1.000 Prozent Erhöhung - Streit um die Grundsteuer: Berliner Clubs vor dem Aus?

Fr. 25.04.25 | 15:16 Uhr
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Club Yaam in der Spree in Berlin (Quelle: dpa)
Video: rbb24 Abendschau | 26.04.2025 | Laurence Thio | Bild: dpa

Die Bezirke und der Senat haben bislang keine Lösung gefunden, wie Berliner Clubs von der Grundsteuer befreit werden können. In einigen Fällen wurde die Abgabe um über 1.000 Prozent erhöht. Die Clubs fürchten um ihre Existenz. Von Ann Kristin Schenten

An diesem Wochenende startet im Yaam die Open-Air-Saison. Der Kreuzberger Club an der Schillingbrücke gilt seit 20 Jahren als Institution – ein Zentrum für Subkultur und urbanen Lifestyle, wie sich das Yaam selbst bezeichnet. Gefeiert wird hier zu Reggae und Dancehall. Der Club ist bekannt für seine Streetart und die Strandbar mit Blick auf die Spree. Doch die Partystimmung ist getrübt: Im Mai wird die Grundsteuer fällig – dem Club droht ein Anstieg von über 1.200 Prozent.

Yaam: Grundsteuer wird um mehr als 1.000 Prozent erhöht

Für die Clubbetreiber ist das ein Schock. Marcel Weber, Vorsitzender der Berliner Clubcommission, zeigt sich besorgt: "Das ist auf jeden Fall eine existenzielle Bedrohung, wenn nicht sogar eine Vernichtung. Bei den anderen Clubs fragen wir aktuell nach – viele wissen aber noch gar nicht, was auf sie zukommt. Ich hoffe einfach, dass die Widersprüche gehört und Lösungen gefunden werden."

Denn nicht nur das Yaam ist betroffen. Nach der Grundsteuerreform, die seit diesem Jahr gilt, werden die Flächen vieler Berliner Clubs wie unbebaute Grundstücke behandelt. Laut Bebauungsplänen wäre dort auch ein lukrativer Neubau von Wohn- oder Büroflächen möglich. Die Grundsteuer wurde entsprechend hoch angesetzt – obwohl Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) stets betont hat, dass Berlin durch die neue Grundsteuer keine nennenswerten Mehreinnahmen erzielen wolle.

Herrmann: Friedrichshain-Kreuzberg kann Grundsteuer nicht allein zahlen

Die Situation des Yaam verdeutlicht, wie komplex die Lage ist. Das Grundstück gehört derzeit dem Bezirk, der es an den Club weitervermietet. Rechtlich müsste also nicht das Yaam, sondern der Bezirk die Grundsteuer an das Finanzamt zahlen. Doch das sei aktuell nicht leistbar, meint Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne): "Wir müssten für alle unsere Clubgrundstücke im Bezirk insgesamt 300.000 Euro zahlen. Wir können das Geld nicht herzaubern. So viel kostet eine einzelne jugendsoziale Einrichtung – wir müssten dafür 11.000 Stunden Sozialarbeit einsparen." Sie sieht den Senat in der Pflicht, die Grundsteuer zu erlassen.

Doch der Senat lehnt das seit Wochen ab. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Christian Goiny, entgegnet, der Bezirk habe es versäumt, die Bebauungspläne rechtzeitig anzupassen: "Man hätte die Clubs schon längst als Kultureinrichtungen sichern können. Ich verstehe den Senat, wenn er sich in der aktuellen Lage weigert, den Bezirken die Grundsteuer zu erlassen."

Streit zwischen Senat und Bezirken hält an

Clara Herrmann hält das für eine Nebelkerze. Sie appelliert an Finanzsenator Evers: "Eine Lösung wäre, dass wir als Bezirk zwar die Grundsteuer zahlen, das Geld aber anschließend aus dem Landeshaushalt zurückerstattet bekommen." Auf diesen Vorschlag habe Evers jedoch bislang nicht reagiert, sagte sie dem rbb.

Für die Clubs bedeutet der andauernde Streit, dass sie weiter um ihre Existenz fürchten müssen. Das About Blank am Ostkreuz hofft inzwischen sogar auf Spenden. Das Yaam bezeichnet die Situation als "nicht verkraftbar".

Marcel Weber, Vorsitzender der Berliner Clubcommission, die sich für die Interessen der Clubs einsetzt, will sich an die Bundespolitik wenden. "Unsere Forderung an die Bundesregierung ist es, Berlin als Kulturschutzraum für Clubs zu erklären. Damit ließen sich Clubs sichern – auch in diesem Fall", so Weber. Bereits seit 2021 gibt es einen Entschließungsantrag des Bundestags, der die Clubkultur dauerhaft sichern soll. Ein entsprechendes Gesetz existiert jedoch nicht.

Dass diese Forderung jetzt ganz oben auf der Prioritätenliste der neuen Bundesregierung steht, ist allerdings mehr als fraglich. Die Verantwortung liegt also bei Bezirken und Senat, ihren Streit beizulegen, sollten sie Orte wie das Yaam wirklich retten wollen. Denn sonst könnte die neue Grundsteuer für viele Berliner Clubs tatsächlich das Aus bedeuten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.4.2025, 19:35 Uhr

93 Kommentare

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  1. 91.

    Ob Sie beim Thema sind und auch sein wollen, liegt im Auge des Anbieters! Dem Anbieter Ihrer Sichtweise.
    Zwei Stichwörter könnten helfen.
    Grundsteuer, Bewertungen.
    Hier heraus ergibt sich die Frage des Hebesatz, den die Kommunen selbst für ihre Gemeinde Gebiet fest legen.
    Die kleinst Gemeinde mit ca. 100 Einwohner, die Kreisstadt oder der Stadtstaat wie Berlin und Hamburg.
    Die Fläche das Grundstück ist durch die Vermieterin, dem Bezirk, erklärt worden. Nun soll die erhöhte Grundsteuer auf die Mieter, dem Club umgelegt werden im Rahmen der Nebenkosten.
    Nun hat jemand bei der Erklärung der Grundsteuer gepennt.
    Ob andere auch gepennt haben und ihr Grundbuch nicht lesen können, wäre eine andere Frage in einem anderen Artikel.
    Auch der Hinweis auf Regierung Zeit von Merkel, sei an die c s u erinnert die die Infrastruktur verloddert hat lassen, zu Gunsten der Ortsumgehung in den Bergen.
    Auch das hat nichts mit dem Thema Club Szene in Berlin und die Grundsteuer gemeinsam.

  2. 90.

    Was soll das, die Kommunen sind auch schon in meiner Kindheit chronisch unterfinanziert. Die Grundsteuerreform wurde nach Klagen vom Verfassungsgericht gefordert worden, wegen nicht mehr realistischen Bemessungsgrundlagen. Nach Ostaufbau und Gier geschuldeter Finanzkrise gab es die Schuldenbremse, daß ist auch schon länger her. In Berlin kommt auch noch die Sanierung der Landesbank in den 90ern dazu, die aus zu anlegerfreundlichen Finanzprodukten resultierte. Geld ist scheu und muß gebauchpinselt werden. Menschen, ihr Elend und Sterben ist egal.

  3. 89.

    Eine Zunahme des Gesamtgrundsteueraufkommens unter der Inflationsrate ist eine reale Steuersenkung. Die Grundsteuer macht nur 1% des Gesamtsteueraufkommens aus und geht ins Stadtsäckel. Regen Sie sich dann nicht demnächst darüber auf, wenn von der Schule Ihrer Kinder mal wieder eine Umlage für Kopierpapier erbeten wird.

  4. 88.

    In Berlin ist die Grundsteuerreform aufkommensneutral ausgestaltet worden. Die Zahlen dazu hat die Senatsverwaltung für Finanzen längst bekannt gegeben. Sorry, Sie vertreten Unrichtiges.

  5. 87.

    Es ist immer wieder schön zu lesen wie sich Menschen über die Politik im Lande aufregen die sie selbst gewählt haben.
    Die Reform der Grundsteuer wurde unter Merkel in der großen Koalition in Gang gesetzt, der damalige Finanzminister war O. Scholz.
    Der sagte im Juni 2019 dazu das das Steueraufkommen
    insgesamt nicht steigen werde ,die Reform ist also nicht wie versprochen aufkommensneutral und natürlich kann er sich an nichts mehr erinnern.
    Also CDU und SPD haben es damals mitzuverantworten und was haben wir jetzt das gleiche und wieder erzählen sie der Wählerschaft alles besser zu machen und die Menschen zu entlasten und die Wählerschaft fällt wieder darauf rein,herrlich.
    Auch die Städte und Kommunen sind bei der Erhöhung nicht ganz unschuldig,aber die brauchen das Geld weil sie pleite sind und warum sind sie das, einfach mal 10 Jahre zurück denken.
    Herrlich von den gleichen werden wir die nächsten Jahre regiert,aber bitte nicht auf regen die demokratische Mehrheit wollte das.

  6. 86.

    Schön auf den Punkt gebracht.
    Über Kunst läßt sich trefflich streiten.
    Das macht auch das ganze aus, was ist ist Kunst.
    Nunmehr, glaubt jemand, mit, "kann wahrlich nicht", den vollumfänglich Blick auf das ganze zu haben.
    Bei mir steigt gerade das Maß der Glaubwürdigkeit! Gedanken über das Vorzeichen, im mathematischem Sinne, steht noch aus.
    Und rechnen ist ein Teil der Mathematik. Ob die Grundsteuer auch anders erklärt und berechnet werden könnte, steht hier im Raum.

  7. 85.

    Dann müssten aber auch die echten Erlöse aus den Clubs in die öffentliche Hand - wie bei der Oper. Da hört es aber wahrscheinlich bei den Clubbetreibern auf, oder?

  8. 84.

    Die Grundsteuer ist eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen. Meinen Sie ernsthaft, dass die Kommunen bei der Kassenlage die sie jetzt beklagen die Hebesätze senken?

  9. 83.

    Mag für dich so stimmen. Es geht aber ums Gemeinwohl und das orientiert sich nicht an Vorlieben. Wer auf dem Land ganz ohne Diskorummel aufwächst, wird nicht zwangsläufig in der Fantasielosigkeit und vollkommen ohne Kunstverstand und sonstige Talent verelenden. Vielleicht sogar genau das Gegenteil, weil Kreativität nicht von Konsum und Kommerz kommt sondern aus einer inneren Kraft. Kontakt aufzunehmen mit Wahrgenommenen. Das kann auf der Blumenwiese genauso passieren wie unter Vibes und Großstadtgetöse. Mich stört die Verklärung und Huldigung von Betreiben, die maßgeblich gewinnorientiert sind um Egos zu stillen und zu umgarnen. Das sagt jemand mit jahrzehtelanger Cluberfahrung weltweit. Sich zurücknehmen zu können ist ein Qualität, die Kunst fördert – nicht unbedingt das Megaphon, obwohl ja grad alles voll krass MEGA ist.

  10. 82.

    Genau das! Nur dem die Steuer zu erlassen, der am lautesten jammert führt zu Ungleichbehandlung und Bevorzugung. Prinzipiell geht es ja nicht nur um FUN sondern auch um Arbeitsplätze. Warum soll ein Bio-Laden, ein Gemüsehändler oder eine KFZ-Werkstatt mit je 5 - 20 Angestellten schlechter gestellt werden als eine Tanzbar. Das hat ein Geschmäckle.

  11. 81.

    Aber das Gesetz ist nun mal so und sollte jetzt auch gleich angewendet werden. Dafür gibt es im Gesetzesprozeß die Folgenabschätzung, da hat man dann wohl gepennt oder es war genau so gewollt vom Gesetzgeber.
    Ihr s.g.Hinweis ist richtig.
    Ob er auch vollständig ist, mag eine jede ein jeder für sich klären.
    Ob diese einen Grundstück, besser Flurstück mit Nr xcg zgg auch richtig bewertet ist, steht auf dem anderen Blatt.
    Nun es ist auch ein Unterschied ob ein m² mit 80 EUR bewertet werden oder mit 28 Eur ein Ar. So ein Beispiel in Brandenburg. In Berlin ist auf den Karten sehr unterschiedlichen der m² - Preis zu sehen, ob nun Gewerbe oder Wohnfläche, macht den Unterschied.
    Und hier setzt das eigentliche Problem an, wie werden die teilfläche bewertet, im Bezirk.
    Habe ich ein Anspruch, an den Vermieter, ob denn die Grundsteuer richtig bewertet sei.
    Fragen über Fragen.

  12. 79.

    Das nennt sich hier übrigens Stadt. Wenn man Ruhe und Ungestörtheit sucht, wäre vielleicht die Uckermark sinnvoll.
    Die Förderung eine Weltkulturerbes sollte klassischerweise zu den Kernaufgaben von Politik gehören. Die Stiftung preußischer Kulturbesitz gibt es schon: gut so! Aber wo bleibt die Bundesstiftung Dr. Motte? Wo das Kulturförderprogramm RAW Gelände? Kein Sinfonieorchester würde ohne öffentliche Mittel überleben. Das hätte ich jetzt gerne auch für Mischpulte und Lichtanlagen. Und dann wäre auch die Grundsteuer kein Problem. Oder hat schonmal jemand von den Schwierigkeiten des Konzerthauses am Gendarmenmarkt mit der Grundsteuer gehört?

  13. 78.

    Und angesichts der versprochenen und eingehaltenen Aufkommensneutralität ist für viele die Grundsteuer auch billiger geworden.

  14. 77.

    Deutet die geringe Nachfrage vielleicht an, dass diese kleinen Clubs sich fragen sollten, ob ihre Musik und ihr Konzept stimmt?

  15. 76.

    Wer privatwirtschaftlich eine Gaststätte betreibt hat ebenso unter den hohen Grundsteuern zu leiden. Wieso soll es den Clubs besser gehen! Entweder sie erhöhen die Preise oder machen dicht oder die Betreiber verzichten auf einen Teil ihres Einkommens.
    Wer aber Forderungen stellt wie die Clubkommission sollte sich vielleicht einmal hinterfragen ob sie das Recht haben zu definieren was Kultur ist!
    Die Clubs haben gezeigt dass sie nur an Kommerz interessiert sind und genau das tun sie auch jetzt wieder mit ihren Forderungen!

  16. 75.

    Sorry, nein. Die Grundsteuer sortiert nach dem Wert eines Grundstücks. Wenn man die baurechtlichen Möglichkeiten aber nicht nutzt, sondern nur einen eingeschossigen Club in Innenstadtlage betreiben will, kann das finanzielle Konsequenzen haben. Nichts anderes scheint passiert zu sein. Und ein Club ist (wenn denn) nicht nur Kultur, sondern eben auch Gewerbe (schon wegen des Getränkeverkaufs). Und DJs müssen auch von etwas leben und sind wohl nicht nur altruistisch unterwegs, oder?

  17. 74.

    Der Staat erhielt per Beschluss des obersten Gericht die Aufgabe, die Grundsteuer zu überarbeiten. Rausgekommen ist dabei ein Konstrukt, das die Steuer für viele sehr verteuerte. Davon sind nicht nur die Clubs betroffen. Das hätte man verhindern können, indem man die Hebesätze niedrig ansetzt, hat man aber nicht. Wenn nun gefordert wird, für einzelne die Steuer auszusetzen, dann wäre das ziemlich ungerecht. Vernünftig wäre das ganze Projekt Grundsteuer komplett neu zu überarbeiten.

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