Berlinale-Wettbewerbskritik | "BlackBerry" - Alphatier auf extra viel Speed
Das Blackberry war einmal das Maß aller Dinge auf dem Smartphone-Markt. Matt Johnsons gleichnamiger Wettbewerbsbeitrag erzählt den Aufstieg und Fall des Unternehmens nach – zunächst mit Schmiss, dann immer pflichtschuldiger. Von Fabian Wallmeier
Was zur Hölle summt da so? Die nerdigen IT-Ingenieure Mike und Doug warten in einem Konferenzraum auf ein wichtiges Meeting – und Mike kann sich nicht konzentrieren. Dieses Summen! Er identifiziert die Quelle: eine Gegensprechanlage – und fängt an, sie auseinanderzunehmen. Gerade noch, bevor ihr Gesprächspartner den Raum betritt, hat er es wieder zusammengesetzt – und das Summen abgestellt.
"BlackBerry" von Matt Johnson erzählt die Geschichte des kanadischen Software-Unternehmens Research in Motion, das mit dem titelgebenden Smartphone ein paar Jahre lang das Maß der Dinge auf dem Markt waren. "Dieses Handy, das alle hatten, bevor sie sich ein iPhone gekauft haben" – so fasst es ein Mitarbeiter im letzten Drittel des Films zusammen.
Das Meeting zu Beginn läuft katastrophal. Ein Telefon, mit dem man auch ins Internet gehen kann, wollen sie verkaufen. Doch sie verkaufen es schlecht. Nur weil ihr Gesprächspartner Jim kurz darauf gefeuert wird und in der Idee von Mike und Doug einen rettenden Strohhalm wittert, kommen die drei ins Geschäft.
Schluss mit Movie Night
Jim dreht die Gamer-Klitsche, in der Mike und Doug mit zwei Handvoll anderen Nerds an ihren Ideen arbeiten, auf links. Er brüllt herum, faucht sie fassungslos an, wenn sie etwa darauf bestehen, heute sei "Movie Night". Und das ist einigermaßen lustig anzusehen.
Ein unerbittlicher Geschäftsmann ist dieser Jim, ein Choleriker, der keine Zeit verliert und keinen Spaß versteht. Als er einmal mit Mike auf einem wichtigen Finanzierungs-Meeting ist und den beiden Getränke angeboten werden, fährt er Mike an: "Durst ist ein Zeichen von Schwäche."
Genauso hektisch und aufbrausend wie Jim ist auch die Handkamera. Wild schwenkt und zoomt sie sich vor allem durch die agileren Szenen. Das unterstreicht den Drive des an Punchlines nicht armen Drehbuchs. Es kaschiert zugleich, dass hier oft eigentlich wenig passiert – beziehungsweise Dinge passieren, die von technischen Details getrieben sind, die Regisseur Matt Johnson seinem Publikum offenbar nicht zumuten möchte.
Der alberne Weirdo mit dem Stirnband
Johnson spielt selbst die wichtigste Nebenfigur: Doug, der Obernerd, soll im Laufe des Films offenkundig immer mehr zum Stellvertreter des Publikums werden. Er spricht aus, was schief läuft – und kommt im eingeblendeten "Was wurde aus"-Anhang kurz vorm Abspann als einziger wirklich gut weg. Schade nur, dass die Figur dabei nicht stärker ausgestaltet wird, was auch an Johnsons einfallslosem Spiel liegt. So bleibt Doug der alberne Weirdo mit dem Stirnband, den nerdigen Fanartikel-Shirts und der Unfähigkeit, sich sozialen Situationen anzupassen.
Glenn Howerton dagegen macht aus Jim in den stärkeren Szenen ein spaßig anzusehendes, dauerhaft wütendes und zunehmend größenwahnsinniges Alphatier auf extra viel Speed. Und Jay Baruchel verleiht Mike eine Ambivalenz, die Doug fehlt: eine gewisse Zerrissenheit zwischen Ehrgeiz und Kumpelei, zwischen Qualitätsansprüchen und finanziellen Zwängen.
Kein "Social Network" und auch kein "Steve Jobs"
Das Drehbuch für "BlackBerry" stammt von Regisseur Matt Johnson und Matthew Miller. Der Vergleich mit den beiden Filmen, die Aaron Sorkin über Tech-Giganten geschrieben hat, liegt auf der Hand: "The Social Network" (Regie: David Fincher) über Facebook und Mark Zuckerberg und "Steve Jobs" (Danny Boyle) über den Apple-Gründer. Diese beiden Filme eint, neben Sorkins überlebensgroßen, perfekt geschliffenen Dialogen, dass sie den Geniekult um ihre Figuren gleichzeitig transportieren und in Frage stellen.
"BlackBerry" schlägt keinen grundsätzlich anderen Weg ein. Dass seine Protagonisten aber bei Weitem nicht so bekannt sind wie Jobs und Zuckerberg, nutzt Johnson dafür, viel stärker ins Komödiantische zu gehen. Doch je weiter der Film voranschreitet, desto mehr wird er zur pflichtschuldigen, braven Nacherzählung des Aufstiegs und Falls des Blackberry und seiner Führungsriege. Und inszenatorisch fällt ihm abgesehen von der hektischen Kamera und ein paar schnellen Montagen nichts ein. So bleibt "BlackBerry" ein einigermaßen kurzweiliger Film, der aber keinerlei Spuren hinterlassen dürfte.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.02.2023, 08:55 Uhr