Arbeitsbedingungen am Set - Viel Arbeit und wenig Geld statt Film-Glamour

Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises zeigt sich die Branche von ihrer glamourösen Seite. Die Realität bei den Drehs sieht aber ganz anders aus. Die Forderungen nach fairen Produktionsbedingungen werden immer lauter. Von L. Babst, F. Czycykowski und N. Daiber
"Es war immer schon eine große Diskrepanz zwischen dem Traumberuf Schauspieler und der Wirklichkeit. Ich sage deswegen auch immer scherzhaft, das ist der schönste Beruf der Welt, den man halt nicht weiterempfehlen kann.” Das sagt Heinrich Schafmeister – der bekannte Schauspieler ist mittlerweile 67 Jahre alt. 1984 drehte er seinen ersten Film unter der Regie von Dominik Graf.
Das Problem: Es sind nur einige wenige so gut im Geschäft wie Karoline Herfurth oder Matthias Schweighöfer. Nach Angaben der Schauspieler:innengewerkschaft BFFS verdienen 63 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten professionellen Schauspieler höchstens 25.000 Euro brutto im Jahr – auch weil die wenigsten durchgehend Arbeit haben.
Schauspieler:innen sind zwar abhängig beschäftigt, aber eben nur für kurze Zeit, und sozialversichert werden oft nur die Drehtage, Probenzeiten etc. nicht. Und dann sind sie im Schnitt auch wieder wochenlang arbeitslos.
Bei einer Vorabendserie wie zum Beispiel einer "Soko" sind das für einen Schauspieler, der in der Episode eine Hauptrolle spielt, gerade mal drei Drehtage, und so droht die Altersarmut, weil zu wenig in die Rentenkasse eingezahlt wurde.
Altersarmut trotz großer Erfolge
Bekanntestes Beispiel ist Heinz Hönig, bekannt geworden durch "Das Boot”. Seine Familie hatte im vergangenen Jahr einen Spendenaufruf gestartet, weil der schwerkranke Schauspieler im Alter wegen fehlender Aufträge nicht mehr versichert war.
Auch Horst Janson, der unter anderem in der Sesamstraße spielte, musste im Alter Privatinsolvenz anmelden. "Ich bin die Ausnahme von der Regel" sagt Heinrich Schafmeister. Weil er sich schon vor seiner Gewerkschaftstätigkeit "ein wenig" auskannte, hat er darauf geachtet, für die gesamte Beschäftigungszeit sozialversichert zu werden und nicht nur für die wenigen Drehtage. Erst seit 2006 gibt es die BFFS, also die Gewerkschaft der Schauspieler:innen, und seit 2014 einen Tarifvertrag, der die Mindestgagen festlegt. Zurzeit sind das 1.050 Euro pro Drehtag – Reisekosten und Vorbereitung inklusive.
50-Stunden-Woche für alle am Set
Am Set arbeiten auch noch viele andere: Aufnahmeleiter, Regieassistenten, Maskenbildner etc. Tariflich festgelegt sind dabei 50 Arbeitsstunden pro Woche - Überstunden nicht eingerechnet.
Viel Arbeit für wenig Geld ist die Regel: Auftraggeber kalkulieren auf Basis tariflicher Mindestgagen. Hat eine Produktion ein Budget von weniger als 1,4 Millionen Euro zur Verfügung, bekommt ein erster Regieassistent in diesem Jahr bei 50-Stunden eine Mindestgage von 1.592 Euro.

Auch Regieassistent Stefan Nickel kennt diese Strukturen. Seit mehr als 13 Jahren arbeitet er an den Sets von "Berlin Tag und Nacht" und dem "Polizeiruf". Er sagt, das seien zwar eigentlich Einstiegsgagen, aber nur mit diesen Gagen werde kalkuliert. "Dann bedeutet das in der Konsequenz, dass langjährige Fachkräfte mit einem hohen Grad an Erfahrung, mit besonderen Kompetenzen oder Kenntnissen oder nach hoher Ressourcenverantwortung auf dieser Basis genauso bezahlt werden würden wie Berufsanfänger."
Geniekult befeuert Machtmissbrauch
Gleichzeitig ist der Erfolgsdruck hoch – die Budgets aber knapp kalkuliert. Das befeuert noch den Geniekult um Superstars, die sich als wirtschaftliche Zugpferde so gut wie alles erlauben können. Berühmtestes Beispiel: Til Schweiger. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten im "Spiegel" anonym ihre Erfahrungen mit Schweiger am Set zu "Manta, Manta, zwoter Teil" geschildert. Es ging um Alkohol, Gewalt, Beschimpfungen und Machtmissbrauch.

Judith Frahm hat mit ihrer Schwester Sarah und Timo Ackermann das Start up "Frahm Sisters Production" gegründet: Ihr Ziel: Filme machen – aber fair. "Was wir sehen, ist, dass Hierarchien sehr oft mit sozialem Status gekoppelt sind." Und das gelte häufig für die Regiebesetzung: "Das heißt dann, wenn eine Regie einfach ganz oben in der Hierarchie steht und die Wertigkeit dieser Person am höchsten ist, dann wirkt sich das natürlich auch auf Kommunikation und Verhaltensweisen aus und auf ein Selbstverständnis, wer darf sich eigentlich was erlauben, wie zu sprechen und mit anderen Leuten wie umzugehen.” Frahm-Sisters Production will jetzt erstmal ein Regelwerk für faire Filmproduktionen erarbeiten.
Auch Regieassistent Stefan Nickel kennt diese Strukturen und hat erlebt, wie sich problematische Verhältnisse halten konnten. Emotionale Ausbrüche würden durch den "Heiligenschein des Virtuosen und kreativen Ausnahmekünstlers" gerechtfertigt und durch "immensen ökonomischen Druck und Zeitdruck" entstehe eine Überlastung, und das müssten die Beteiligten eben einfach aushalten.

Mehr Respekt am Set
Immerhin hat sich die Branche seit dem Skandal um Til Schweiger einen "Respect-Code” gegeben, eine Vereinbarung für mehr Respekt am Set.
Wie es anders geht, zeigt Produzentin Ursula Pfriem. Ihr Film "Für immer Freibad" wurde mit dem Fair Film Award für sozial nachhaltige Arbeitsbedingungen ausgezeichnet. Ihre Erfahrung, sagt sie, ist, dass faire Arbeitsbedingungen nicht teurer sein müssen. Im Gegenteil: "Durch alles, was wir als faires Arbeiten empfunden haben, haben wir eher Zeit und damit ja auch Geld gespart." Das habe einen Freiraum geschaffen beim Dreh.

Die Regisseurin des Films, Laura Fischer, sagt, sie habe die Drehs so gut vorbereitet, dass es eben nicht zu viel zu langen Arbeitstagen und Stress gekommen sei und am Ende auch nicht alle übermüdet und abgekämpft waren - für Produzentin Ursula Pfriem also am Ende eine Win-Win Situation.

Fischer begreift ihre Rolle auch als Teamplayerin: "Im Endeffekt lasse ich mein ganzes Team sehr viel mitreden und mitsprechen und auch mitentscheiden. Und dadurch ist es natürlich ein viel besseres Teamgefüge." Drehs ohne Überstunden bedeuten für sie auch nicht, dass ihr Film qualitativ leide: "Wenn wir wirklich große Kunst machen und eine Vision haben, ist es auch möglich, dass wir am nächsten Tag an dieser Kunst weiterarbeiten."

Sendung: Radio3, 09.05.2025, 17:40 Uhr