72. Berlinale ist eröffnet - "Toll, dass ihr da seid - klasse"

Roter Teppich, Blitzlicht, Stars, vor allem jedoch viel Begeisterung für das Kino: So enthusiastisch ist wohl selten eine Berlinale eröffnet worden. Prominenz und Politiker feierten ausdrücklich die Rückkehr des Festivals in die Kinosäle - trotz Pandemie.
Die Galagäste trugen Maske und saßen im Schachbrettmuster verteilt im Berlinale Palast, als Schauspielerin Meret Becker Filmstars, Jury-Mitglieder und Politikerinnen zum ersten großen europäischen Filmfestival des Jahres begrüßte.
Die Entscheidung der Berlinale-Chefs Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, das Festival trotz gestiegener Inzidenzen in Präsenz zu veranstalten, hatte im Vorfeld zu einigen Debatten und Kritik geführt. Geradezu enthusiastisch feierte man nun auf der Bühne die Rückkehr des Festivals in die Kinosäle.
"Wir sind zurück auf der Bühne", erklärte Carlo Chatrian. Beide dankten der Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die das Filmfestival durch ein Pandemie-Konzept möglich gemacht habe. "Ich habe gespürt, wie wichtig das Festival für Filmemacher ist, und das hat mir den Mut und die Kraft gegeben, weiterzumachen", ergänzte Rissenbeek.
Berlinale steht für Freiheit und Offenheit
Sie sei "dankbar" und "glücklich, dass diese Berlinale stattfinden kann als das internationale Filmfestival, das sie immer war", sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Die Berlinale setze "ein Zeichen der Ermutigung, ein Zeichen der Hoffnung, ein starkes Signal über Berlin hinaus: Wir lassen uns von Corona nicht unterkriegen", so Roth unter Applaus. "Wir brauchen das Kino, wir brauchen den Film."
"Manchmal ist es auch schön, wenn man ein bisschen berlinert und sagt 'Toll, dass ihr da seid - klasse'", erklärte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Die Berlinale stände für Freiheit und Offenheit. Sie wolle auch künftig die Kultur und speziell die Filmindustrie in der Stadt unterstützen.
Keine Parties, aber roter Teppich
Den Auftakt zum Festival gab am Donnerstagabend die Weltpremiere des neuen Werks des französischen Regisseurs François Ozon "Peter von Kant", nach Rainer Werner Fassbinders "Die bitteren Tränen der Petra von Kant". Die satirische Innenansicht destruktiver Beziehungen mit Stars wie Isabelle Adjani, Denis Ménochet und Hanna Schygulla ist im Künstlermilieu angesiedelt.
Partys und Empfänge fallen pandemiebedingt aus - auch nach der Gala am Donnerstagabend. Geplant sei ein "gesetztes Dinner" mit Jurys, Eröffnungsfilmteam, Politik und Festivalleitung, hieß es seitens des Festivals.
Staraufgebot wird wahrscheinlich weniger üppig ausfallen
Zur Eröffnung zeigte sich vor allem deutsche Filmprominenz auf dem roten Teppich: Heike Makatsch, Maria Furtwängler, Andreas Dresen, dessen Drama "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" im Wettbewerb konkurriert. Natürlich waren Jury-Präsident M. Night Shyamalan da und François Ozon als Regisseur des Eröffnungsfilms. Seine Stars Isabelle Adjani und Hanna Schygulla wurden jedoch beim Schaulaufen vor dem Berlinale-Palast vermisst.
Zwar haben internationale Filmteams zugesagt, zu kommen, darunter Emma Thompson, Juliette Binoche, Charlotte Gainsburg und natürlich Isabelle Huppert, die in diesem Jahr den Goldenen Ehrenbär des Festivals für ihr Lebenswerk erhält. Doch es zeichnet sich ab: Das Staraufgebot wird wohl deutlich geringer ausfallen als in früheren Jahren.
Die Hollywoodgrößen Sigourney Weaver und Elizabeth Banks aus Phyllis Nagys Abtreibungsdrama "Call Jane", dem einzigen US-amerikanischen Wettbewerbsbeitrag, werden nicht nach Berlin reisen. Nick Cave wird ebenfalls nicht da sein. Auf der Berlinale feiert Andrew Dominiks Dokumentarfilm "This Much I Know To Be True" über den Musiker Premiere.
"Ein Festival muss ein Format in Corona-Zeiten finden"
Im vergangenen Jahr fand das Festival wegen der Pandemie in zwei Teilen statt, einem für Fachbesucher und einem späteren Publikumsteil. Das zweistufige Verfahren von 2021 war für das Leitungsduo bei der 72. Berlinale keine Option. Nur ein Präsenzfestival könne, so Rissenbeek, den "Kern der Berlinale" bewahren - eine Entscheidung, die angesichts der Pandemielage im Vorfeld auch auf Kritik stieß.
"Ein Festival muss ein Format in Corona-Zeiten finden, weil wir alle nicht wissen, wie die Pandemie sich weiter entwickeln wird", sagte die Festival-Leiterin am Donnerstag im rbb. Man habe alles getan, um den Kinobesuch sicher zu gestalten. Dabei verwies sie auf die Masken- und Testpflicht - auf der Berlinale gilt die 2G-plus-Regel. Außerdem dürften die Kinos nur zu 50 Prozent besetzt werden. Zudem gebe es weniger Vorführungen und größere Abstände zwischen den Vorführungen, damit der Ein- und Auslass sicher gestaltet werden könne. Tickets gibt es nur online, um das Schlangestehen an den Ticketcountern zu vermeiden. "Wir haben wirklich alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen", so Rissenbeek.
Zwei deutsche Filme im Wettbewerb
Nach der Eröffnung beginnt am Freitag der Festivalbetrieb. Wegen der Pandemie wurde allerdings das Programm deutlich reduziert: Insgesamt werden vom 10. bis 20. Februar 256 Filme aus 69 Ländern zu sehen sein, fast 25 Prozent weniger als 2020.
Beim diesjährigen Wettbewerb der Berlinale werden insgesamt 18 Filme aus 17 Produktionsländern um den Goldenen und die Silbernen Bären konkurrieren. Es dominieren Produktionen aus Asien und Europa, auch zwei deutsche Beiträge sind dabei. "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" von Berlinale-Dauergast Andreas Dresen ist eine von insgesamt acht rbb-Koproduktionen auf dem Festival. In dem Drama kämpft die türkische Hausfrau Rabiye Kurnaz, gespielt von der deutsch-türkischen Komödiantin Meltem Kaptan, um die Freilassung ihres Sohnes Murat (Alexander Scheer) aus dem Gefangenenlager Guantanamo. Einer ungewöhnlichen Beziehung widmet sich Nicolette Krebitz im zweiten deutschen Beitrag "AEIOU – das schnelle Alphabet der Liebe" mit Sophie Rois in der Hauptrolle. Die Schauspielerin, Regisseurin und Musikerin Krebitz wurde zuletzt vielfach ausgezeichnet für "Wild", eine verstörend schöne Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau und einem Wolf.
Goldener Ehrenbär für Isabelle Huppert
Ein besonderes Highlight ist die Verleihung des Goldenen Ehrenbären für das Lebenswerk an Isabelle Huppert, der "Grande Dame" des französischen und internationalen Kinos. Im Rahmen der Preisverleihung zeigt die Berlinale am 15. Februar ihren neuen Film "À propos de Joan (About Joan)" von Laurent Larivière.
Die Berlinale gehört neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten internationalen Filmfestivals. Der beste Wettbewerbsbeitrag wird mit dem Goldenen Bären geehrt. Silberne Bären gibt es unter anderem für die beste Regie und das beste Drehbuch. Auch die besten schauspielerischen Leistungen werden ausgezeichnet. Über die Vergabe der Preise entscheidet eine internationale Jury, der in diesem Jahr der Drehbuchautor, Horrofilm-Regisseur und Produzent M. Night Shyamalan ("The Sixth Sense") als Präsident vorsitzt.
Um die Besucherströme zu entzerren, findet die Bären-Preisverleihung bereits am Mittwoch, dem 16. Februar statt, danach werden die Filme an vier weiteren Tagen dem Publikum präsentiert.
Promis und Stars sind zurück auf dem roten Teppich
Sendung: Inforadio, 10.02.2022, 08:55 Uhr