Kultur-Sparpläne in Berlin - Mitarbeiter der landeseigenen Theater fürchten Privatisierung

Fr 04.04.25 | 11:45 Uhr | Von Nathalie Daiber, Tina Friedrich und Anne Kohlick
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Die Fassade des Maxim Gorki Theaters ist im Abendlicht angeleuchtet (Quelle: dpa/Soeren Stache).
Video: rbb24 Abendschau | 04.04.2024 | Anne Kohlick | Bild: dpa/Soeren Stache

Noch hat Berlin fünf landeseigene Bühnen, doch damit könnte bald Schluss sein. Aktuell wird über eine Neuorganisation gesprochen. Die Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs. Von Nathalie Daiber, Tina Friedrich und Anne Kohlick

An den Berliner landeseigenen Bühnen geht die Angst um. Es geht dabei vor allem um die Volksbühne, das Deutsche Theater, das Maxim-Gorki-Theater und das Theater an der Parkaue. Für diese Bühnen wird derzeit ein Wechsel der Rechtsform diskutiert, wie aus einer E-Mail der Berliner Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson (parteilos) hervorgeht. Die Mail liegt dem rbb vor.

Auf eine rbb-Anfrage zu diesem Schreiben antwortet die Senatskulturverwaltung verhalten. Weder wird die Existenz der E-Mail bestätigt, noch wird sie dementiert. Aktuell laufe der Kulturdialog zwischen Senat und den Theatern, heißt es in der Antwort an das Kulturrecherche-Team und die Redaktion rbb24 Recherche. Die Gespräche dauerten an.

Bühnen als gGmbH oder Stiftung

Adressiert ist die brisante E-Mail von Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson nicht nur an die Leitungen aller vier Schauspielbühnen, die sich noch im Besitz des Landes Berlin befinden. Angeschrieben wurden auch die Chefs des Berliner Ensembles und der Schaubühne, die beide als rechtlich selbstständige gemeinnützige GmbH geführt werden.

Aktuell soll nach Informationen des rbb auch die Überführung der vier landeseigenen Schauspielbühnen in solche gemeinnützige GmbH oder in eine Stiftung diskutiert werden. Auch für das landeseigene Konzerthaus soll ein Wechsel der Rechtsform im Gespräch sein.

Die Fassade des Deutschen Theaters in Berlin ist in Sonnenlicht getaucht (Quelle: dpa/Schoening).
Bild: dpa/Schoening

Zusammenlegung von Werkstätten und Verwaltung

Laut der E-Mail der Kulturstaatssekretärin soll auch geprüft werden, wo für die Theater sogenannte "Shared Services" möglich sind - also Abteilungen zusammengelegt werden könnten.

Denkbar wäre ein Zusammenschluss aller Theaterwerkstätten im bereits bestehenden "Bühnenservice". Er gehört zur Stiftung "Oper in Berlin" und bündelt die Werkstätten der Berliner Opernhäuser und des Staatsballetts.

Auch das Deutsche Theater und das Theater an der Parkaue lassen dort bereits große Teile ihrer Kostüme und Bühnenbilder herstellen. Damit stünde die Existenz der bislang hauseigenen Werkstätten an der Volksbühne und am Maxim Gorki Theater zur Debatte. Auch für Depots, Logistik und die Verwaltung der Theater soll eine Zusammenlegung im Gespräch sein.

Beschäftigte fürchten um ihre Jobs

Was diese Veränderungen konkret für die Theaterbeschäftigten bedeuten würden, ist noch unklar. Eine Beschäftigte, die an einem der landeseigenen Theater arbeitet und die Debatte verfolgt, fürchtet, dass es vor allem darum gehe, die Angestellten "aus den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes" herauszulösen. Die Beschäftigte möchte anonym bleiben, ihre Identität ist dem rbb bekannt. "Ich werde mich wohl daransetzen, Bewerbungen zu schreiben, dabei liebe ich meinen Job beim Theater", sagt sie.

Sie kritisiert, dass bisher noch niemand mit den Personalvertretungen der landeseigenen Theater über die Reformpläne gesprochen habe: "Warum ist die Politik so intransparent? Wann wird mit uns geredet, die wir an den Bühnen arbeiten?"

Schauspieler Lars Eidinger nimmt in einem grünen Ganzkörperkostüm vor dem Brandenburger Tor an einer Demonstration gegen die geplanten Kürzungen im Kulturbereich teil (Quelle: dpa/Markus Lenhardt).
Bild: dpa/Markus Lenhardt

Personalvertretungen außen vor

Bisher sind an den vier landeseigenen Theatern sowie am Konzerthaus rund 1.100 Mitarbeitende nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) beschäftigt. Wie die Gewerkschaft Verdi bestätigt, hat mit deren Personalvertretungen tatsächlich bislang niemand gesprochen. Bezirksleiterin Andrea Kühnemann kritisiert eine mangelhafte "Kommunikation und Transparenz" und befürchtet "betriebsbedingte Kündigungen und sich verschlechternde Arbeitsbedingungen", sollten die Theater aus dem Landeseigentum entlassen werden.

Arbeitsrechtlich gebe es jedoch einige Hürden, Menschen, die bisher nach TV-L beschäftigt sind, einfach aus diesen Verträgen zu entlassen, sagt Arbeitsrechtsanwalt Sebastian Baunack. So müssten bei einem regulären Betriebsübergang die bestehenden Verträge übernommen werden. Andernfalls muss das Berliner Abgeordnetenhaus ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten. "Darin würden dann der Übergang und auch die Übernahme der Beschäftigten geregelt", sagt er. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass Verdi mit dem Senat einen Überleitungstarifvertrag verhandelt.

Opposition erwartet keine Effizienzsteigerung

Die aktuelle Diskussion wird vor dem Hintergrund der drastischen Sparmaßnahmen geführt, die der Senat der Berliner Kulturlandschaft verordnet hat. Auf rbb-Anfrage betont die Senatskulturverwaltung, der Kulturdialog zwischen dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und den Bühnen sei ein "offenes Gesprächsformat, in dem unterschiedlichste Ideen angesprochen werden". Noch gebe es keine Ergebnisse.

Dass ein Wechsel der Rechtsform - weg vom landeseigenen Theaterbetrieb - zu mehr wirtschaftlicher Effizienz führen würde, bezweifelt Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. "Wir kennen in Berlin Bühnen, die nach der Landeshaushaltsordnung organisiert sind. Wir kennen welche, die privatrechtlich organisiert sind. Wir kennen Stiftungen", sagt er. "Sie alle machen einen guten Job." Es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Rechtsform und der Frage der Wirtschaftlichkeit.

Kulturpolitikerin Manuela Schmidt (Linke) kritisiert den Senat dafür, die landeseigenen Bühnen auslagern zu wollen. "Es wäre genau das Gegenteil von einem Kulturverständnis der Teilhabe, das wir in Berlin aufgebaut haben", sagt sie. Niemand von den Landesbeschäftigten an den Theatern könne gezwungen werden, den öffentlichen Dienst zu verlassen. Das sei schon 1993 so gewesen, als Berlin das landeseigene Schillertheater abwickelte. "Wir haben heute noch Mitarbeitende aus dem Schillertheater bei uns, die damals nicht zu freien Bühnen wechseln wollten", sagt Manuela Schmidt.

Immer weniger Theater als öffentliche Eigenbetriebe

Seit dem Beginn der 1990er Jahre hat sich die Anzahl öffentlicher Theater in Deutschland, die privatrechtlich organisiert sind, mehr als verdoppelt: Von 20 Prozent stieg der Anteil auf 45 Prozent im Jahr 2022. Parallel dazu nahm die Zahl der Bühnen ab, die sich in öffentlichem Besitz befinden und von der Kommune oder dem Land in der Rechtsform Regie- oder Eigenbetrieb geführt werden.

Die Umwandlung von Theatern in GmbH hat in Berlin eine unrühmliche Geschichte. Das Metropol, damals ein Operetten-Theater, war 1996 aus dem Landesbesitz an den Sänger René Kollo übergeben worden. Schon im Folgejahr war die GmbH pleite – und die Rechtsform bei Berliner Theatern seitdem mit Insolvenzgefahr konnotiert.

Kurswechsel in der Kulturpolitik

Dass die schwarz-rote Koalition nun wohl wieder über Privatisierungen von Bühnen im großen Stil nachdenkt, bedeutet einen radikalen Kurswechsel in der Kulturpolitik. Der damalige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) strebte 2023 noch eine unmittelbare Trägerschaft des Landes Berlin für das als GmbH geführte Berliner Ensemble an. Dazu kam es jedoch nicht: Die rot-grün-rote Koalition wurde vorher durch die heutige schwarz-rote abgelöst.

In der kommenden Woche soll nach Angaben des Senats bei einem weiteren Termin zwischen den Theaterleitungen und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) besprochen werden, wie es mit den landeseigenen Bühnen weitergehen soll.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Beitrags hatten wir in der Überschrift davon gesprochen, dass Berlin eine Privatisierung von landeseigenen Theatern prüft. Laut einer aktuellen Mitteilung der Senatskulturverwaltung wird eine Privatisierung landeseigener Theater derzeit nicht geprüft. Richtig sei aber, dass mögliche Rechtsformen wie öffentliche Stiftungen im Gespräch seien.

Sendung: rbb24 Abendschau, 04.04.25, 19:30 Uhr

Beitrag von Nathalie Daiber, Tina Friedrich und Anne Kohlick

48 Kommentare

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  1. 48.

    Welches Selbstverständnis hat eine Gesellschaft, die ihre Theater dem MARKT überlässt, statt Investition hier als visionäre Investition in Bildung und Gemeinschaft zu verstehen. Ein großartiges Kinder- und Jugendtheater wie Parkaue zu privatisieren ist widerlich. Soll es irgendwann nur noch belanglose oder dekadent teure Theater geben ?! Es gibt viele Leute, die nicht über ein dickes Portemonnaie verfügen aber einen hohen Anspruch an Bühnenkunst, an inspirierenden, aufwühlenden , nachhaltig bereichernden Theatererlebnissen haben. Zu DDR Zeiten waren Theater für jede/n erschwinglich. Es waren unverzichtbare Orte der Ermutigung, der Subversivität, der geistigen und politischen Ernährung, der Schulung des kritischen Verstandes und der Ermutigung zum Widerstand. Nicht zufällig ging von den Künstlern der Theater der Aufstand in der DDR aus. Hah ! Vielleicht geht es ja genau darum. Ein verdummtes Volk lässt sich leichter führen.

  2. 47.

    Danke für den Kommentar. Er bringt es auf den Punkt. ..."Wer Klasse kreiert braucht keine Subventionen sondern überzeugt durch die Kunst bzw. Kulturproduktion."

  3. 46.

    Die genannten Theater sind immer voll, nur noch nicht so teuer wie London etc.

  4. 45.

    Ja, klar. Gegenvorschlag: Macht zwei überflüssige Theater, nämlich Gorki und Volskbühne dicht. Braucht keiner und was künstlerisch nennenswertes, was über starre Ideologieproduktion hinausginge, passiert dort schon lange nicht mehr. Gebt das "Gorki" der Singakademie zurück.

  5. 44.

    Gesellschaftskritisch geht nur mit Subventionen? Selten so ein Schwachsinn gehört. Wie viele Bands bekommen denn Subventionen für ihre zu meist kritische Musik bzw Texte? Welche großartigen Maler erhielten Subventionen? Wer Klasse kreiert braucht keine Subventionen sondern überzeugt durch die Kunst bzw Kulturproduktion

  6. 42.

    Sie hätten in ihrem Leben vllt. mal ins Theater gehen sollen. Das bildet nämlich und hat schon dem schlichtesten Gemüt auf die Sprünge geholfen.

  7. 41.

    Sehr richtig. Auch ein Restaurant, das nicht voll wird, weil das Essen nicht genug Leuten schmeckt, kann nicht überleben. Gilt auch Kinos mit Filmen, die kaum einer sehen will, für Ärzte, die zu wenigen Menschen helfen, und so weiter.

  8. 40.

    Wenn „Experimentelle Kunst oder Theaterprojekte, die den Saal nicht füllen“ nur dann existieren können, wenn der Steuerzahler zwangsweise zahlt, geht das halt in schlechten Zeiten nicht mehr. Und wenn der Saal nicht gefüllt ist, fehlt das Angebot ja nicht so vielen.

  9. 39.

    Wenn sich diese Dinger nicht rechnen ?! Ballast in diesen Zeiten. Wer ausufernden Sozialstaat will muss halt bei Kultur sparen. Die sog. Kultur interessiert halt nur zu wenig zahlende Minderheiten.

  10. 38.

    Wozu subventioniert ein Land Theater mit Zig-Millionen? Alle Subventionierungen bitte streichen!

  11. 37.

    Wenn soviele Touristen extra wegen der Kultur nach Berlin kommen, sollte es diesen doch nicht schwer fallen, zukünftig ein paar Euro mehr für den Eintritt auszugeben.
    Warum sollen die Bewohner Berlins, diesen die Tickets subventionieren.

  12. 36.

    Eine Kommerzialisierung von Kultur ist ohne Ticketpreissprünge und Zensur schwer vorstellbar.

  13. 35.

    Endlich mal jemand, der es versteht und auch ausspricht. Kultur ist (über den Tourismus) wesentlicher Wirtschaftsfaktor für Berlin. Jede Großstadt kann nur durch Leistungen wirtschaftlich überleben, die Kapital von außen anziehen - Handwerk, Handel etc. können auf Dauer nicht bestehen, wenn sie nur den Bedarf der eigenen Einwohner "verwalten". Dieser Kapitalfluss entsteht entweder durch überregional bedeutendes produzierendes Gewerbe - in Berlin kaum noch vorhanden - oder aber den überregionalen Dienstleistungssektor, was den Tourismus als wesentlichen Faktor einschließt. Der Stammtisch würde sich ziemlich wundern, wie schnell ihre gelobte und geliebte "Wirtschaftsmacht von nebenan" pleite wäre, wenn die Kultur - sowohl die Populärkultur in Form des vielgeschmähten "Partyvolks" als auch die ach so "elitäre" Hochkultur - nicht das Geld von außen in die Stadt ziehen würde.

  14. 34.

    >"Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass sich unser Kultursenator garnicht für die Berliner Kulturbetriebe interessiert?"
    Öffentlich-rechtliche Kultur muss ja auch finanziert werden. Dass darüber nachgedacht wird, z.B. Werkstätten zusammenzulegen ist per se ja nicht kritikwürdig. Es kommt immer auf die Umsetzung an. Wenn z.B. der Abbau der Mitarbeiter über die normale Rentenfluktuation dann ohne Neubesetzung erfolgt, ist dies verträglich.

  15. 33.

    Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass sich unser Kultursenator garnicht für die Berliner Kulturbetriebe interessiert?

  16. 32.

    Eine Idee für den Kultursenator. Die Deutsche Oper in Westberlin an die UdK abgeben ( Hörsaal etc. ) und die Ausstellungen vom Gropius Bau dahin verlagern. Passt besser in einen Altneubau.

    Mann kann die Oper ja dann evtl. in Haus der jungen Talente umbennen.

  17. 31.

    >"Wie funktioniert dann die Bezuschussung bei einer gGmbH?"
    Die Führung von Kulturstätten in landeseigenen oder kommunalen gGmbHs ist nicht ungewöhnlich. Das gibt es sehr oft in Deutschland in Städten. Die Kommunen sind dabei immer Mehrheitsgesellschafter oder zu 100% Gesellschafter.
    Die Finanzierung läuft ganz normal über die Erträge und auch durch Spenden oder Zuschüsse aus öffentlichen Geldern. Meist sind dann alle Kulturstätten einer Kommune in einer gGmbH vereint mit nur einer geschäftlichen Leitung für alle. Die künstlerische Leitung gibts an den jeweiligen Häusern dann immer noch jeweils einzeln.
    Die Überführung dieser Häuser in eine gemeinnützige GmbH mit Steuervorteilen ist so gesehen keine reine 100% "Kapitalisierung" dieser Theater mit ihrer künstlerischen Arbeit.

  18. 30.

    Der private Musikschulunterricht wäre für den Normalbürger viel zu teuer, weil er dann nur durch Gebühren finanziert wird. Bei den heutigen Honoraren von Musikschullehrern müsste der Musikschüler ca. 120 Euro im Monat an Gebühren zahlen. Zur Zeit zahlt man in Berlin für subventionierten Musikschulunterricht ca. 60 Euro im Monat. Hinzu kommen noch die Betriebskosten der Musikschule für Verwaltung und Gebäudekosten (Miete, Heizung etc.). Musikschulen sollten deshalb öffentlich bleiben. Der Bildungsauftrag ist ja auch gesetzlich festgeschrieben.

  19. 29.

    Der Martin-Gropius-Bau war mal eines meiner Lieblingsmuseum, jetzt sind da nur noch langweilige Ausstellungen die mich nicht interessieren. Die hätte man auch in einen postmodernen Bau packen können. Nicht in so ein schönes altes Gebäude. Kunst des 21Jahrhunderts ist i.d.Regel langweilig.

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