"Blue Skies" am Deutschen Theater - Und es wird ein großes Geschrei sein

So 29.09.24 | 12:20 Uhr | Von Barbara Behrendt
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Das Stück "Blue Skies" am Deutschen Theater in Berlin, nach dem Roman von T.C. Boyle, Premiere am 28.09.2024 (Quelle: DT / Jasmin Schuller).
Audio: rbb24 Inforadio | 29.09.2024 | Barbara Behrendt | Bild: DT / Jasmin Schuller

In T.C. Boyles neuem Roman "Blue Skies" geht Nordamerika in den Fluten und Flammen des Klimawandels unter. Alexander Eisenach bringt das Buch am Deutschen Theater als biblische Metapher und mit Heulen und Zähneklappern auf die Bühne. Von Barbara Behrendt

Alles beginnt mit der Schöpfungsgeschichte. Eine gleißende Sonne scheint durch weiße Stoffbahnen, die vom Himmel herabhängen. Darunter kreist unentwegt die Drehbühne - der Planet Erde, den die Menschen so willentlich zerstören: "Am Anfang war das Wort."

Doch dieser Anfang liegt lange zurück. Die Zeiten haben sich geändert. Mutter Ottilie hat inzwischen von ihrem Sohn Cooper, ein Biologe, gelernt, wie man Insekten als Steak-Ersatz schmackhaft macht, wie man Bienen züchtet und den CO2-Fußabdruck klein hält - denn der Regen in Kalifornien wird seltener, die Waldbrände und Stürme häufiger, die Temperaturen höher. "Du wirst sehen, es geht leichter, als du denkst", bestärkt Cooper seine Mutter. "Ein paar Salatblätter, Kartoffelschalen und schon hast du wöchentlich bis zu einem Pfund Fleisch."

Das Stück "Blue Skies" am Deutschen Theater in Berlin, nach dem Roman von T.C. Boyle, Premiere am 28.09.2024 (Quelle: DT / Jasmin Schuller)
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Kalifornien brennt, Florida versinkt in den Fluten

Auf der anderen Seite des Landes rollt Ottilies Tochter Cat genervt die Augen. Ihr Verlobter Todd sorgt sich mehr um sein Auto als um sie: "Ich hoffe du hast den Wagen auf der Rampe geparkt. Du weißt, wenn es so viel regnet, darf der Wagen nicht in der Einfahrt stehen", sagt er. Denn Florida versinkt in Fluten, Schimmel und Termiten. Cats und Todds Hochzeitsfeier wird von einem Tornado gecrasht.

Unter T.C. Boyles bissiger Satire blitzt in seinem Klima-Roman "Blue Skies" immer auch Verständnis für die narzisstische Gesellschaft Nordamerikas hindurch. Seine Figuren sind voll gutem Willen - solange das Gutsein ihre Pläne nicht allzu sehr durchkreuzt. Die innere Leere bekämpft die junge Generation mit Mojitos und Instagram - die ältere Generation gibt Dinners und schwimmt im Gartenpool.

Die Python als Haustier schlägt zurück

Das Unglück nimmt seinen Lauf, als Cat, am Deutschen Theater gespielt von Mareike Beykirch, aus Langeweile und Einsamkeit eine Baby-Pythonschlange kauft, deren Tiger-Muster so "instagramable" ist, wenn man sie sich um den Hals legt. Cat möchte Influencerin werden und findet mit der Schlange ihren USP – ihren "Unique Selling Point".

Es ist, so viel sei verraten, nicht das beste Haustier, wenn man Säuglinge hat. Denn nicht nur die Elemente zeigen sich hier rücksichtslos gegenüber menschlichem Leben, sondern auch die Tierwelt. Dem Biologen Cooper wird ein infizierter Zeckenbiss zum Verhängnis. Immerhin verliert er dabei nur seinen Arm, nicht sein Leben.

Mit großem Besteck inszeniert

Der Regisseur Alexander Eisenach packt für diesen höchst unterhaltsamen Gesellschaftsroman mal wieder das große Besteck aus. Den ganzen Abend wummern die Schlagwerke und werden mit apokalyptischen Bibelversen aufgedonnert: "Und der Herr sprach: Um Mitternacht werde ich durch das Land der menschlichen Anmaßung gehen und alle Erstgeburt soll sterben. Und es wird ein großes Geschrei sein im ganzen Land der menschlichen Anmaßung, wie nie zuvor gewesen ist noch werden wird."

Manuel Harder verkörpert als Trauerredner in schwarzer Science-Fiction-Kutte den Zorn des Allerhöchsten. Die religiösen Verweise des Romans bauscht die Inszenierung zum Racheakt Gottes auf - dabei ist es doch der Planet selbst, der ums Überleben kämpft. Schön sind die planetaren Bilder: Die Sonne am Bühnenhimmel, die mal erbarmungslos ins Publikum blendet, sich dann feuerrot färbt oder dumpf blau durch den Regen dringt.

Donnernde Überzeichnungen

Auch wenn Jeremy Mockridge in der Rolle von Cats Ehemann, ein neureicher Bacardi-Vertreter, der zu Partys um die Welt jettet, hier als Dumpfbacke in Cowboyhut richtig Spaß macht, missversteht der Regisseur den Roman wenigstens nicht als Komödie. Dafür wird T.C. Boyles schwungvolle, süffisante Gesellschaftskritik mit leicht verzweifeltem Unterton nun zum düsteren Heulen und Zähneklappern. Von den plastischen Figuren bleiben eher Holzschnitte und die donnernde Überzeichnung führt zu weniger Verständnis statt zu mehr.

Vielleicht, denkt man nach diesem Abend, muss bei T.C. Boyle dann doch Hochglanz-Hollywood mit psychologischem Schauspiel ran. Diane Keaton, die die toten Insekten aus dem Pool fischt und sich in der Küche mit dem Brutapparat für ihre Grillen herumschlägt. Man sieht sie förmlich vor sich.

Sendung: Radioeins, 30.09.2024, 19 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

2 Kommentare

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  1. 2.

    Wenn der Klimawandel drin vorkommt, geh ich hin. Wird denn auch die Schuldfrage endgültig geklärt?

  2. 1.

    Hab das Buch gern gelesen, wie auch andere von Boyle, den ich toll finde! Fang demnächt an 2-3 Bücher noch mal zu lesen: Hart auf Hart, Drop City und ...?
    Hab mir schon vor Jahren die Verfilmung von vielen seiner Bücher gewünscht, als Theaterstück bestimmt interessant!

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