Berlinale-Filmkritik | "Bis ans Ende der Nacht" - Zerzauster Cop ist ach so traurig

Zum Abschluss des Wettbewerbs der fünfte deutsche Beitrag: Christoph Hochhäuslers "Bis ans Ende der Nacht" verknüpft einen düsteren Krimi mit einer Liebesgeschichte zwischen einer trans Frau und einem schwulen Polizisten. Von Fabian Wallmeier
Das strahlend helle Weiß muss weg. Während des Vorspanns zu Christoph Hochhäuslers "Bis ans Ende der Nacht" sehen wir, wie eine hell leuchtende Wohnung erst in Ockertönen gestrichen und dann vom schweren dunkelbraunen Mobiliar zusätzlich verfinstert wird. Hochhäusler und Szenenbildnerin Renate Schmaderer setzen damit unmissverständlich den Ton des Films: Es wird düster.
In die Wohnung ziehen der verdeckte Ermittler Robert (Timocin Ziegler) und die frisch aus dem Gefängnis gekommene Leni (Thea Ehre) ein. Sie ist einen Deal eingegangen: Zusammen mit Robert soll sie sich dem Drogenhändler Victor nähern. Ein Tanzkurs ist das Einfallstor in dessen Welt: Victor und seine Freundin Nicole besuchen ihn ebenfalls. Die beiden Paare kommen sich näher und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Verregnet, dunkel, trist
Die Settings, in denen Berliner-Schule-Kamera-Gott Reinhold Vorschneider die Figuren einfängt, sind allesamt so düster wie die Wohnung. Frankfurt am Main zeigt sich als unwirtlicher Ort. Verregnete Straßen, Industriegelände bei Nacht, ein trister Nachtclub - das sind die Orten, an denen der Film spielt. Selbst beim Tanzkurs ist das Licht gedämmt und kein Stück heimelig.
Ein bisschen wohlige Melancholie versprüht dagegen der bemerkenswerte Soundtrack, der größtenteils aus mehr oder weniger bekannten Schlagern besteht. "Schönes Mädchen ist ach so traurig", swingt es in Moll-Tönen bei Esther Ofarim. Und Heidi Brühl schmachtet zu fast schon Burt-Bacharach'schen Streicher-Kaskaden: "Eine Liebe so wie du könnte vieles für mich sein, denn mein Herz, es brennt für dich allein."
Ach so traurig ist auch der Cop. Timocin Zieglers Robert ist von Beginn an ein wandelndes Klischee: Lederjacke, zerzaustes Haar, finsterer Blick - dieser Polizist hadert mit sich und leidet am Leben. Der triste Krimi-Handlungsstrang des Films gibt ihm recht: Alles ist aussichtslos, das Drogenkartell ist überall, und auf niemanden kann er vertrauen.
Brutal übergriffig
Leni dagegen bringt etwas Licht in die Finsternis des Films. Robert und sie kennen sich von früher. Ob sie ein Paar waren oder nur eine Affäre hatten, bleibt dabei offen. Klar ist aber: Leni hatte mittlerweile ihr Coming out als trans Frau - und damit hat Robert ein offenkundiges Problem. Alle Grenzen des Anstands brutal überschreitend, will er sie zwischen den Beinen berühren, "solange er noch da ist", und fragt: "Habe ich etwa keine Rechte?"
Die trans Thematik wird zwar über weite Strecken stark aus der Warte der cisnormativen anderen Figuren erzählt, insgesamt behandeln Hochhäusler und Drehbuchautor Florian Plumeyer sie aber behutsam und ohne in allzu viele Klischeefallen zu tappen. Dazu dürfte die in den Credits ausgewiesene "trans* Drehbuchberatung" beigetragen haben, noch mehr aber Darstellerin Thea Ehre. Sie spielt Leni als zwar tief verletzte, aber zugleich wild zum Optimismus entschlossene Frau.
"Bis ans Ende der Nacht" kommt zwar nicht an die beiden herausragenden Filme von Angela Schanelec heran, den enttäuschenden deutschen Wettbewerbsbeiträgen Nummer vier und fünf (von Emily Atef und Margarethe von Trotta) ist er aber haushoch überlegen. Zu den großen Favoriten für die Bären dürfte Hochhäuslers Film trotzdem nicht gehören.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.02.2023, 09:55 Uhr