Berlinale-Filmkritik | "Manodrome" (Wettbewerb) - "Es gibt keinen Gott außer Ralph"

Sa 18.02.23 | 19:45 Uhr | Von Fabian Wallmeier
"Manodrome" von John Trengove, Wettbewerb Berlinale 2023, (Quelle: Wyatt Garfield)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.02.2023 | Jakob Bauer | Bild: Wyatt Garfield

Jesse Eisenberg spielt in "Manodrome" einen Bodybuilder, der einem Männerkult beitritt. John Trengoves Wettbewerbsbeitrag zeigt, was toxische Männlichkeit anrichten kann, wird aber zum Ende hin immer wirrer und überladener. Von Fabian Wallmeier

 

Ralphie ist nicht zufrieden mit der Welt. Die Geburt seines ersten Kindes steht bevor, seiner Freundin und ihm fehlt es an Geld. Seine Aufträge als Uber-Fahrer reichen vorne und hinten nicht aus. Im Gym trainiert er eisern bis zur Erschöpfung, aber ohne erkennbare Freude. Mit Pulvern und Pillen will er seinen Körper zementieren. Aber wofür? Hinter Ralphies starrem Blick verstecken sich aufgestaute Aggressionen. Die müssen irgendwann raus.

Jesse Eisenberg, bekannt für die Darstellung schlaksiger Nerds, hat lange trainiert für seine Rolle in John Trengoves Wettbewerbsbeitrag "Manodrome". Sein Ralphie ist ein kantiger Koloss, eine gefährliche Präsenz.

Ralphie findet Anschluss an eine kultartige Männergemeinschaft, den Manodrome. Man nennt sich hier "Son Brad" und "Dad Leo". Und man ist wild entschlossen, "erlöst von der Gynosphäre" zu sein, Verbindungen zu Frauen sind zu kappen. Was zählt, ist, "mein eigener Herr zu sein". Zur Aufnahme wird das Symbol der Gemeinschaft mit dem Brenneisen auf den Unterarm gebrannt. "Ich nehme mir, was mir gehört, immer gehört hat und immer gehören wird", ist das Mantra, mit dem sich die Gemeinschaft immer wieder selbst vergewissert.

"manodrome"

Traurige Typen im holzgetäfelten Anwesen

Trengove inszeniert das ziemlich rasant. Man kann die Überdosis Testosteron, die den Protagonisten den Verstand vernebelt, geradezu riechen – und muss immer wieder auch lachen über die Lächerlichkeit dieser traurigen Typen.

Adrien Brody spielt "Dad Dan", den Anführer des Kults. Ihm scheint das holzgetäfelte Anwesen zu hören, in dem die Gemeinschaft lebt. Wenn er redet, ist er zwar bestimmt und dominant, hat aber auch eine fast sanfte, vollbärtige Väterlichkeit, zu der Ralphie sich hingezogen fühlt. "Es gibt keinen Gott außer Ralph", bläut Dan ihm ein – und der nimmt das im Verlauf des Films ernster, als es dem "Dad" lieb sein kann.

Ralph verliert immer weiter die Kontrolle über sich und lässt der toxischen Männlichkeit, die in ihm brodelt, freien Lauf. Mehrere eindringliche, kurze und am Ende abrupt abgeschnittene Szenen, zeigen Stufen der Gewalt-Eskalation. Nicht immer ist dabei gleich klar, was tatsächlich passiert und was nur Ralphies von Pillen gesteigerten Wahnvorstellungen entspringt.

John Trengove

John Trengove, Regisseur von "Manodrome", Berlinale Wettbewerb 2023 Quelle: Antonia Steyn)
Antonia Steyn

Jahrgang 1978, lebt in Johannesburg und São Paulo. Er studierte an der Tisch School of the Arts, New York, und führte Regie bei TV-, Dokumentar- und Werbefilmen. Sein vielfach preisgekörntes Langfilmdebüt, "The Wound", lief 2017 im Panorama und war auf der Shortlist für den besten fremdsprachigen Film für die Oscarverleihung 2018.

Nicht fokussiert genug

John Trengove hat sich schon in seinem vorigen Film "The Wound" (seinem Debüt, das vor einigen Jahren im Panorama lief) mit Männlichkeitsbildern befasst. Damals ging es um ein altes Beschneidungsritual in einer südafrikanischen Bergregion, das aus Jugendlichen Männer machen soll, und um unterdrückte Homosexualität. Dieser etwas formelhafte erste Film besticht im Vergleich durch seine Fokussierung.

"Manodrome" dagegen verquirlt mehr miteinander, als ihm guttut. Statt sich auf toxische Männlichkeit und Dad Dans irren Kult zu konzentrieren, mischt Trengove immer mehr Elemente dazu. Die unterdrückte Homosexualität kommt auch in diesem Film zum Tragen, allerdings ist sie hier ein reichlich faules Erklärungsmuster für Ralphies Verhalten – und ein fragwürdiges dazu. Denn toxische Männlichkeit wird auf eine Art in den Blick gerückt, die die männlich heterosexuelle gesellschaftliche Dominanz, die das Kern des Problems sein dürfte, ein Stück zur Seite schiebt. Fragwürdig ist auch, wie Trengove ohne jede Not mit den Handlungsentscheidungen von Ralphies Freundin (die hier nicht gespoilert werden sollen) der fatalen Männlichkeit ein weibliches Fehlverhalten zur Seite stellt.

Vor allem zum Ende hin lässt Trengove den Plot dann immer albernere Haken schlagen. Er verstellt damit den Blick auf den Kern der Erzählung. Ein unnötig wirrer, überladener Film, der sein eigentlich spannendes und wichtiges Thema letztlich verschenkt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.02.2023, 09:00 Uhr

Beitrag von Fabian Wallmeier

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