Konzert | Σtella im Lido - Erst Träumen, dann Tanzen

Di 08.04.25 | 09:10 Uhr | Von Jakob Bauer
Archivbild: Lido, Tanz und Nachtclub in Berlin am 01.04.2024. (Quelle: IMAGO/Jürgen Held)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.04.2025 | Jakob Bauer | Bild: IMAGO/Jürgen Held

Die Griechin Σtella vermischt griechische Folklore mit verträumtem Indie-Pop. Lange war sie ein Geheimtipp, am Montagabend hat Σtella aber das Berliner Lido ausverkauft. Jakob Bauer hat ein dezent inszeniertes Konzert mit starker Sogwirkung erlebt.

Unscheinbar kommt Σtella auf die Bühne. In einem weiten Hemd, mit nur leichtem Gruß und verschüchtertem Lächeln stellt sie sich ans Mikrofon, während um sie herum schon am Klang gestrickt wird. Der Gitarrist zupft zart, aber eindringlich eine unkonventionelle, hallige Melodie. Und Σtella fügt sich, so unauffällig wie sie auf die Bühne gekommen ist, mit ihrer Stimme in diesen Klang ein.

Von Ziegen geweckt

Der große Auftritt ist ihres also offensichtlich nicht. Das passt auch zu ihrer Biografie. In einem ländlichen Vorort von Athen wächst Σtella auf, mit Ziegen, die sie morgens freundlich Wecken. Ein Stückchen griechische Romantik, ein idyllisches Fleckchen Erde, das sie prägt – und das auch in ihrer Kunst Spuren hinterlassen hat. Denn auch wenn Σtella als junge Frau ins pralle Leben nach Athen zieht, in ihrer Musik ist immer dieses verträumte, weitschweifende zu hören.

Und so lässt sich auch dieses Konzert sehr entspannt an, alles ist dezent: die kleinen Melodien, die Σtella mit ihrer zwar klaren, aber auch sanft seufzenden Stimme umgarnt, die Keyboard-Tupfer, das Schlagzeug-Streicheln, die kleinen Gitarren-Akzente, die sehr kurzen Songs. Σtella selbst, wie sie leicht tänzelt und die Percussions, die schonmal klingen wie Muschelschalen, die man aus dem Meer aufgesammelt hat und aus denen noch das Wasser herausläuft.

Klage-Ballade und griechische Grooves

So weit, so angenehm, so unspektakulär – aber auch: so geschickt arrangiert. Denn gerade, als man es sich unter der warmen Klangdecke bequem gemacht hat und alle im Lido vor sich hinwabern, fangen Σtella und ihre Band an, den psychedelischen Elementen mehr Raum zu geben. Alles wird hypnotischer, dringlicher. Das Keyboard wechselt in den Orgelmodus und auch Σtella scheint selbst mehr in die Musik einzutauchen, bewegt sich mehr, lässt sich fallen.

Σtella und Band öffnen ab hier den Klangraum, es wird plötzlich auch mal funky und vor allem wird es folkloristischer. Die griechische Herkunft der Gruppe ist jetzt offensichtlich, der Rhythmus tanzt gegen den Strich, der Gitarrist spielt orientalisch angehauchte Skalen, wahrscheinlich hat er ein Effektgerät, das macht, dass seine Gitarre nicht mehr nach klassisch westlicher Stimmung klingt. Der Keyboarder ahmt Flöten und Lauten nach. Es sind die Einflüsse der griechischen Popmusik der 60er und 70er, die Σtella geprägt haben, die man hier hört. Eine mediterran-schwüle Atmosphäre breitet sich im Lido aus, als Σtella eine Art Klage-Ballade singt, wie sie in einer heißen Sommernacht aus einer entfernten Bar dringen könnte.

Die großartige Band legt die Zurückhaltung endgültig ab. Es wird immer rauschafter, Musik und Band und Publikum drängen nach vorne. Auch Σtella nutzt jetzt die ganze Bühne aus, aus dem dezenten Lächeln ist ein fettes Grinsen geworden, als sich das Publikum des griechischen Grooves hingibt.

Elegant verschwitzt

Mit dieser Mischung aus verträumten Panoramen, psychedelischen Vibes und dann mediterranen, atemlos-schwitzigen Klängen entwickeln Σtella und Band an diesem Abend ganz elegant und ohne großes Aufheben einen intensiven Sog, ohne es jemals zu übertreiben und in Exotik-Kitsch abzudriften. Dafür ist diese Musik zu vielschichtig und feingliedrig gebaut und es flirrt und flimmert freudig in einem, wenn man nach – dezenten – 70 Minuten Konzert das Lido verlässt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.04.2025, 06:55 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

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