Tara-Louise Wittwer über den Frauentag - "Warum wir Männer nicht immer an die Hand nehmen können"

Wie bringt man feministische Themen ins Netz? Was macht der virale Hausfrauentrend mit uns? Und wie finden junge Menschen trotz unterschiedlichen Wahlverhaltens wieder zueinander? Antworten weiß Autorin und Content-Creatorin Tara-Louise Wittwer.
rbb: Wie erklärst du dir das Gefühl und die Tatsache, dass wir wieder in einer Welt zu leben scheinen, in der Männer alles regeln und Frauen immer mehr aus der Öffentlichkeit verschwinden?
Tara-Louise Wittwer: Wenn viele progressive Entwicklungen stattfinden, scheint es immer auch Leute zu geben, die dagegen sind und sich vor allem von dieser Sichtbarkeit für marginalisierte Gruppen angegriffen fühlen und dagegenhalten. Meist sind es reiche, weiße, privilegierte Milliardäre, die dann die Macht haben und sich dazu entscheiden, sie nicht für Frauen, oder beispielsweise für Transpersonen einzusetzen, sondern wieder mal nur für sich und ihresgleichen.
Es gibt viele Frauen, die erfolgreich versuchen, ein reaktionäres Weltbild zu propagieren - auch in den sozialen Medien. Diese Frauen stehen vornehmlich am Herd und kümmern sich um Haushalt und Kinder. Nerven dich diese Frauen?
Es fühlt sich natürlich immer besonders enttäuschend an, wenn in die eigenen Reihen geschossen wird. Aber internalisierter Frauenhass ist einfach anerzogen. Das ist ja eine Folge von patriarchalen Strukturen und die hat jeder in sich. Interessant finde ich dann immer nur, dass genau diese Tradwives [traditionelle Hausfrauen, Anm.d.Red.], die ja ihre Sachen ins Internet stellen, gar nicht darüber nachzudenken scheinen, dass sie das nur aufgrund feministischer Errungenschaften können.
Fordern Frauen zu viel?
Nein, natürlich nicht. Dazu gibt es ganz eindeutige Statistiken. Natürlich fühlen sich privilegierte Männer in irgendeiner Weise davon angegriffen, weil sie sich in ihrer Dominanzposition bedroht fühlen. Und natürlich fühlt sich alles wie eine Bedrohung an, wenn du deine Privilegien, die du bisher nicht teilen musstest, auf einmal teilen sollst. Ihnen wird ja nichts weggenommen, es soll nur geteilt werden. Aber dass sich diese Wut auch an mir entlädt, kann ich nicht nachvollziehen, denn ich bin ja nicht das Problem, sondern das System.
Wie gehst du mit dem Hass um?
Also ich muss schon sagen, dass ich deswegen auch immer mal wieder in Behandlung bin. Trotzdem glaube ich, dass ich das trotz allem relativ gut wegstecken kann, weil ich mir immer vor Augen führe, dass ich nicht der Feind bin. Manche können das aber scheinbar nicht reflektieren oder differenzieren. Ich möchte auf gar keinen Fall spalten. Ich möchte einfach mit meiner sarkastischen, humorvollen Art, die dann für viele Leute eine Provokation darstellt, auf Ungleichheiten aufmerksam machen. Oft wird mir gesagt, ich sei eine Vorzeigefeministin oder Aktivistin. Das bin ich aber beides nicht. Ich sehe mich vielmehr als Kulturwissenschaftlerin und Autorin und sehe meinen Content als kulturwissenschaftlichen Einstieg in den Feminismus - ganz niedrigstufig. Für Leute, die sich damit bislang noch nicht auseinandergesetzt haben.
Diese Polarisierung schlägt sich auch im Wahlverhalten nieder. Tatsächlich wählen junge Frauen mittlerweile eher liberaler und junge Männer oft immer reaktionärer. Wie kann man da wieder zueinander finden?
Ich finde es beängstigend und auch erstaunlich, dass diese Menschen, von denen man eine gewisse Selbstreflexion einfordert und Gleichbehandlung, dann sehr häufig mit einer gewissen Aggression reagieren, mit Wut und Unverständnis und grundsätzlich das Gefühl zu haben scheinen, dass man ihnen etwas wegnehmen will. Wobei ich mir dabei denke, dass es ja nur mal fair wäre, wenn wir Frauen jetzt auch mal dran wären. Das kann aber natürlich nicht der Weg sein, den man gehen sollte.
Aber es kann auch nicht sein, und da ist meine Geduld am Ende, dass Frauen im Allgemeinen immer wieder erklären müssen, warum eine Gleichbehandlung mehr als nur notwendig ist. Wenn man das dann in irgendeiner Weise passionierter vorträgt, dann bekommt man gleich zu hören: "Die hysterische Alte, guck mal, wie die schreit, vielleicht hat sie ihre Tage.". Da denke ich mir, dass man gar nicht gewinnen kann. Ich frage mich aber, wo können Frauen gewinnen? Und auch das wird mir wieder im Mund herumgedreht: "Aha, die wollen gewinnen. Siehst du, die wollen gar keine Gleichberechtigung, die wollen mehr." Dabei frage ich mich doch nur, wie man es schafft, dass Männer sich wirklich hinsetzen, reflektieren und sich dabei fragen, wie man denn jetzt zusammenkommt, anstatt immer Gründe dafür zu finden, warum wir jetzt nicht zusammenkommen und mich dann als Grund dafür nennen, weil ich ja Männer hassen würde.
Der Weg zur Gleichberechtigung bedeutet für Frauen und Männer unterschiedliches. Frauen möchte man darin bestärken, mehr Privilegien einzufordern, mehr Raum einzunehmen. Wohingegen das für Männer erst einmal bedeutet, Privilegien aufzugeben und zu teilen. Muss man Männer da nicht irgendwie mitnehmen, wenn man diese Brücke schlagen will?
Warum müssen wir denn jetzt die Männer wieder mitnehmen? Warum müssen wir die Männer an die Hand nehmen? Warum kann diese Arbeit nicht von sich aus erfolgen? Als Mann wäre mir das zu wenig. Ich zum Beispiel war das größte Pick-Me-Girl [Frauen, die sich weniger feminin geben, um Männern zu gefallen, Anm.d.Red.]. Irgendwann habe ich mich aber einfach mit mir selbst auseinandergesetzt und wirklich jede Schale der internalisierten Ismen abgezogen.
Am Weltfrauentag bist du eine gefragte Gesprächspartnerin. Wie findest du das?
Sehr klischeehaft, denn ich freue mich natürlich, wenn diese Themen auch außerhalb von Weltfrauentagen besprochen werden. Ich freue mich auch darüber, dass dieser Tag feministischer Kampftag genannt wird. Generell ist es aber schon so, dass ich sagen würde, besucht doch mal ein paar Männer an diesem Tag.
Also eher Kampf- als Feiertag für dich?
Ein Feiertag ist es für mich definitiv nicht.
Das Interview führte Shila Behjat für rbbKultur. Es handelt sich hier um eine redigierte Fassung des Gesprächs.
Sendung: rbbKultur, 08.03.2025, 18:30 Uhr