Interview | Sopranist Bruno de Sá - "Ich kann mich gut mit Don Elviros gebrochenem Herzen identifizieren"

Sa. 26.04.25 | 14:44 Uhr
Bruno de Sa (als Don Elviro) und Varvara Shmykova (als Donna Barbara), v.l., während der Fotoprobe für Don Giovanni Requiem in der Komischen Oper (Quelle: imago images)
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In der Komischen Oper Berlin wird Donna Elvira in Mozarts "Don Giovanni" erstmals zur Männerrolle – gesungen vom brasilianischen Sopranisten Bruno de Sá. Im Interview spricht er über das emotionale Drama der Figur - und seine außergewöhnliche Stimme.

Unter der Regie von Kirill Serebrennikow wird "Don Giovanni/Requiem" ab dem 27. April an der Komischen Oper Berlin aufgeführt. Die Oper folgt dem Leben des verführerischen Don Giovanni, der mit seinem rücksichtslosen Charme zahlreiche Menschen in den Abgrund stürzt, bis er schließlich seinem eigenen Tod ins Auge blicken muss. In Serebrennikows Interpretation wird die Rolle der Donna Elvira, die von Don Giovanni verführt wird, erstmals zur männlichen Rolle Don Elviro. Der brasilianische Sopranist Bruno de Sá singt Don Elviro.

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Sopranist Bruno de Sa im Schillertheater (Quelle: imago images)
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Bruno de Sá

Der brasilianische Sopranist trat bereits während seines Studiums als Sopransolist in Bachs Passionen am Teatro Amazonas in Manaus auf. Nach Engagements in São Paulo und dem Gewinn des ersten Preises bei der Maria Callas Competition 2016, wurde er Mitglied des Opernstudios Basel. Er gastierte unter anderem am Theater an der Wien und debütierte beim Drottningholm-Festival. Aktuell ist er unter der Regie von Kirill Serebrennikow als Don Elviro in "Don Giovanni" an der Komischen Oper Berlin zu sehen.

rbb: Bruno de Sá, wie fühlt sich Ihr Debüt als Don Elviro an?

Bruno de Sá: Im Moment gibt es viele Debüts für mich. Ich singe zum ersten Mal in Berlin – obwohl ich seit 2020 hier lebe – und zum ersten Mal am Schillertheater. Ich arbeite zum ersten Mal mit Kirill Serebrennikov zusammen und stehe auch zum ersten Mal in "Don Giovanni" auf der Bühne. In dieser Inszenierung haben wir das Geschlecht von Donna Elvira geändert. Don Giovanni ist nicht nur ein Womanizer, sondern führt auch eine Beziehung zu einem Mann. Das verleiht dem Drama eine weitere Ebene der Intensität und der Menschlichkeit.

Don Elviro ist die einzige Person in der Geschichte, die eine Verbindung zwischen Don Giovannis Vergangenheit und Gegenwart herstellt. Er ist der Einzige, der die Wahrheit über ihn kennt – und der alle Pläne von Don Giovanni und Leporello durchkreuzen kann. Es mag für einige Menschen zu avantgardistisch klingen, aber wir verändern Mozarts Geschichte nicht. Das Drama bleibt gleich, wir ändern nur das Geschlecht der Figur, ich singe aber in derselben Tonart wie die Frauen. Zum ersten Mal in der Geschichte von "Don Giovanni" wird Donna Elvira von einem Mann gesungen. Deshalb bin ich aufgeregt und ziemlich nervös.

Ist es darum eine besondere Herausforderung, diese Rolle zu singen?

Es ist immer eine besondere stimmliche Herausforderung – unabhängig von der Rolle selbst. Ich kann mich gut mit Don Elviros gebrochenem Herzen identifizieren. Ich kann die Zerrissenheit seiner Gefühle nachempfinden. Ich habe versucht, all dies in Mozarts Musik wiederzufinden. Es gibt viele Momente mit gigantischen Tonsprüngen. Das drückt die Wut aus, all die emotionalen Schichten Don Elviros. Es ist eine sehr komplexe Rolle. Eine weitere Sache, die wir bedenken müssen: Die Gesellschaft in Mozarts Oper ist in Klassen eingeteilt. Don Elviro, Donna Anna, Don Giovanni – sie alle gehören zur Aristokratie. Die Art, wie diese Klasse Emotionen ausdrückt, unterscheidet sich beispielsweise stark von der Dienerschaft. Manchmal wird Don Elviro aber ziemlich vulgär. Ich persönlich mag diesen Ansatz nicht, denn er ist immer noch ein "Don".

Sie singen Sopran, das ist für Männer ungewöhnlich. Warum nennt man Ihre Stimme nicht Countertenor, wie sonst üblich?

Countertenöre sind entweder Tenöre oder Baritone, die mithilfe ihrer Kopfstimme die hohen Töne erreichen. Es ist eine Technik, so zu singen. Ich bin kein Tenor oder Bariton, weil sich meine Stimme in der Pubertät nicht verändert hat. Man kann mich also nicht als Countertenor bezeichnen, weil die Anatomie meiner Stimme anders ist. Wenn wir mein Passagio analysieren – ein System, das wir zur Klassifizierung unserer Stimmen verwenden – liege ich genau im Bereich vom Sopran.

Was für eine Figur ist Don Elviro? Ein hoffnungsloser Romantiker ist er wohl nicht?

Am Ende des Dramas fleht Don Elviro darum, ein anderes, ein besseres Leben führen zu dürfen. Aber gleichzeitig weiß er, dass es hoffnungslos ist. Und in der großen Arie durchlebt er noch einmal seine Vergangenheit mit Don Giovanni. Er fühlt sich verraten, aber er liebt ihn immer noch. Zu Beginn des zweiten Aktes, als sich Leporello als Don Giovanni ausgibt, fragt sich Don Elviro ernsthaft: "Soll ich bleiben oder soll ich gehen?". Ich sehe ihn also nicht als Opfer, er ist jemand, der seine Gefühle auslebt und kämpft. Aber die Realität ist sehr grausam.

Hubert Zapior (als Don Giovanni) und Bruno de Sa (als Don Elviro), v.l., während der Fotoprobe für Don Giovanni Requiem in der Komischen Oper (Quelle: imago images)Komische Oper Berlin: Hubert Zapior (li) als Don Giovanni und Bruno de Sá (re) als Don Elviro

Was halten Sie von Don Giovanni selbst? Er ist egoistisch und folgt jedem seiner Triebe. Ist er ein Narr?

Ich denke, wir müssen jede Figur als Mensch betrachten. Selbst in der magischen Welt von Mozarts "Zauberflöte" geht es um Menschen und ihre Gefühle. Das gilt auch für alle anderen Opern. Es ist leicht, die Figuren in "Gute" und "Böse" einzuteilen. Doch auch Don Giovanni ist ein Mensch, er kämpft - aber er trifft auch viele egoistische Entscheidungen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Bruno de Sá führte Steffen Prell für rbbKultur - das Magazin. Redaktionelle Bearbeitung der Online-Version: Alexandra Steinberg.

Sendung: rbbKultur – das Magazin, 26.04.2025, 18:30 Uhr

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