Berlinale-Gala am Potsdamer Platz - Standing Ovations für die Ukraine und die Proteste im Iran

Do 16.02.23 | 22:33 Uhr | Von Ula Brunner
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Jurymitglied Golshifteh Farahani reagiert emotional nachdem sie über die Situation im Iran spricht.(Quelle:dpa/M.Schreiber)
Video: rbb Berlinale-Studio | 16.02.2023 | Knut Elstermann | Bild: dpa/M.Schreiber

So berührend war die Eröffnungsgala selten: Die 73. Berlinale startete im Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk und den Protestierenden im Iran. Den Auftakt machte ein außergewöhnlicher Auftritt. Von Ula Brunner

  • Die große Berlinale-Gala am Potsdamer Platz setzte starke Zeichen der Solidarität
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte per Video, sein Land zu unterstützen.
  • Die Berlinale eröffnete nach zwei Ausnahmejahren wieder als Präsenzfestival

Anne Hathaway und Kirsten Stewart sorgten für Kreischalarm, während Folk-Legende Joan Baez fast unbemerkt über den roten Teppich schritt - nach zwei Ausnahmejahren brachte die Berlinale endlich wieder Starglanz auf den Potsdamer Platz.

Doch es war nicht die Hollywoodprominenz, die das sichtlich berührte Publikum auf der Eröffnungsgala am stärksten bewegte, es war ein Politiker. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj richtete per Video einen starken Appell an Filmschaffende und Künstler, sein Land zu unterstützen. "Kann sich die Kunst aus der Politik heraushalten?" mahnte er, und verwies auch auf die symbolische Bedeutung des Potsdamer Platzes, wo einst die Berliner Mauer "zwischen der freien Welt und Totalitarismus" verlaufen sei. Heute wolle Russland eine "Mauer in der Ukraine bauen", warnte er. "Eine Mauer zwischen Freiheit und Sklaverei". Das Publikum bedachte Selenskyj mit Applaus im Stehen.

Vor der Videoschalte war der US-Schauspieler und Regisseur Sean Penn auf die Bühne gekommen. Am Samstag feiert sein Dokumentarfilm "Superpower" Premiere in der Sektion Berlinale Special. Während der Dreharbeiten begann der russische Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 die Invasion der Ukraine. Der Film sei dann ganz anders geworden als geplant, sagte Penn.

Glanz, Glamour, Missionen und Proteste auf der Berlinale

"Dieses Regime wird fallen"

Neben dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stand auch die gewaltsame Unterdrückung der Protestbewegung im Iran im Fokus. Während der Berlinale soll auch an die Lage der Menschen im Iran erinnert werden. Bereits auf dem roten Teppich hatten mehrere Frauen, darunter die Schauspielerin Jasmin Tabatabai, ein weißes Banner mit dem Spruch "Woman Life Freedom" hochgehalten. Auf der Bühne machte Schauspielerin Golshifteh Farahani auf die Situation in ihrem Land aufmerksam: "Dieses Regime wird fallen." Auch darauf reagierten die Gäste mit Standing Ovations.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte in ihrer Rede die Bedeutung des Films für Hoffnung in dunkler Zeit und für Freiheitsbewegungen weltweit. Dabei verwies sie auf den Kampf der Frauen im Iran und in Afghanistan, die Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei sowie die vom Krieg bedrohten Menschen in der Ukraine. Die Berlinale sorge dafür, "dass Kunst und Politik einander nicht im Weg stehen, sich aber auch nicht aus den Augen verlieren", sagte Roth.

Das "politischste der großen Festivals", so Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), werde "ein deutliches Zeichen für unsere ungebrochene Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, im Iran und an vielen anderen Orten der Welt setzen".

Entsprechend beschäftigen sich auf dem Festival zahlreiche Filme und Veranstaltungen mit der Situation in der Ukraine. Selbst der Berlinale-Anstecker hat in diesem Jahr die ukrainischen Nationalfarben. Der Jahrestag der russischen Aggression am 24. Februar fällt in diesen Zeitraum. Diskussionen, Solidaritätsaktionen und konkrete Hilfsmaßnahmen für ukrainische Filmschaffende werden diesen Jahrgang prägen. Das Festival verurteile den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aufs Schärfste, erklärte das Leitungsduo der Internationalen Filmfestspiele Berlin, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian.

Aktivisten und Romanze

Zwei Aktivisten der Gruppe Letzte Generation lenkten das Augenmerk auf ein weiteres drängendes Thema: Sie klebten sich auf dem Roten Teppich fest, um gegen Untätigkeit in der Klimapolitik zu protestieren - allerdings erst nachdem alle Stars in den Berlinale Palast eingezogen waren.

Nach zwei Pandemie-geprägten Jahrgängen findet die Berlinale in der gewohnten Form statt - mit vollen Kinosälen und feierlichen Empfängen. Das Festival ist auch wieder Treffpunkt der internationalen Kino-Prominenz. Neben Hathaway, Sean Penn, Peter Dinklage oder Kristen Stewart werden etwa auch Steven Spielberg, John Malkovich und Helen Mirren in Berlin erwartet.

Als Eröffnungsfilm stand nach der Gala die Weltpremiere der außer Konkurrenz laufenden US-Romanze "She Came to Me" von Rebecca Miller auf dem Programm. Anna Hathaway und Peter Dinklage spielen die Hauptrollen in der augenzwinkernden Romanze über eine Handvoll verliebter New Yorker.

Fünf deutsche Filme im Wettbewerb

Im Wettbewerb der Berlinale konkurrieren dieses Mal 19 Filme um den Goldenen und die Silbernen Bären. Mit dabei sind auch fünf Filme deutscher Regisseurinnen und Regisseure. Neben Margarethe von Trotta mit "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" gehen die deutsch-französische Regisseurin Emily Atef mit "Irgendwann werden wir uns alles erzählen", Christoph Hochhäusler mit "Bis ans Ende der Nacht", Christian Petzold mit "Roter Himmel" und Angela Schanelec mit "Music" an den Start.

Insgesamt sind bei der Berlinale bis zum 26. Februar in verschiedenen Programmsektionen 287 Filme aus 67 Ländern zu sehen.

Vergeben werden die Preise am 25. Februar, dem vorletzten Tag der Berlinale. Ein Preisträger steht schon fest - der US-Regisseur Steven Spielberg. Der mehrfache Oscar-Preisträger bekommt den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk verliehen, sein Besuch in der Hauptstadt wurde deshalb bereits angekündigt.

Sendung: Berlinale-Studio, 16.02.2023, 22:00 Uhr

Beitrag von Ula Brunner

14 Kommentare

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  1. 13.

    Zur Berlinale-Eröffnung kamen diejenigen - die zum Wiener Opernball keine Karten ergattern konnten.

  2. 12.

    Nachtrag:
    Richtig muss es heißen: "... ergo kann die Ukraine auch KEINEN "Konzessions"-"Goldenen Baeren" gewinnen."

  3. 11.

    Zitat: "Wenn es einen ukrainischen Festivalfilm gibt, ist es möglich, dass dieser den Goldenen Baeren gewinnt, nur weil es ein ukrainischer Film ist."

    Es gibt KEINEN Ukrainischen Wettbewerbsfilm, KlausBaerbel; ergo kann die Ukraine auch "Konzessions"-"Goldenen Baeren" gewinnen. Das könnte man wissen, wenn man sich für das Thema Berlinale interessieren würde und die Kommentarspalten nicht ausschließlich für die Darlegung eigener politischer Ansichten nutzen würde, wie es hier überwiegend unter nahezu jedem Berlinale Artikel geschieht.

  4. 10.

    Und ich habe das Gefühl, dass Sie eine sehr selektive Wahrnehmung haben. Der Mann ist Präsident eines souveränen europäischen Staates, das von Russland einen Krieg aufgezwungen bekam. Er wird sich also 24/7 um seine Hauptaufgabe, nämlich die Verteidigung seines Heimatlandes kümmern, und dafür auch Videoschalten oder auch mal einen oder zwei Auslandsbesuch(e) absolvieren. Was genau halten Sie daran für 'verwerflich', Evgenij?

  5. 8.

    "Den Auftakt machte ein außergewöhnlicher Auftritt." Ich habe langsam das Gefühl, dass der grüne Mann mittlerweile aus jedem Wasserkocher und jedem Bügeleisen spricht. Gab es letzte Zeit irgendwelche Veranstaltungen wo er nicht aufgetreten ist!?

  6. 6.

    So langsam ödet mich das ganze Theater nur noch an....
    Niemand kommt normalerweise an der Security vorbei, aber zwei "Aktivisten" können sich auf dem roten Teppich ankleben!?
    Selenskyj spricht mittlerweile auf fast jeder westlichen Veranstaltung (Superbowl, Berlinale etc..)...
    Wird es zukünftig noch möglich sein, Kultur oder Sport mal für 2-3 Stunden genießen zu dürfen, ohne an die Schrecken der Welt zu erinnern!?

  7. 5.

    Oh, was wäre es schön, wenn sich jemand von den illustren Gästen und Keeativen kritisch zu der neuen Hauptsponsor Uber äußern würde. Millionen Menschen weltweit, die in der Personenbeförderung tätig sind bzw waren, verdienen weniger,soziale Absicherung fällt weg. Dieser Konzern verdrängt alle lokalen und jahrzehntelang aufgebaute Strukturen wie ein gefräßiges Monster. Und das wird von der ach-so-kritischen Berlinale protegiert. Schlimm, und immer erstmal an die eigene Nase fassen...

  8. 3.

    Ich kann Ihnen nur beipflichten. Ich habe auch das Gefühl, dass es bei diesem Festival sich immer mehr um eine politische Veranstaltung handelt und nicht mehr die Filmkunst im Mittelpunkt steht. Wenn es einen ukrainischen Festivalfilm gibt, ist es möglich, dass dieser den Goldenen Baeren gewinnt, nur weil es ein ukrainischer Film ist.

  9. 2.

    Macht auf alle Fälle neugierig. Bin auch weiterhin sehr gespannt.

  10. 1.

    Ein Gedenken an die Opfer des Krieges in der Ukraine im Rahmen eines Filmfestivals ist wichtig! Ich habe aber inzwischen den Eindruck, dass in Kunst und Kultur oft weniger künstlerische Qualitätskriterien als vielmehr politisches Engagement und Aktivismus entscheiden. Man erinnere sich an den Hype um Ai Weiwei oder beim ESC und dieser Trend ist jetzt bei fast jedem Musik, - Film oder Theaterfestival präsent. Das Ganze geht einher mit einer massiven Verachtung der russischen Kultur...

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