Interview | Berlinale Shooting Star - "Ich will auch mal zu einem Soundtrack von Hans Zimmer sterben"

Mo 20.02.23 | 09:01 Uhr
Schauspielerin Leonie Benesch steht am 16.01.2023 bei einem Pressetermin in einem Hotel. Bei der Berlinale wird sie als Shooting Star ausgezeichnet. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.02.2023 | Anna Wollner | Bild: dpa/Jens Kalaene

Leonie Benesch hat auf der Berlinale viel vor: Nicht zuletzt wird die 31-Jährige am Montagabend als European Shooting Star ausgezeichnet. Dabei ist Benesch ein alter Hase im Filmgeschäft. Ihr Job, sagt sie im Interview, begeistert sie - aber nicht immer.

rbb|24: Leonie Benesch, Sie müssen auf der Berlinale gleich mehrfach über den roten Teppich, werden im Rampenlicht stehen. Nötiges Übel für den Beruf oder können Sie das auch genießen?

Leonie Benesch: Es kommt immer darauf an, mit wem man das macht und wie ausgeruht ich bin. Es hat mich in der Vergangenheit komplett überfordert, es sieht aber so aus, als könnte das auf der Berlinale einen Haufen Spaß machen.

Beim Shooting Star Award geht es darum eine:n Newcomer:in auszuzeichnen. Sie stehen seit über 14 Jahren erfolgreich vor der Kamera. Wie fühlt sich das an, jetzt Shooting Star zu sein?

Um ehrlich zu sein war ich selbst ein wenig überrascht, als ich zunächst bei German Films in die engere Auswahl gekommen bin. Aber die Überraschung wich schnell großer Freude. Denn egal wie alt man ist, wo man auf der Karriereleiter gerade ist, ist es immer eine große Ehre und eine tolle Möglichkeit neue Leute aus der Filmwelt kennenzulernen.

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Schauspielerin Leonie Benesch steht am 16.01.2023 bei einem Pressetermin in einem Hotel. Bei der Berlinale wird sie als Shooting Star ausgezeichnet. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
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Leonie Benesch wurde 1991 in Hamburg geboren und studierte in London Schauspiel. 2009 spielte sie eine der Hauptrollen in Michael Hanekes vielfach ausgezeichnetem Film "Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte". Für die Rolle der Greta Overbeck in den ersten drei Staffeln von "Babylon Berlin" erhielt sie den Deutschen Schauspielpreis. Unter anderem spielte sie 2017 in zwei Folgen der britischen Fernsehserie "The Crown". Auf der 73. Berlinale ist Benesch in der Serie "Der Schwarm" zu sehen sowie im Spielfilm "Das Lehrerzimmer".

Sie haben 2009 in Michael Hanekes "Das weiße Band" eine der Hauptrollen gespielt. Der Film lief im Wettbewerb in Cannes und war für einen Oscar nominiert. Viele haben Ihnen damals eine steile Karriere versprochen. Aber Sie haben es ruhig angehen lassen, erst Mal Abitur gemacht und sind dann zum Studium nach London. Warum?

Ehrlich gesagt war ich damals überfordert. Und dann wollte ich erstmal die Schule zu Ende bringen, bin anschließend nach Berlin gezogen um mir darüber klar zu werden, ob ich die manchmal doch seltsamen Aspekte der Filmbranche wirklich auf Dauer mitmachen möchte. Mit der Zeit bin ich immer mehr Menschen begegnet, die mir aufgezeigt haben, wie viele schöne und inspirierende Seiten unsere Branche hat. Ich habe begriffen, dass es darum gehen muss, die richtigen Menschen zu treffen und Meisterin des eigenen Handwerkes zu werden.

Seit 2021 leben Sie wieder in Berlin. Vermissen Sie London?

Unglaublich, aber London hat sich seit dem Brexit sehr verändert. Ein Grund, warum ich wieder zurück nach Berlin wollte.

Ist Berlin für junge Schauspieler:innen der Place to be?

Vermutlich schon. Weil hier alle sind. Wenn man mitspielen will, macht es Sinn, erstmal vor Ort zu sein. Ich habe mir auch nur geleistet London zu verlassen, weil ich mittlerweile einen Fuß in der Tür habe und jederzeit wieder zurückkönnte. Durch bestimmte Projekte, die ich dort machen durfte, glaube ich, dass es nicht mehr ganz so wichtig für mich ist, ständig auf Abruf dort zu sein. Wenn ein Projekt in Frage kommt, kann ich dafür anreisen.

Ist ein englisches Casting anders als ein deutsches?

In England ist das eine viel größere Maschine. Die Zeiten sind kürzer, die Konkurrenz ist größer. Das ist Reinkommen, Abliefern und wieder gehen. In Deutschland wird sich Zeit genommen, da ist ein Casting mehr ein Prozess, ein Ausprobieren mit unterschiedlichen Leuten in unterschiedlichen Konstellationen. Oftmals auch mit viel Improvisation. In England gibt es das oft – wenn überhaupt – erst in den letzten Runden, der Weg bis dahin ist viel härter.

Seit wann wollten Sie Schauspielerin werden?

Besessen von dem Gedanken Schauspielerin zu werden war mit 13. Ich habe "Gladiator" geschaut und dachte, ich will auch mal zu einem Soundtrack von Hans Zimmer sterben. Das habe ich in "The Crown" dann auch abgehakt

Wann haben Sie ihre Leidenschaft fürs Spiel entdeckt?

Das muss bei "Das weiße Band" gewesen sein. Ich hatte einen Coach für "Method Acting". Richtig entflammt ist die Leidenschaft dann an der Schauspielschule. Wobei die mir auch wieder viel genommen hat, weil ich ständig mit der Nase auf Dinge gestoßen wurde, die ich nicht konnte. Die Leidenschaft kommt und geht phasenweise. Oft weiß ich gar nicht, warum ich das mache.

Die European Shooting Stars 2023 Awards werden am Montagabend auf der 73. Berlinale verliehen an: Joely Mbundu (Belgien), Alina Tomnikov (Finnland), Leonie Benesch (Deutschland), Thorvaldur Kristjansson (Island), Benedetta Porcaroli (Italien), Yannick Jozefzoon (Niederlande), Kristine Kujath Thorp (Norwegen), Judith State (Rumänien), Gizem Erdogan (Schweden) and Kayije Kagame (Schweiz).

Warum machen Sie es gerade?

Weil ich von der absoluten Notwendigkeit von Kunst überzeugt bin. Und innerhalb des Kunstfeldes ist Schauspiel das, was mir liegt. Ich glaube an die Macht und die Wichtigkeit des Geschichtenerzählens. Und ich möchte in diesem Bereich tätig sein. Ich bin keine Regisseurin, keine Autorin, auch keine Produzentin. Ich spiele. Es gibt sehr viel Schrott, aber es gibt auch sehr viel Tolles, Besonderes, Feines, Menschen mit Visionen. Mit denen arbeiten zu dürfen ist das Schönste.

Mit zwei dieser Projekte, sind Sie auf der Berlinale. Die Serie "Der Schwarm“ und im Panorama im Film "Das Lehrerzimme". Hier spielen Sie eine Lehrerin...

Ja, eine Mathe und Sportlehrerin an einem Gymnasium. An dieser Schule wird geklaut und Carla Novak, die Lehrerin, die ich spiele, versucht – während sich die Dinge überschlagen – immer das Richtige zu tun, manövriert sich aber weiter und weiter in eine Ecke. İlker Çatak, der Regisseur hat einen klugen Kommentar zu unserer momentanen Debattenkultur geschaffen.

Ist durch die Arbeit an "Der Schwarm" ihre Angst um die Erde größer geworden?

Ich bin leicht nachrichtensüchtig. Ich habe kein Social Media, aber ich verbringe meine gesamte Zeit eigentlich damit, gut fundierte Nachrichtenartikel zu lesen, und da komme ich nicht umhin, dass meine Angst um die Erde größer wird. Zu Recht! Die Angst wurde vom Dreh zu "Der Schwarm" jetzt nicht unbedingt noch verstärkt. Allerdings bin ich familiär vorgeprägt. Ich komme aus einem ziemlichen Ökohaushalt. Umweltschutz wurde bei uns schon immer groß geschrieben. Ich fühle mich diesbezüglich schnell unglaublich machtlos.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Leonie Benesch sprach Anna Wollner für rbb|24.

Sendung: ttt-titel-thesen-temperamente, 19.02.2023, 23:35 Uhr

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