Berlinale-Kritik | Boom! Boom! The World vs. Boris Becker (Berlinale Special Gala) - "Das Leben als eine 'Tennis-Winning-Machine' ist viel härter als es aussieht"
Auf der Berlinale hat Ex-Tennisstar Boris Becker am Nachmittag die Doku über sein Leben präsentiert, ein nostalgischer Flashback in die 80er-Jahre. Dabei hat sich der 55-Jährige auch den Fragen der Journalistinnen und Journalisten gestellt. Von Silke Mehring
Boris Becker ist ein Mann, der viel erlebt hat in seinem Leben. Und da er das sehr öffentlich geführt hat, und gerade die Boulevardmedien ihm selten von der Seite wichen, kennt auch quasi jeder die Höhen und Tiefen seiner Existenz.
Man meint aber auch, sie ihm anzusehen, wie er da sitzt – schmal geworden, dunkle Ringe unter den Augen. In seinem weißen Rollkragenpullover und einem dunklen Jackett wirkt er seriös, schaut die versammelte Presse offen an und antwortet freundlich. Er sagt, es fühlt sich gut an, wieder in Freiheit und heil aus dem Gefängnis raus zu sein, und dass er dankbar dafür ist, dass er sein neues Leben aufbauen darf.
Der jüngste Wimbledon-Sieger wurde erwachsen
Ein Teil davon ist die Doku, die Oscarpreisträger Alex Gibney mit und über Boris Becker gedreht hat. Denn sie bietet Becker die Gelegenheit, seine Sichtweise auf die eigene Karriere zu erzählen. Es sei unmöglich, als Tennisprofi ein normales Leben zu führen, sagt er: "Das Leben als eine 'Tennis-Winning-Machine'“ ist viel härter als es aussieht". Und: "In Deutschland wird es oft nicht zugelassen, dass auch der jüngste Wimbledon-Sieger aller Zeiten mittlerweile erwachsener geworden ist".
Man fiebert mit wie damals im Fernsehen
Gut also für Becker, dass Alex Gibney einen Film über ihn machen wollte. Gibney bezeichnet sich selbst als großen Fan. 2019 und 2022 hat er Interviews mit der Tennislegende gemacht. In diesen Interviews kommentiert Becker selbst seine grandiosen Erfolgen der 80er Jahre - wie den, als er mit gerade mal 17 Jahren Wimbledon gewann, und schlagartig weltberühmt wurde.
Man merkt der Doku an, dass der Regisseur seinen Protagonisten bewundert. Aber das ist keineswegs störend, denn die Tennis-Matches des jungen Boris Becker haben sich ohnehin längst eingebrannt ins kollektive und persönliche Gedächtnis all derer, die sie damals im Fernsehen mitverfolgt haben.
Und so ist es ein nostalgischer Flashback in die 80er-Jahre, dem vor Kraft strotzenden Jungen aus Leimen fast 40 Jahre später nochmal dabei zuzuschauen, wie er seine berühmten Hechtsprünge über den Tennis Court macht und seinen Gegner die Bälle nur so um die Ohren donnert. Es war die Zeit seiner großen Triumphe, wie er die Weltranglisten-Ersten vom Platz fegte. Zu sehen, wie Alex Gibney die Matches von Boris Becker inszeniert hat, ist großes Tennis im wahrsten Sinne des Wortes: Unterlegt mit Western-Musik stehen sich die Spieler gegenüber wie in einem Duell. In Slow Motion-Bildern fliegt der Tennisball wie eine Pistolenkugel über den Platz, über dem Netz friert er ein. Man fiebert mit wie damals im Fernsehen.
Zur Strafe eine Stunde mit Steffi Graf trainieren
Boris Beckers Kommentare begleiten die Bilder mit lebendigen Anekdoten - wie die, dass er im Alter von 14 Jahren drei Stunden Tennis am Tag gespielt hat. Lief das Training schlecht, musste er zur Strafe noch eine Stunde extra mit Steffi Graf trainieren. Er ist ein guter und sehr unterhaltsamer Geschichten-Erzähler – sogar auf Englisch, denn die Interviews im Film gibt er nicht auf Deutsch. Auch die anderen ganz Großen der damaligen Tenniswelt kommen zu Wort: Björn Borg, Mats Wilander und der frühere "Tennis-Rüpel", John McEnroe. Der erzählt zum Beispiel, wie ihn Boris mit kleinen Husten-Attacken auf dem Platz provoziert hat.
"Boom Boom – the World vs Boris Becker" ist Teil 1: Der Triumph. Eine Fortsetzung soll folgen, denn auf die Zeiten von "Bobbele" als Tennis-Wunderkind folgen ja bekanntlich noch ganz andere.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.02.2023, 19:30 Uhr