Arbeitsbedingungen am Set - Viel Arbeit und wenig Geld statt Film-Glamour

Fr. 09.05.25 | 06:27 Uhr | Von Luis Babst, Felina Czycykowski und Nathalie Daiber
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Symbolbild: Cast und Crew arbeiten an einem Filmset in Berlin. (Quelle: dpa/Fischer)
Audio: Radio 3 | 09.05.2025 | Nathalie Daiber | Bild: dpa/Fischer

Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises zeigt sich die Branche von ihrer glamourösen Seite. Die Realität bei den Drehs sieht aber ganz anders aus. Die Forderungen nach fairen Produktionsbedingungen werden immer lauter. Von L. Babst, F. Czycykowski und N. Daiber

"Es war immer schon eine große Diskrepanz zwischen dem Traumberuf Schauspieler und der Wirklichkeit. Ich sage deswegen auch immer scherzhaft, das ist der schönste Beruf der Welt, den man halt nicht weiterempfehlen kann.” Das sagt Heinrich Schafmeister – der bekannte Schauspieler ist mittlerweile 67 Jahre alt. 1984 drehte er seinen ersten Film unter der Regie von Dominik Graf.

Das ist der schönste Beruf der Welt, den man halt nicht weiterempfehlen kann.

Heinrich Schafmeister, Schauspieler und Gewerkschafter

Das Problem: Es sind nur einige wenige so gut im Geschäft wie Karoline Herfurth oder Matthias Schweighöfer. Nach Angaben der Schauspieler:innengewerkschaft BFFS verdienen 63 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten professionellen Schauspieler höchstens 25.000 Euro brutto im Jahr – auch weil die wenigsten durchgehend Arbeit haben.

Schauspieler:innen sind zwar abhängig beschäftigt, aber eben nur für kurze Zeit, und sozialversichert werden oft nur die Drehtage, Probenzeiten etc. nicht. Und dann sind sie im Schnitt auch wieder wochenlang arbeitslos.

Bei einer Vorabendserie wie zum Beispiel einer "Soko" sind das für einen Schauspieler, der in der Episode eine Hauptrolle spielt, gerade mal drei Drehtage, und so droht die Altersarmut, weil zu wenig in die Rentenkasse eingezahlt wurde.

Altersarmut trotz großer Erfolge

Bekanntestes Beispiel ist Heinz Hönig, bekannt geworden durch "Das Boot”. Seine Familie hatte im vergangenen Jahr einen Spendenaufruf gestartet, weil der schwerkranke Schauspieler im Alter wegen fehlender Aufträge nicht mehr versichert war.

Auch Horst Janson, der unter anderem in der Sesamstraße spielte, musste im Alter Privatinsolvenz anmelden. "Ich bin die Ausnahme von der Regel" sagt Heinrich Schafmeister. Weil er sich schon vor seiner Gewerkschaftstätigkeit "ein wenig" auskannte, hat er darauf geachtet, für die gesamte Beschäftigungszeit sozialversichert zu werden und nicht nur für die wenigen Drehtage. Erst seit 2006 gibt es die BFFS, also die Gewerkschaft der Schauspieler:innen, und seit 2014 einen Tarifvertrag, der die Mindestgagen festlegt. Zurzeit sind das 1.050 Euro pro Drehtag – Reisekosten und Vorbereitung inklusive.

50-Stunden-Woche für alle am Set

Am Set arbeiten auch noch viele andere: Aufnahmeleiter, Regieassistenten, Maskenbildner etc. Tariflich festgelegt sind dabei 50 Arbeitsstunden pro Woche - Überstunden nicht eingerechnet.

Viel Arbeit für wenig Geld ist die Regel: Auftraggeber kalkulieren auf Basis tariflicher Mindestgagen. Hat eine Produktion ein Budget von weniger als 1,4 Millionen Euro zur Verfügung, bekommt ein erster Regieassistent in diesem Jahr bei 50-Stunden eine Mindestgage von 1.592 Euro.

Stefan Nickel. (Quelle: privat)Stefan Nickel (Quelle: privat)

Auch Regieassistent Stefan Nickel kennt diese Strukturen. Seit mehr als 13 Jahren arbeitet er an den Sets von "Berlin Tag und Nacht" und dem "Polizeiruf". Er sagt, das seien zwar eigentlich Einstiegsgagen, aber nur mit diesen Gagen werde kalkuliert. "Dann bedeutet das in der Konsequenz, dass langjährige Fachkräfte mit einem hohen Grad an Erfahrung, mit besonderen Kompetenzen oder Kenntnissen oder nach hoher Ressourcenverantwortung auf dieser Basis genauso bezahlt werden würden wie Berufsanfänger."

Geniekult befeuert Machtmissbrauch

Gleichzeitig ist der Erfolgsdruck hoch – die Budgets aber knapp kalkuliert. Das befeuert noch den Geniekult um Superstars, die sich als wirtschaftliche Zugpferde so gut wie alles erlauben können. Berühmtestes Beispiel: Til Schweiger. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten im "Spiegel" anonym ihre Erfahrungen mit Schweiger am Set zu "Manta, Manta, zwoter Teil" geschildert. Es ging um Alkohol, Gewalt, Beschimpfungen und Machtmissbrauch.

Judith Frahm. (Quelle: privat)
Judith Frahm | Bild: privat

Judith Frahm hat mit ihrer Schwester Sarah und Timo Ackermann das Start up "Frahm Sisters Production" gegründet: Ihr Ziel: Filme machen – aber fair. "Was wir sehen, ist, dass Hierarchien sehr oft mit sozialem Status gekoppelt sind." Und das gelte häufig für die Regiebesetzung: "Das heißt dann, wenn eine Regie einfach ganz oben in der Hierarchie steht und die Wertigkeit dieser Person am höchsten ist, dann wirkt sich das natürlich auch auf Kommunikation und Verhaltensweisen aus und auf ein Selbstverständnis, wer darf sich eigentlich was erlauben, wie zu sprechen und mit anderen Leuten wie umzugehen.” Frahm-Sisters Production will jetzt erstmal ein Regelwerk für faire Filmproduktionen erarbeiten.

Was wir sehen, ist, dass Hierarchien sehr oft mit sozialem Status gekoppelt sind.

Judith Frahm, Produzentin und Unternehmerin

Auch Regieassistent Stefan Nickel kennt diese Strukturen und hat erlebt, wie sich problematische Verhältnisse halten konnten. Emotionale Ausbrüche würden durch den "Heiligenschein des Virtuosen und kreativen Ausnahmekünstlers" gerechtfertigt und durch "immensen ökonomischen Druck und Zeitdruck" entstehe eine Überlastung, und das müssten die Beteiligten eben einfach aushalten.

Ursula Pfriem. (Quelle: privat)
Ursula Pfriem | Bild: privat

Mehr Respekt am Set

Immerhin hat sich die Branche seit dem Skandal um Til Schweiger einen "Respect-Code” gegeben, eine Vereinbarung für mehr Respekt am Set.

Wie es anders geht, zeigt Produzentin Ursula Pfriem. Ihr Film "Für immer Freibad" wurde mit dem Fair Film Award für sozial nachhaltige Arbeitsbedingungen ausgezeichnet. Ihre Erfahrung, sagt sie, ist, dass faire Arbeitsbedingungen nicht teurer sein müssen. Im Gegenteil: "Durch alles, was wir als faires Arbeiten empfunden haben, haben wir eher Zeit und damit ja auch Geld gespart." Das habe einen Freiraum geschaffen beim Dreh.

Zwei Darstellende sitzen am Boden neben einem Schwimmbecken an einem Filmset (Quelle: ZDF/Goodfriends Filmproduktion/Britta Krehl).
| Bild: ZDF/Goodfriends Filmproduktion/Britta Krehl

Die Regisseurin des Films, Laura Fischer, sagt, sie habe die Drehs so gut vorbereitet, dass es eben nicht zu viel zu langen Arbeitstagen und Stress gekommen sei und am Ende auch nicht alle übermüdet und abgekämpft waren - für Produzentin Ursula Pfriem also am Ende eine Win-Win Situation.

Laura Fischer. (Quelle: paulschirmhofer)
Laura Fischer | Bild: paulschirmhofer

Fischer begreift ihre Rolle auch als Teamplayerin: "Im Endeffekt lasse ich mein ganzes Team sehr viel mitreden und mitsprechen und auch mitentscheiden. Und dadurch ist es natürlich ein viel besseres Teamgefüge." Drehs ohne Überstunden bedeuten für sie auch nicht, dass ihr Film qualitativ leide: "Wenn wir wirklich große Kunst machen und eine Vision haben, ist es auch möglich, dass wir am nächsten Tag an dieser Kunst weiterarbeiten."

Mehrere Menschen stehen an einem Filmset hinter einem Bildschirm in einem Schwimmbad (Quelle: ZDF/Goodfriends Filmproduktion/Britta Krehl)
| Bild: ZDF/Goodfriends Filmproduktion/Britta Krehl

Sendung: Radio3, 09.05.2025, 17:40 Uhr

Beitrag von Luis Babst, Felina Czycykowski und Nathalie Daiber

10 Kommentare

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  1. 10.

    Nicht immer.
    4 Stunden werden mit 45€ honoriert. Manchmal gibt's nicht einmal heißes Wasser für selbst mitgebrachten Tee.
    3 Auswahlgarderoben, umziehen, selbst reinigen etc
    Dreh von morgens um 8 bis weit nach Mitternacht.
    Die 45€ werden mit Steuerklasse 6 versteuert.
    Für den rbb war ich z.B. bei Polizeiruf 110 tätig. Pauschale Vergütung und ein paar Snacks, die das Finanzamt als geldwerten Vorteil versteuert.
    Amerikanische Produktionen haben da mehr zu bieten. Netflix, zahlt auch Ausfalltage. Beim Apple habe ich monatelang mit der Produktion um die Pauschale gekämpft. Die Agentur war dann behilflich.
    Privatsender zahlen ebenfalls nur 45€.
    Insgesamt wird der Extra nicht reich und muß kräftig mit dem Fiskus streiten.

  2. 9.

    Ich finde es immer schwierig, übermässiges Verständnis aufzubringen, für Menschen, die ihren "Traumberuf" ausüben, und sich dann über die Bedingungen beschweren. Es ist ja nun,-gerade heutzutage- nicht so, das die Bedingungen und Konditionen vorher unbekannt sind... Es sei denn, man wählt dumm-naiv einen/diesen Job. Fair zu Arbeiten und zu Verdienen, heisst ja nicht zwingend, gut und besser davon leben zu können.
    Selbst, wenn die Sätze pro Drehtag doppelt so hoch wären, wäre das oft aufs Jahr gerechnet, zu wenig sein. Das ist in der Regel nun mal, für die Meisten, kein geregelter Fulltime-Job. Von einigen wenigen Protagonisten mal abgesehen. Also Augen auf bei der Berufswahl- vorher!
    Und mal ehrlich - wenn ich mir die hier auch erwähnten Vorabendprogramme mal anschaue, was da an "Schauspielkunst" so geboten wird... Finde ich die aktuellen Tagessätze noch mehr als Fair. Wer von Großem träumt, sollte auch Großes leisten können. In der Branche nun mal der Sechser im Lotto. Thats life..

  3. 8.

    „Minderleister“ gibt es. Diese arbeiten übers Jahr weniger, deutlich weniger als 40 Stunden pro Woche. Rentenpunkte fehlen dann!

    P.S. Das richtige Deutsch verbindet und spaltet nicht. Das ist wohl so...

  4. 5.

    Und dazu solch Personen wie Gottschalk, Jauch, Jänike, teils mit Anwesen in Übersee, zum Vergleich - ganz toll!!!

  5. 4.

    Vor 25 Jahren wollte ich eigentlich auch "was mit Medien" machen. Hat aber nicht geklappt. Und wenn ich sowas lese, denke ich nur: Zum Glück ...

  6. 3.

    So etwas gibt es nicht. Sprache muss verständigen statt spalten. Das richtige Deutsch macht genau das.
    Nun zu der drohenden Altersarmut. Gut das darauf hingewiesen wird und nicht die Forderung das auszugleichen an die Einzahlenden weitergereicht wurde. Rentenpunkte sammeln ist eine Eigenverantwortung und nicht spießig. Auch wenn für manche (Minderleister) dies ein Reizwort ist.

  7. 2.

    Die gehen dort aber freiwillig hin und dürften eigentlich wissen auf was sie sich einlassen.

  8. 1.

    Sie können ja mal einen Bericht über die Rahmenbedingungen der Komparsen bei den Drehs machen, Arbeitsdauer, Bezahlung, Verpflegung etc.

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