Deutschland?

  4. 8.

    Und wieder geht sie los, die Bilderstürmerei. Und ja, es gab und gibt doch tatsächlich Menschen, die sich mit ihm auseinandergesetzt haben, ohne irgend welche erzieherischen Maßnahmen. Und nein, mein Weltbild oder Meinung wird sich nicht ändern, nur weil Straßennamen geändert werden. Statt Aktionismus wäre Bildung das Thema. Wir sollten langsam lernen, mit unserer Historie klar zu kommen. Sie ist ein Teil von uns, und hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Im Guten wie im Bösen.

  5. 7.

    Rbb Artikel. Was will man da verlangen. ..und dann noch zum Wochenende. Leute geht doch besser segeln. Ist doch schönes Wetter.

  6. 6.

    Ich finde der Titel ist sehr treffend gewählt. Natürlich hat ein derart im Rampenlicht stehender und daher gut dokumentierter Mensch viele Facetten. Natürlich treffen Licht und Schatten aufeinander. Nicht umsonst wurde sogar Kaiser Wilhelm I der Ausspruch zugeschrieben:  „Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“

  7. 5.

    Nein, Kult ist er nicht mehr, aber eine wichtige Person in der deutschen Geschichte, die entsprechend gewürdigt und gewertet werden sollte, ist und bleibt er. Auch wenn das einige nicht gerne hören.

  8. 4.

    Bismarck ist eine bedeutende Person in der deutschen Geschichte, für den Nationalstaat, für das Gemeinwesen und den Sozialstaat. Er ist einer der ganz Großen und wurde dafür verehrt und geehrt. Aber mit diesen Worten bin ich in den Augen vieler Menschen schon rechts. Man muss historische Personen immer im geschichtlichen Kontext und auch als Menschen sehen. Mit gegenwärtigen Maßstäben, insbesondere der heutzutage überlegenen, elitären und recht dummen Menschen der politischen Kaste, kommt man da nicht weiter. Und Deutschland hatte zwar einige wenige Kolonien, aber in Menge und Brutalität ist das kaum vergleichbar etwa mit Großbritannien, Frankreich, Belgien oder Niederlande. Aber einige Politiker wissen gar nicht wirklich, wer Bismarck war und welche geschichtliche Rolle er spielte. Es sind die Opfer der verqueren Bildungspolitik ihrer Eltern.

  9. 3.

    Bismarck ist eine bedeutende Person in der deutschen Geschichte, für den Nationalstaat, für das Gemeinwesen und den Sozialstaat. Er ist einer der ganz Großen und wurde dafür verehrt und geehrt. Aber mit diesen Worten bin ich in den Augen vieler Menschen schon rechts. Man muss historische Personen immer im geschichtlichen Kontext und auch als Menschen sehen. Mit gegenwärtigen Maßstäben, insbesondere der heutzutage überlegenen, elitären und recht dummen Menschen der politischen Kaste, kommt man da nicht weiter. Und Deutschland hatte zwar einige wenige Kolonien, aber in Menge und Brutalität ist das kaum vergleichbar etwa mit Großbritannien, Frankreich, Belgien oder Niederlande. Aber einige Politiker wissen gar nicht wirklich, wer Bismarck war und welche geschichtliche Rolle er spielte. Es sind die Opfer der verqueren Bildungspolitik ihrer Eltern.

  10. 2.

    Die tun ja so, als ob OvB erst jetzt umstritten sei. Nicht nur Sozen und Katholen hatten schon immer einen anderen Blick auf ihn - aus Gründen.

  11. 1.

    Der Titel ist unglücklich gewählt. Das Attribut "ehemalige" Kultfigur hätte geholfen. Bismarck ist seit Jahrzehnten das Gegenteil von Kult.

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