"Superpower" (Berlinale Special Gala) - Die Ukraine-Mission des Hollywoodstars Sean Penn
Eigentlich wollte Sean Penn ein Porträt von Selenskyj drehen. Während der Dreharbeiten startete die russische Invasion. Entstanden ist eine Echtzeitreportage über den Kriegsbeginn - und eine Liebeserklärung an die Ukraine und ihren Präsidenten. Von Silke Mehring
Wohl einer der politischsten Filme der diesjährigen Berlinale hat hier seine Weltpremiere gefeiert: Die Dokumentation "Superpower" – von Aaron Kaufman und niemand geringerem als Hollywood-Star und Oscarpreisträger Sean Penn. Letzterer ist auch als überaus streitbarer Filmregisseur bekannt.
Eigentlich wollten die beiden ein Porträt über einen Präsidenten machen, der früher mal Schauspieler und Komiker war, Wolodymyr Selenskyj eben. Lustig wurde es dann aber nicht, die Realität holte die Idee ein. Denn zufällig war das Drehteam am 24. Februar in Kiew - und damit "at the center of the universe", wie es Penn nannte.
"Das emotionale Highlight meines Lebens"
Russische Truppen marschierten in die Ukraine ein, und die Lage wurde über Nacht sehr ernst. Seine Interviews mit Selenskyj bekam Sean Penn trotz des Kriegsanfangs. Bei der Berlinale-Pressekonferenz am Samstag erzählt der Oscar-Preisträger sichtlich berührt, welch einschneidendes Erlebnis es für ihn war, Selenskyj zu begegnen und kommt gerade geradezu ins Schwärmen: "Es war eine sehr bewegende Art, jemanden kennenzulernen. Neben der Geburt meiner Kinder war es das emotionale Highlight meines Lebens, diesen großartigen und mutigen Menschen zu treffen."
Mehr subjektive Reportage denn Doku
"Superpower" ist denn auch mehr eine sehr subjektive Reportage als eine Dokumentation der Tage rund um den Kriegsbeginn geworden: Kurze Nachrichtenschnipsel werden immer wieder eingestreut, die Zuschauer sehen auch lustige Ausschnitte aus Selenskyjs Komiker-Karriere. Neben den Interviews mit dem Präsididenten lassen Sean Penn und Co-Regisseur Aaron Kaufman ukrainische Aktivisten zu Wort kommen, Menschen auf der Straße, Sicherheitsberater, Kampfjet-Piloten und viele mehr.
Es ist viel Bewegung in "Superpower" – und immer wieder steht Sean Penn selbst im Fokus: Wie er mit Zigarette in der Hand durch Kiew irrt, mit den Menschen spricht, einen Rollkoffer durch Autoschlangen mit Flüchtenden schiebt, zerbombte Wohnungen besucht und sich sogar mit schusssicherer Weste bis in den Schützengraben vorwagt. Wackelige Bilder mit Handkamera und Handy entstehen, Musik mit treibenden Beats liegt unter den Szenen. Ein Hollywood-Star weiß, wie man Dramatik erzeugt – auch wenn das Szenario ohnehin an Bedrohlichkeit kaum zu überbieten ist.
Liebeserklärung an Selenskyj
Im Film über Selenskyj ist der Regisseur omnipräsent: Muskelbepackt, mit zerzausten Haaren, Jeans, Lederjacke und Zigarette oder Drink in der Hand inszeniert er sich gefühlt in jede Szene. Dabei wirkt Penn irgendwie "typisch" amerikanisch, wenn er in pathetischem Ton über Freiheit, Einigkeit und Mut sinniert – und über seine Bewunderung für Selenskyj spricht.
Trotz oder gerade, weil er ihn geradezu heldenhaft verehrt und überhöht, nimmt man Sean Penn ab, wie sehr ihn das Schicksal des ukrainischen Präsidenten bewegt: "Es ist sehr persönlich geworden, denn gleich am Anfang war klar: Dieser Präsident und seine Familie sind die Zielscheibe Nummer Eins. Es hat mich sehr betroffen gemacht, dass wir diesen Menschen, der mir das Gesicht des Mutes gezeigt hat, vielleicht nicht lebend wiedersehen."
"Superpower" ist eigentlich eher eine Liebeserklärung an Selenskyj und die Ukraine geworden als ein Film über den Krieg. Die große Aufmerksamkeit, die der Film erfährt, ist vermutlich der Bekanntheit und dem Einfluss von Sean Penn zu verdanken, kommt aber genau zur richtigen Zeit. Politisch Neues erfahren die Zuschauer:innen nicht. Dafür bekommen sie eine extrem persönliche Perspektive präsentiert – für Sean Penn ist sie die einzig wahrhaftige.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.02.2023, 14:50 Uhr