"Newsroom" am Theater an der Parkaue - Nachrichten per Volksabstimmung

Mi. 30.04.25 | 07:52 Uhr | Von Barbara Behrendt
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Darsteller stehen beim Theaterstück Newsroom im Berliner Theater an der Parkaue auf der Bühne (Quelle: Paula Reissig).
Audio: rbb24 Inforadio | 30.04.2025 | Barbara Behrendt | Bild: Paula Reissig

Demokratisch entscheiden, über welche Nachrichten berichtet wird? Das Kollektiv Henrike Iglesias wagt am Theater an der Parkaue den Versuch mit jungen Leuten und deren Handys. Das wirft mehr Fragen auf als der Abend aushält. Von Barbara Behrendt

Stellen Sie sich vor, Sie könnten jeden Morgen per Smartphone mitentscheiden, worüber der rbb berichtet. Welche Beiträge würden es auf die Webseite, ins Radio und ins Fernsehen schaffen? Und was würde eine solche demokratische Programmwahl für die Recherche und den Journalismus bedeuten?

Etwas Ähnliches spielt das feministische Theaterkollektiv Henrike Iglesias gerade im Stück "Newsroom" am Berliner Theater an der Parkaue durch – für und mit Jugendlichen ab zwölf Jahren, die via Handy entscheiden sollen, welche Schlagzeile auf die Bühne kommt.

"Manchmal kann ich einfach nicht mehr"

Live werden dabei zu Beginn junge Moderator:innen per Video groß auf die Bühne projiziert. Sie imitieren den politischen Nachrichten-Sprech von ARD oder ZDF. Bis einige junge Leute, nichtprofessionelle Performer:innen, sie aus dem Publikum unterbrechen. "Nachrichten sind überall, immer. Morgens im Bett auf meinem Handy. Auf dem Weg zur Schule im Berliner Fenster. Abends im Fernsehen. Jeden Tag wird ein neuer Krieg begonnen. Jeden Tag werden die Rechten stärker. Manchmal kann ich einfach nicht mehr."

Doch dann schlägt in die aktuelle Nachrichtensendung eine Breaking News ein: "Eine Gruppe von jungen Berliner Aktivist:innen, die sich die Newsies nennen, haben eine neue App entwickelt, mit der sie die Teilhabe an Nachrichten demokratisieren wollen."

Die Sprecherin dieser "Newsies" tritt auf die Bühne, gibt ein Interview und sammelt all die jungen Spieler:innen ein, die vorab über Nachrichtenstress geklagt haben. Zusammen entern sie das Oldschool-Büro auf der Bühne, auf dem noch Rechner und Telefone aus den 1990ern stehen und rufen das Publikum dazu auf, über die Themen abzustimmen, die in der heutigen Sendung behandelt werden sollen. Zur Auswahl stehen: Rechtsruck in Deutschland, Antifeminismus und: "irgendwas Lustiges".

Abstimmungen per Umfrage-App

Per QR-Code und leicht zu bedienender Umfrage-App wählt die Mehrheit im Publikum, wen wundert's, "irgendwas Lustiges" aus. Doch das stellt die Newsies vor Probleme: "Leider ist unsere Comedy-Redaktion aktuell noch nicht besetzt. Das tut uns sehr leid, aber wir befinden uns ja gerade noch im Aufbau."

Auch der Beitrag zu Antifeminismus ist noch nicht fertig. Und der Mini-Beitrag zum Rechtsruck in Deutschland wirkt banaler als jeder KI-Text zum Thema sein könnte. Später müssen Mitglieder der Jugendredaktion dann auch noch Interviewpartner faken – die realen Expert:innen habe man leider nicht bekommen.

So einfach ist es nicht mit den eigenen News

Schon klar, was das bedeuten soll: So einfach ist es nicht mit den eigens produzierten News. Doch Henrike Iglesias schätzt die Jugendlichen im Publikum naiver ein, als sie überhaupt sein können. Als wüssten junge Leute nicht, dass ein Videobeitrag Vorbereitung braucht, dass Journalismus mit Recherche zu tun hat. Und als gebe es nicht längst Online-Portale für Jugendliche, die Nachrichten für eben diese Zielgruppe aufbereiten.

Überhaupt stellt sich die Frage, was an den selbstbestimmten Nachrichten revolutionär sein soll – wählen Jugendliche ihren Content auf Tiktok und Instagram nicht ohnehin selbst aus? Getrieben vom Algorithmus, ja, aber nicht unbedingt von journalistischen Gatekeeper:innen. Entscheidet die Mehrheit über Klickzahlen nicht sowieso längst, was veröffentlicht wird? Wer unter 20 schaut noch Nachrichtensendungen, wie sie hier präsentiert werden? Und was würde es bedeuten, sich die Nachrichtenwelt in Direktabstimmung so zurechtzuwählen, dass sie noch leichter konsumierbar wird? All diesen Schwierigkeiten geht der Abend nun gerade nicht nach.

Unvermittelte Kehrtwende

Dafür folgt auf der Bühne unvermittelt die Kehrtwende: Nicht die Nachrichten an sich und wie sie produziert werden seien das Problem, heißt es abrupt, sondern wie wir mit ihnen umgehen. Im All schwebend (warum auch immer) wird plötzlich die Utopie vom konstruktiven Journalismus entwickelt und vom gemeinsamen Nachrichtenkonsum: "Ich glaube, wir sind nicht dafür gemacht, uns das ständig allein reinzuziehen. Warum verabreden wir uns nicht zum gemeinsamen Nachrichtenschauen oder Lesen?"

Dazu fallen völlig aus der Luft gegriffen Worte wie Empathie, Hoffnung, Solidarität. Wie das nun mit den Nachrichten zusammenhängt, ist in der Kürze kaum nachzuvollziehen. Wo hat sich nur die Dramaturgin dieses Theaterabends versteckt? Schade: so ein wichtiges Thema – und so eine unreflektierte Inszenierung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.04.2025, 8 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

11 Kommentare

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  1. 11.

    Die meisten Kommentare sprechen wohl eher aus Erfahrenheit und spiegeln die Wirklichkeit wieder. Aber keine Angst, da gewöhnt man sich dran. Versuchen Sie es ruhig.

  2. 10.

    Die meisten Kommentare unter diesem Artikel zeigen nur, wie wichtig und richtig dieses Stück aktuell ist (auch wenn es die Autorin anscheinend nicht wahrhaben will).
    Noch dazu mit einer unglaublich tollen Leistung der jungen Menschen auf der Bühne!

  3. 9.

    Acherrje. Mir scheint, Barbara Behrendt fühlt sich als Journalistin von den Jugendlichen auf den Schlips getreten und gibt deshalb den Jugendlichen ordentlich eine mit. Ohne darüber ein Wort zu verlieren, wie das Theater an der Parkaue und die Jugendlichen zusammen die Stücke erarbeiten. Das Theater an der Parkaue macht eine tolle Arbeit! Und: Ich hoffe, die betroffenen Jugendlichen nehmen diese Kritik hier nicht ernst. Brauchen sie nämlich nicht.

  4. 8.

    Manchmal beschleicht mich das Gefühl, das Nachrichten einen nicht über Geschehnisse benachrichtigen, sondern das man sich nach richten soll.

  5. 7.

    Das ist auch ein Problem: Dass von Leuten wie Ihnen Lügen verbreitet werden, dass dazu keine Moderation, kein Faktencheck erfolgt und andere Menschen das glauben.

  6. 6.

    "Stellen Sie sich vor, Sie könnten jeden Morgen per Smartphone mitentscheiden, worüber der rbb berichtet. "

    Das wäre in der Tat interessant. Aber wird nicht passieren. Heißt, ich werde auch zukünftig verschiedene Nachrichtenquellen bemühen, um mich einigermaßen umfangreich informieren zu können.

    Alleine zu Berlin liegen ja bei den Themenschwerpunkten Welten zwischen den erhältlichen Nachrichtenquellen.

  7. 5.

    Nee, nicht die AfD geht gegen Medien vor die deren Meinungen nicht teilen. Leute wie Faeser, Strack Zimmermann, Habeck, Baerbock... tun das. Natürlich gehen Rechte gegen Lügen der Medien vor wie etwa gegen das Märchen des "Wannseetreffens". Ich warte ja immernoch auf die Tonbandbeweise, dass ein AfD Politiker russische Schmiergelder angenommen haben soll (kurz vor den Wahlen) Eine ehrliche Berichterstattung über einen Asiatischen Spion bei Krah, der zuvor unbeanstandet bei der SPD und im Verfassungsschutz selber arbeiten konnte und der Verfassungsschutz seiner Informationspflicht nicht nachkam und dann, auch wieder kurz vor der Wahl, ein Skandal daraus konstruiert wurde. Und so weiter. Die Glaubwürdigkeit der Medien leidet immer mehr. Deswegen sollte man nicht über die Nachrichten abstimmen sondern über die, die diese Verbreiten.

  8. 4.

    Ich würde lieber darüber abstimmen WER Nachrichten berichten darf. Das würde für viele "etablierte" ein böses Erwachen geben.

  9. 3.

    Die vierte Macht ist bereits entmachtet und befindet sich im freien Fall. Das Internet hat dieser die Hoheit geklaut. Influenzer und die Blase der eigenen Wahl bestimmen den Medienkonsum. Parteien wie die AfD gehen gegen Medien vor, welche ihre Position nicht teilen
    Man muss sich darüber im Klaren sein das Demokratie nicht die Herrschaft der Interkulturellen ist. Der Tunnelblick bestimmt das Gesamtbild.
    Albert Einstein: Die Herrschaft der Dummen ist unüberwindlich, weil es so viele sind, und ihre Stimmen zählen genau wie unsere.

  10. 2.

    Ja das wird ein Wunsch bleiben. Wenn der User selbst bestimmt welche Nachrichten oder Informationen er bekommen will, wird die 4.Macht entmachtet und zumindest die öffentlich rechtlichen Medien können ihren "Bildungsauftrag" nicht mehr erfüllen, der Staat verliert seine wichtigsten "Sprachrohre".
    Auch die Redakteure und Journalisten müssen um ihren Einfluss auf ihre Konsumenten bangen.
    Also weder der Staat noch die Medien können ein echtes Interesse daran haben das die Nutzer die Medienprodukte selber aussuchen.

  11. 1.

    Linkes Politiktheater, was sich freiwillig kaum ein Jugendlicher ansehen wird. Zum Glück für die Macher, gibt es ja die Pflichtbesuche von Schulklassen.

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