Konzert | Kat Frankie in der Berliner Philharmonie - Acht Stimmen (und ein Ventilator)

Di 21.01.25 | 08:02 Uhr | Von Jakob Bauer
  2
Pressefoto: Kat Frankie: "B O D I E S". (Quelle: Cathleen Wolf)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.01.2025 | Jakob Bauer | Bild: Cathleen Wolf

Acht Frauen, acht Stimmen, die Klang erzeugen. Und sonst nichts. Das ist das Konzept von "BODIES", einem Projekt der Berliner Singer/Songwriterin Kat Frankie. Jakob Bauer hat trotz der Größe des Saals in der Berliner Philharmonie einen intimen Abend erlebt.

Es beginnt im Dunkeln. In der Stille. Aus der nach und nach etwas hereinschwingt und die Berliner Philharmonie mit Klang füllt. Sanft gleitet ein Ton auf und ab. Von acht Stimmen wird er bedächtig gemeinsam in den Raum getragen, in die Zuschauerränge, wo jetzt keine Stecknadel fallen sollte – zumindest bis das Licht heller wird. Bis die Stimmen lauter werden, anfangen, gegenläufig zu agieren. Bis sich schließlich Akkorde herausschälen und alles anschwillt. Bis es so klingt, wie wenn im Kino dieses THX-Logo erscheint und mit Macht ein gewaltiger Sound in einen hineinschießt.

Erst Liebes-, dann Trennungslied

Puh – was für ein intensiver Auftakt – erstmal kurz durchatmen und orientieren. Das Licht ist jetzt an. Und da stehen diese acht Frauen: Anna-Lucia Rupp, Barbara Greshake, Erika Emerson, Fama M'Boup, Liza Wolowicz, Tara Nome Doyle, Trinidad Doherty und im Mittelpunkt Kat Frankie, die Initiatorin dieses Projekts. Frankie ist Australierin, lebt aber schon seit mehr als 20 Jahren in Berlin. Sie ist hier musikalisch mit so ziemlich jedem aus der innovativeren Pop-Szene vernetzt und hat für das Bodies-Projekt diesen Chor gegründet, ihre "Band", wie sie es nennt. Dieses Projekt ist aber kein klassisches Chorformat. Das wird schon früh klar, als Frankie ein Liebeslied ankündigt, die acht Frauen ganz nah zusammenkommen und die Australierin mit sanft-ironischer Geste Rosen ins Publikum wirft.

Das hört sich zunächst vielleicht an wie eine billige Inszenierung, ist aber das Gegenteil. Denn alles hat hier einen trockenen, aber trotzdem warmen Humor, der gleich nach Ende des Liebeslieds zu spüren ist, wenn Frankie sagt: "So das war's jetzt mit Liebesliedern, hier kommt der Trennungs-Song". Die Show lebt von einer großen Lässigkeit, die aber neben einer innig gefühlten, ernsthaften musikalischen Hingabe steht.

Ansingen gegen die Logik der freien Marktwirtschaft

Aus den Chor-Nummern werden nach und nach richtige kleine Musik-Theater-Stücke. Einen Song kündigt Frankie so an: "Jetzt geht’s darum wie furchtbar es ist, einen Job zu haben". Dann folgt der Song "A Body Of Work". Kat Frankie singt auf der einen Seite der Bühne, wie im Vorstellungsgespräch, den Rest des Chores auf der anderen Seit der Bühne an. Stellt Fragen wie: "Warum sollte ich irgendetwas machen?" Und der Chor antwortet stampfend: "Weil die Wirtschaft es verlangt". Was zunächst wieder für viele Lacher im Publikum sorgt, steigert sich in ein dramatisches Finale und die gar nicht mehr so lustige Frage: "Ist das Einkommen das Opfer wert?"

Marzahn Mon Amour und Stimme im Ventilator

Aber es gibt auch reine musikalische Stimmungsillustrationen. Zum Beispiel ein Liebeslied an den zu oft übersehenen Berliner Stadtteil Marzahn mit dem schönen Titel: "Marzahn Mon Amour". Im entspannten ¾ Takt sitzen die acht Frauen auf einer Holzkonstruktion in der Mitte der Bühne, die wie ein überdimensionales Papierbötchen wirkt, und summen sich einen Marzahner Sommer. Zum Show-Höhepunkt kommt es dann beim Ventilatoren-Song: Kat Frankie ist in Sydney aufgewachsen, aber nicht am Meer, sondern zwei Stunden vom Strand entfernt. Was macht die junge, musikbegeisterte Frau im heißen Sommer? In Ventilatoren reinsingen. Und das macht sie jetzt wieder: Einen Sommersong singen, durch die Rotorblätter eines sich drehenden Ventilators hindurch, was ihrer Stimme ein komisch künstlich vibrierendes Tremolo gibt. Die anderen Sängerinnen machen Pause. Liegen auf dem Handtuch daneben.

Großes Vertrauen macht große Musik

Und auch wenn das natürlich eine lustige Note hat, geht’s hier am Ende immer um die Menschen und ihre Stimmen. Jede hat ihre eigene Art zu singen. Die eine schöpft die Töne tief aus dem Bauch, die andere dirigiert sich selbst mit präzisen Handbewegungen durch Höhen und Tiefen. Und doch ist da ganz viel Nähe – zwischen den Stimmen und den Personen auf der Bühne. Die neigen sich einander zu, haben dieses Vertrauen ineinander, das man in kleinen zwischenmenschlichen Gesten sieht und in der filigranen Gestaltung des Klangs hört. So hat man in der großen Philharmonie teilweise das Gefühl, bei etwas ganz Intimen dabei zu sein – wenn hier tatsächlich diese vibrierende, kreative Verbindung von Menschen, Körpern, Klängen hörbar und sichtbar wird. Toll, wie dieses Konzept aufgeht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.01.2025, 6:55 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

2 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 2.

    Vielen Dank für Ihr nettes Lob! Und was die Namen der beteiligten Frauen angeht: Unser Autor hat nachgefragt. Es waren: Kat Frankie, Anna-Lucia Rupp, Barbara Greshake, Erika Emerson, Fama M'Boup, Liza Wolowicz, Tara Nome Doyle und Trinidad Doherty. Wir haben das auch im Text korrigiert. Danke für den Hinweis!

  2. 1.

    Liebe Redaktion,
    die Namen der Personen stimmen nicht ganz. Es fehlt Anna Lucia Rupp.
    Danke, für den so treffend formulierten Artikel, er beschreibt sehr gut, was wir gestern im Konzert erleben durften.
    Viele Grüße

Nächster Artikel