Vorschau | 70. Internationale Filmfestspiele - Was könnte uns die Berlinale 2020 bringen?

Mi 01.01.20 | 10:03 Uhr | Von Ula Brunner
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Was uns die Berlinale 2020 bringen könnte (Quelle: rbb|24)
Bild: rbb|24

Ab dem 20. Februar herrscht der Berlinale-Bär über den Potsdamer Platz. Das Hauptstadtleben konzentriert sich gefühlt am roten Teppich und im Kinosessel. Noch schweben einige Fragezeichen über dem Traditions-Event. Von Ula Brunner

Ein wenig klarer ist der Blick auf die 70. Berlinale schon geworden: Einige Filme aus den Nebensektionen Generation oder Panorama wurden bereits verraten. Und die britische Oscar-Preisträgerin Helen Mirren wird über den Teppich schreiten, denn ihr sind die Hommage und der Ehrenbär gewidmet. Doch rund um die nächste Berlinale ist noch vieles offen. Auch das diesjährige Wettbewerbs-Programm bleibt vorerst ein Geheimnis. Anders als in der Kosslick-Ära, will die neue Leitung erst bei der großen Programmkonferenz am 29. Januar "auf einen Schlag" verraten, welche Filme um den Goldenen und die Silbernen Bären konkurrieren.   

Wie sieht die neue "Handschrift" aus?

Ein Festival sei nicht nur die Summe der Filmtitel, so der künstlerische Direktor Carlo Chatrian. "Sondern es geht darum, eine Geschichte zu erzählen." Ihm sei es wichtig, dass man beim Berlinale-Wettbewerb künftig eine eigene "Handschrift" spürt.

Gerade daran mangelte es dem Festival nach Meinung vieler Kritiker unter Vorgänger Dieter Kosslick: zu viele Sektionen, Untersektionen und Reihen, zu wenig Profil. Das soll sich nun ändern. Die neue Doppelspitze – Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin – soll den Festival-Frachter auf Kurs bringen, ihn unter A-Festivals wie Cannes, Venedig oder Locarno besser positionieren.

Der passionierte Cineast Chatrian bewies bereits als Leiter des Festivals von Locarno sein Faible für nonkonforme Filmkunst. Doch den Spagat zwischen avanciertem Filmkunst- und Publikumsfestival zu meistern, dürfte auch für ihn eine sportliche Herausforderung darstellen.  

Der Umbau ist in vollem Gange

Chatrian und Rissenbeek lassen keinen Zweifel daran, dass sie frischen Schwung in das Traditions-Event bringen wollen. Der Umbau ist bereits in vollem Gange. Seit 2020 stehen mit Forum, Panorama, Berlinale-Series und Berlinale Shorts vier Sektionen unter neuer Leitung. Zwei Reihen wurden begraben: Das Kulinarische Kino – ein Liebhaberprojekt ihres Vorgängers Kosslick  –, bei dem zu Filmen über das Essen ein exklusives Sterne-Menü serviert wurde und die 2013 gestartete Reihe NATIVe. Die Werke indigener Filmschaffender sollen künftig jenseits einer festen Sektion präsentiert werden.

Vor allem jedoch ist auch der Wettbewerb in seinem Kern bereinigt worden. Hier laufen künftig nur noch Filme, die auch tatsächlich um einen Bären konkurrieren. Die Unterkategorie "außer Konkurrenz" ist abgeschafft.

Und die Stars?

Doch gerade jene Filme brachten häufig auch die Stars, mit denen sich Kosslick dann gerne am roten Teppich zeigte. Auf diesen Publikumsfaktor will auch Chatrian nicht verzichten, sich ihm aber gleichwohl bei der Filmauswahl nicht unterordnen. "Wir sind nicht die Fashion Week", erklärte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Bleibt also die Frage, welche und wieviel Prominenz er 2020 aufs Festival holt.

Zumal die Berlinale erstmals nach der Oscar-Preisverleihung stattfindet. Bislang konnte Berlin den nominierten Hollywoodfilmen – und ihren Stars – vorab eine glanzvolle Bühne bieten. Jetzt sind die Awards schon gelaufen, wenn die Berlinale läuft. Kommt Hollywood trotzdem?

Neue Sektion ist hinzugekommen

Neu hinzugekommen ist die Wettbewerbs-Sektion "Encounters" für ästhetisch und formal ungewöhnliche Werke unabhängiger Filmschaffender. Maximal 15 Spiel- und Dokumentarfilme ab einer Laufzeit von 60 Minuten sollen eingeladen werden, drei Preise werden ausgelobt. Damit hat "Encounters" einen ähnlich experimentellen Fokus wie die Sektionen "Un certain Regard" in Cannes und "Orrizonti" in Venedig. Abzuwarten bleibt, wie sich Encounters vom Wettbewerb abhebt, der bislang ebenfalls von Arthouse-Filmen bestimmt war? Und wie vom ganz ähnlich ausgerichteten Forum?   

Wirklich verschlankt wurde die Berlinale mit den bisherigen Veränderungen jedenfalls noch nicht: Mit 13 – anstatt von 14 – hat das deutsche Festival doppelt so viele Sektionen wie die Festivals von Cannes oder Venedig.  

Und wo laufen die Filme?

Ausgerechnet zur 70. Ausgabe hatte die neue Leitung zudem einige organisatorische Hürden zu bewältigen: den Wegbruch von Hauptsponsoren und des Cinestars, einer wichtigen Spielstätte für Forum- und Panorama-Filme am Potsdamer Platz.

Mittlerweile hat man allerdings Alternativen gefunden: Anstelle des Uhrenherstellers Glashütte stiftet nun der rbb den mit 40.000 Euro dotierten Dokumentarfilmpreis. Und an die Stelle des Multiplex Cinestar mit seinen rund 2.000 Plätzen tritt das Cubix am Alexanderplatz. Der große Nachteil: Das Cubix ist kilometerweit vom Festivalzentrum am Potsdamer Platz entfernt, wo die Fans gute Chancen haben, zwischen zwei Filmen einen Blick auf Promis zu werfen. Geht das Potsdamer-Platz-Gefühl verloren, das Vorgänger Kosslick stets in schönstem schwäbischem Englisch beschwor?  

Noch rund sieben Wochen bleiben bis zum Berlinale-Start am 20. Februar. "Ein paar Filme müssen wir noch gucken", sagte Chatrian kürzlich. "Und wenn ich sage ein paar, dann meine ich Hunderte. Wir sind jetzt sehr gespannt." Die Jubiläumsausgabe eines der weltweit wichtigsten Filmfestivals steht im Zeichen von Veränderungen und Unwägbarkeiten. Deswegen kann man sich Chatrian nur anschließen: Spannend wird die 70. Berlinale in jedem Fall.

Beitrag von Ula Brunner

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    Kein Kommentar zum Artikel, sondern nur zur Illustration: Jetzt malt sich also jeder seinen eigenen total niedlichen Berlinale-Teddy? - Bitte nicht!

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