Langzeitbeobachtung Paare - "Alle waren sehr mutig, sich so zu zeigen wie sie sind"

Mi 05.02.25 | 13:41 Uhr
Standbild aus "Wie die Liebe geht". (Quelle: Keil Kruska Filmproduktion)
Keil Kruska Filmproduktion
Video: rbbKultur | 05.02.2025 | Vera Drude | Bild: Keil Kruska Filmproduktion

Sieben Jahre lang haben die Filmemacherinnen Antje Kruska und Judith Keil vier Paare mit der Kamera begleitet. Dabei sind sie ihren Protagonisten sehr nahe gekommen. Ihr Dokumentarfilm "Wie die Liebe geht" erzählt nicht nur glückliche Geschichten.

rbb: Frau Keil, Frau Kruska, wie der Titel schon sagt, geht es in Ihrem Dokumentarfilm um die Liebe. Warum haben Sie dieses große Thema gewählt?

Judith Keil: Am Anfang des Projekts stand unsere Faszination für Langzeitbeobachtung.

Wenn man das Leben in einem Zeitraffer sieht, offenbart sich auf eine ganz besondere Art, worin wir alle stecken - diesem Fluss der Zeit, den man nicht vorhersehen kann, die Veränderbarkeit und auch Vergänglichkeit.

Auf die Idee, den Fokus auf die Liebe zu legen, kamen wir, weil wir dachten: Das ist etwas, was Biografien immer prägt. Die Suche nach einer guten Liebe, die man über einen langen Zeitraum verwirklichen möchte, ist für viele Menschen ein zentrales Thema.

Zur Person

Die Regisseurinnen Antje Kruska (links) und Judith Keil. (Quelle: Michael Handelmann)
Michael Handelmann

Die Filmemacherinnen Antje Kruska und Judith Keil leben in Berlin und haben sich während des Studiums kennengelernt. Seitdem realisieren sie zusammen Spiel- und vor allem Dokumentarfilme.

Ihre Langzeitdokumentation "Wie die Liebe geht" läuft ab dem 6. Februar in den Kinos.

rbb|24: In dem Dokumentarfilm begleiten Sie vier Paare über sieben Jahre lang. Wie haben Sie die Menschen gefunden, die bereit waren, über so einen langen Zeitraum begleitet zu werden?

Antje Kruska: Das war sehr unterschiedlich. Ein Paar haben wir zum Beispiel bei einer Hochzeitsmesse am Schmuckstand angesprochen. Auf die Messe waren wir gegangen, weil wir ja Paare finden wollten, die die Absicht haben, einen langen Weg miteinander zu gehen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch nicht mal die Filmförderungen.

Später lernten wir über eine Trau-Rednerin das zweite Paar kennen, zwei Frauen. Das dritte Paar hat uns eine Bekannte aus Bremen vermittelt: Sie sagte, bei ihr sei gerade ein sehr netter Maler tätig, der eine schwangere Frau habe. Und das vierte Paar haben wir bei der Party eines befreundeten Produzenten kennengelernt.

Sie haben alle mutig "ja" zu dem langen Projekt gesagt.

Wie haben Sie den Paaren vermittelt, dass die filmische Beobachtung nicht davon abhängt, dass die Beziehung immer glücklich ist?

Judith Keil: Allen Beteiligten war klar, dass das eine experimentelle Geschichte ist und dass wir sie gern in verschiedenen Momenten begleiten wollen – auch denen, die nicht so glücklich sind. Wir haben ihnen auch gesagt, dass es für das Filmprojekt keine Bedingung ist, als Paar zusammenzubleiben.

Ich denke aber, dass sich am Anfang alle sicher waren, dass sie mindestens die sieben Jahre zusammenbleiben.

In dem Dokumentarfilm zeigen Sie die Momente von Streit über Hochzeit bis hin zur Geburt. Wie haben Sie es geschafft, dass Sie so nah an diesen intimen Momenten dabei sein durften?

Antje Kruska: Das hat mit dem Zeit-Faktor zu tun. Die Geburt war nicht der erste Dreh. Das Vertrauen ist vorher schon sehr gewachsen und irgendwann bekommt das einfach etwas Natürliches, ohne ein Störfaktor von außen zu sein. Alle waren auf ihre Art sehr mutig, sich so zu zeigen, wie sie auch sind.

Judith Keil: Wir hatten nicht den Druck, den wir teilweise bei anderen Projekten haben, die über eine kürzere Zeitspanne geplant sind. Hier wussten wir, wir haben die Zeit und die geben wir auch den Paaren. Man wird über diesen langen Zeitraum einfach zu einer Schicksalsgemeinschaft. Die beiden Frauen haben zum Beispiel gesagt, dass sie Lust auf das Projekt haben, aber eine Sache wollen sie am Anfang klären: Es muss alles echt und ehrlich sein. Es darf nichts gefälscht, nichts inszeniert werden. So was wollten sie nicht mitmachen. Da waren wir dabei.

Antje Kruska: Es gab auch zwei Momente, in denen sich alle neu sortieren mussten. Von unserer Seite, aber eben auch von der Seite der Protagonisten, weil sehr entscheidende Dinge für die Beziehung passiert sind. Wir mussten überlegen, was das erstmal für das Leben der Leute bedeutet und dann in zweiter Instanz, was das für den Film bedeutet.

Was waren das für Ereignisse?

Antje Kruska: Ein Paar hat sich in der Zeit getrennt und die Person, die verlassen wurde, musste für sich erstmal rausfinden, was sie für eine Haltung dazu finden kann und wie und ob man an die ganzen Jahre des Films wieder einfach so anknüpfen kann. Da war die Langzeitbeobachtung auch wieder ein Vorteil, weil wir Zeit hatten, uns wieder anzunähern.

Der zweite Moment war ein schlimmer Schicksalsschlag, der über eine Beziehung, eine kleine Familie, aus heiterem Himmel hereinbricht und das Leben und die Liebe massiv verändert hat. Da hatten wir tatsächlich Zweifel, wie man sich dem wieder annähern kann. Wir sind sehr dankbar für die Verbundenheit und dass wir die filmische Reise weiter gemeinsam gehen konnten.

Was ist Ihr Anliegen, das Sie mit dem Film erzählen wollen?

Antje Kruska: In unserem Dokumentarfilm-Schaffen haben wir immer die Absicht, die Menschlichkeit zu zeigen. Das man trotz vieler Hindernisse das Leben annimmt und dem Ganzen etwas Positives entnimmt.

Judith Keil: Der Film vermittelt unter anderem, wie fragil und verletzlich die Liebe und das Leben sind. Er offenbart aber auch eine Kostbarkeit, so dass man vieles danach noch mehr schätzt, was einem vielleicht selbstverständlich erscheint. So richtig verstehen, wie die Liebe geht, kann man nicht. Es gibt eben diese größeren Kräfte, die man nicht beeinflussen kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Vera Drude für rbbKultur – das Magazin.

Sendung: 01.02.2025, 18:45 Uhr

Nächster Artikel