Lesung | Pelicot-Tochter im Delphi - Über einen Mann, den sie einst Vater nannte

Mi 19.03.25 | 11:34 Uhr
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Archivbild:Caroline Darian bei der Lesung ihres Buchs am 17.03.2025.(Quelle:picture alliance/NurPhoto/Y.Tang)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.03.2025 | Raddatz, Birgit | Bild: picture alliance/NurPhoto/Y.Tang

Die Französin Gisèle Pelicot wurde von ihrem Ex-Ehemann jahrelang missbraucht. Dafür bekam er 20 Jahre Haft. Was diese Tat mit der Familie macht, schildert die gemeinsame Tochter Caroline Darian in ihrem Buch, aus dem sie nun in Berlin las.

Viele Menschen nahmen Anteil, als 2020 öffentlich wurde, was der Französin Gisèle Pelicot angetan wurde. Ihr Ex-Ehemann hatte sie jahrelang betäubt und vergewaltigt, sie auch anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten und die Taten gefilmt.

Die gemeinsame Tochter Caroline Darian beschreibt in ihrem Buch "Und ich werde dich nie wieder Papa nennen" ihren Vater Dominique Pelicot als liebendes Monster. Am Dienstagabend hat sie ihr Buch im Delphi-Filmpalast in Berlin vorgestellt. Sie seien eine harmonische Familie gewesen – oder hätten das zumindest nach außen präsentiert, erinnert sich die heute 46-Jährige.

Bis Dominique Pelicot am 2. November 2020 verhaftet wird. Danach folgt ein jahrelanger Prozess. In dieser Zeit schreibt sich Caroline Darian ihren Schmerz von der Seele, ihr Buch liest sich wie eine Art Tagebuch. Darin beschreibt sie den Prozess der Konfrontation – zuallererst mit der Psyche des Mannes, den sie einst Vater nannte.

"Ich glaube, er ist schon sehr lange so. Er konnte seine Perversion sehr früh in seiner Jugend entwickeln. […] Man könnte das jetzt auf seinen familiären Hintergrund schieben, aber ich bin überzeugt, dass jeder Mensch im Leben wählt. Und man entscheidet sich", liest Caroline Darian aus ihrem Buch. Die deutschen Passagen werden von Heike Warmuth gelesen.

Auch Caroline Darian zeigt ihren Vater wegen Vergewaltigung an

Die Beweislage im Fall ihrer Mutter ist erdrückend. Ihr Ex-Ehemann wird allein für das, was er seiner Exfrau angetan hat, 20 Jahre im Gefängnis verbringen. Caroline Darian selbst hat ihren Vater erst kürzlich wegen Vergewaltigung angezeigt.

Sie fand Aufnahmen von sich selbst, erinnere sich jedoch nicht. Sie erinnert sich jedoch an mehrere Operationen aufgrund von Verletzungen im Intimbereich. Dominique Pelicot bestreitet die Vorwürfe. Schon damals erzählt die Tochter ihrer Mutter von der Sorge, ebenfalls betäubt und sexuell missbraucht worden zu sein. Doch die zweifelt daran. "Es haut mir fast die Beine weg. Vielleicht ist es eine unbewusste Abwehr, aber ihre Reaktion tut mir weh", liest Caroline Darian. Sie begreift, dass sich ihre Mutter fürs Verleugnen entschieden hat.

Systematisch hat der Vater seine damalige Frau gefügig gemacht. Alles, was er brauchte, fand er in der allgemeinen Hausapotheke. Caroline Darian will auf die chemische Unterwerfung, der sie und ihre Mutter ausgesetzt waren, aufmerksam machen. Auch deshalb sei es wichtig, sagt die 46-Jährige, dass potenziellen Opfern geglaubt werde.

Caroline Darians Buch ist eine Warnung: Es kann jede Familie treffen. Und alles, was einmal war, kann dadurch in Frage gestellt werden. Besonders emotional wird die Autorin an dem Abend noch bei der Passage, in der sie ihrem damals sechsjährigen Sohn erklären muss, was sein Großvater getan hat.

"Dein Opi hat etwas sehr Schlimmes gemacht. Er hat gelogen und deiner Omi sehr weh getan. Er hat sie nicht respektiert, wie er es hätte tun sollen. Und er hat sich auch nicht an die Gesetze gehalten. Wenn man etwas Böses getan hat, dann wird man dafür bestraft."

Ihr mittlerweile zehnjähriger Sohn sei sehr erwachsen für sein Alter, sagt Caroline Darian. Sie diskutierten viel zu Hause, trotz oder eben wegen der eigenen Familiengeschichte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.03.2025, 9:55 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    Da ist es wieder, der Haß, die Wut, Verzweiflung, Schreie, alles zusammen ruft nach Todesstrafe. Warum gibt es die nicht mehr in so eindeutigen Fällen. Genauso Tötungsdelikte an Kindern. Wehrlos, ohne Schulsuche und dem Täter ausgeliefert. Die Todesangst ausstehend, nach Mutti und Vati schreiend bis daß der Tot naht. Unvorstellbar, untröstlich, unbegreiflich aber durch Todesstrafe des Täters erlösende. Das würde andere von vielen Taten abhalten.

  2. 6.

    Danke für den guten Denkanstoß! Das Gute ist, dass es hier mal um die Opfer geht. Sowohl bei dem Artikel als auch bei Ihrem Kommentar.

  3. 5.


    Wie bitte?
    Was ist ein "liebendes Monster"?
    Wie bietet man einen Menschen zur Vergewaltigung an?

    "Ihr Ex-Ehemann hatte sie jahrelang betäubt und vergewaltigt, sie auch anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten …"

    "… Caroline Darian beschreibt in ihrem Buch … ihren Vater Dominique Pelicot als liebendes Monster"

  4. 4.

    Und was das wohl mit den Menschen macht? Die dann ggf. nicht mehr klarkommen, am Ende Transferleistungen beziehen und dafür als "arbeitsscheu" diffamiert weden, die nur mal "harte Sanktionen" brauchten.

    Denke so oft daran, wenn ich in den Nachrichten von Horror-Ermittlungsergebnissen höre – mit Verweis auf "riesiges Dunkelfeld".

  5. 3.

    Es ist unfassbar dieser Missbrauch. Das Frau Pelicot und ihre Tochter dieses Verbrechen öffentlich gemacht haben finde ich sehr gut und mutig. Sich dieser Tortur nochmals im Gespräch auszusetzen verbraucht sehr viel Kraft. Das französische Urteil wäre hier leider nicht gesprochen worden.

  6. 2.

    "Wieviel unerkannte Mißbräuche in unseren Familien es wohl gibt?"

    Wüsste man das, wären die Missbräuche ja nicht unerkannt. Und ja, diese Missbräuche finden vielfach im Familien- und Bekanntenkreis statt.

  7. 1.

    Furchtbar. Und das in der eigenen Familie! Wieviel unerkannte Mißbräuche in unseren Familien es wohl gibt?

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