Rundfunk in Ost und West - Kalter Krieg im Radio

Mo 21.10.13 | 12:00 Uhr | Von Vanessa Loewel
Das RIAS-Gebäude in der Kufsteiner Straße (Bild: DPA)
Bild: dpa

Nicht einmal eine Woche nach dem Kriegsende können die Deutschen wieder Radio hören. In den folgenden Jahren entwickelte es sich schnell zum Massenmedium. Auch der Kalte Krieg wurde im und mit dem Radio ausgetragen. Zentraler Schauplatz war Berlin. Von Vanessa Loewel

Nur fünf Tage nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Deutschlands wird bereits wieder gesendet: "Die Periode des Krieges ist zu Ende. Die Periode der friedlichen Entwicklung hat begonnen."

Aus dem Haus des Rundfunks in Berlin, dort, wo Tage zuvor noch das nationalsozialistische Radio Joseph Goebbels Propaganda verbreitet hat, gründet die sowjetische Militärregierung den "Berliner Rundfunk". Die Amerikaner gehen ein Jahr später mit dem RIAS auf Sendung, dem "Rundfunk im Amerikanischen Sektor": "Hier ist RIAS Berlin. Eine freie Stimme in einer freie Welt", schallt es aus dem Äther.

Ein Ereignis, zwei Versionen

Am Anfang herrscht noch Einigkeit: Es gilt die Regel, dass sich die alliierten Mächte im Radio nicht gegenseitig kritisieren und nicht kritisiert werden dürfen. Doch bald lassen sich die Konflikte nicht mehr verbergen und werden auch im Hörfunk expliziter. 1947 startet der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay die "Talk-Back-Kampagne": Von nun an wird zurückgesendet.

Der RIAS berichtet live von der Berlin-Blokade oder dem Arbeiter-Aufstand 1953: "Schwere sowjetische Panzer haben soeben die Leipziger Straße besetzt." Das DDR-Radio reagiert oft erst spät, mit steifen Ansprachen: "Guten Abend, meine Hörerinnen und Hörer. Eine tiefe Empörung hat unsere Werktätigen erfasst."

Live-Berichterstattung an der Berliner Mauer

Der RIAS ist das meistgehörte Radio der Stadt - in West wie Ost. Daran können selbst die Strafen nichts ändern: Wer in der DDR den West-Sender hört, muss mit Gefängnis rechnen. Wer RIAS-Reportern Informationen liefert, riskiert wegen Spionage die Todesstrafe. 1955 verkündet das DDR-Radio: "Gestern hat das oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik den RIAS-Agenten Joachim Wiebach zum Tode verurteilt."
 
1954 wird in West-Berlin ein zweiter Sender gegründet - der "Sender Freies Berlin" (SFB). Schon sein Name ist eine Kampfansage. Der Kalte Krieg im Radio spitzt sich zu: Als 1961 die Mauer gebaut wird, stellt sich der RIAS direkt an die Grenze und beschallt die Volkspolizisten: "Und glaubt nicht, was über West-Berlin und die Bundesrepublik verbreitet wird. Vor allem aber: Schießt nicht auf eure eigenen Landsleute!"

West-Musik im DDR-Rundfunk

Erst Mitte der 60er wird die Entspannungspolitik auch im Radio hörbar: Der DDR-Hörfunk kämpft jetzt nicht mehr mit Strafen, sondern mit neuen Formaten um seine Hörer. Der Jugendsender DT 64 wird gegründet: "Herzlich Willkommen, liebe Leute, zu Jugendstudio DT64."

Sogar West-Musik wird gesendet, leise Kritik wird möglich und gewagt. Trotzdem bleibt der Rundfunk die offizielle Stimme der DDR. Am Tag des Mauerfalls, am 9. November 1989, berichtet der DDR-Hörfunk: "Kein Andrang am Grenzübergang. Die Schlagbäume sind zwar geöffnet. Aber es ist hier kein Andrang."  

Erst mit der Vereinigung verstummt der Kalte Krieg im Radio endgültig. 1991 wird der Rundfunk der DDR abgewickelt, der RIAS stellt 1993 seinen Sendebetrieb ein.

Beitrag von Vanessa Loewel

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