Berlinale-Filmtipp | "Notes from Eremocene" (Forum) - Der kühle Blick zurück auf die Gegenwart

Mo 20.02.23 | 17:32 Uhr | Von Fabian Wallmeier

Die Slowakin Viera Čákanyová blickt in "Notes from Eremocene" aus einer fiktiven Zukunft auf unsere krisengebeutelte Wirklichkeit. Analoges Filmmaterial trifft auf künstliche Intelligenz. Ein spannendes Experiment. Von Fabian Wallmeier

Verwaschene Bilder, darüber einzelne Wörter und rätselhafte Texte aus dem Off: Es dauert ein bisschen, bis man sich in "Notes from Eremocene" zurechtfindet. Der Film der Slowakin Viera Čákanyová ist ein eigensinniger Hybrid aus Essay und Science-Fiction-Story. Doch das Dranbleiben lohnt sich: Allmählich schält sich eine Geschichte heraus, die nicht annähernd so kompliziert ist wie zunächst gedacht.

Der Begriff des Eremozän aus dem Titel des Films geht auf den Biologen Edward O. Wilson zurück und bedeutet so viel wie Zeitalter der Einsamkeit. Der Film blickt aus der Zukunft auf diese Zeit (nämlich unsere heutige Gegenwart und die Folgejahre) zurück. Es ist eine Zukunft, in der künstliche Intelligenz und Blockchains dominieren und mit den Problemen der Menschheit umgehen, von der Klimakatastrophe bis zur Krise der Demokratie. Staunend und fasziniert, aber in letzter Konsequenz mit analytischer Nüchternheit geht von dort der Blick zurück auf unsere Gegenwart.

Das Digitale kommt dem Analogen nicht bei

Čákanyová hat herrlich grobkörnige Filmaufnahmen von dieser Gegenwart gemacht, so dass sie tatsächlich wirken wir Artefakte einer längst vergangenen Zeit. Diese Aufnahmen hat sie - und das ist mehr noch als die Story die eigentliche Sensation des Films - digital bearbeitet. Auf der Leinwand zu sehen ist, wie wohl eine zukünftige künstliche Intelligenz mit diesen Aufnahmen umgehen würde. Einzelne Wörter tauchen auf, Expert:innen sind zu hören. Es sind Versuche, das Material zu kategorisieren und letztlich: zu verstehen.

Das ist faszinierend, manchmal unheimlich, aber auch ein bisschen beruhigend: Der kalte, analytische Hauch des Digitalen / Künstlichen kommt der Komplexität des Analogen / Menschlichen eben nur in Annäherungen nach, niemals aber in aller Tiefe.

Beitrag von Fabian Wallmeier

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