Sperrzeit wegen Coronavirus - Opernhäuser planen Geisterspiele und weichen ins Internet aus

Mi 11.03.20 | 17:41 Uhr
Archivbild: Der Große Saal der Staatsoper Unter den Linden steht leer. (Quelle: imago images/C. Mang)
Bild: imago images/C. Mang

Katerstimmung in Berlins Kulturszene nach der Absage aller Großveranstaltungen. Doch Not macht erfinderisch: Einige Vorstellungen werden im Internet übertragen - auch durch den rbb. Karteninhabern wollen die Opernhäuser und Theater kulant begegnen.

Was Sie jetzt wissen müssen

Am Tag nach der Absage sämtlicher größerer Veranstaltungen in den staatlichen Bühnen Berlins haben sich die Intendanten der betroffenen Häuser auf die nächsten Schritte verständigt. Die Chefs der landeseigenen Bühnen, darunter die Deutsche Oper, die Komische Oper, die Staatsoper Unter den Linden und das Deutsche Theater, wollen beim Umgang mit gekauften Eintrittskarten am selben Strang ziehen.

Demnach können bereits erworbene Tickets für Veranstaltungen bis zum 19. April für spätere Vorstellungen umgetauscht werden. Möglich ist auch der Umtausch in einen Gutschein oder die komplette Rückerstattung. Das bereits bezahlte Geld kann aber auch den Häusern gespendet werden, um die dort erwarteten Verluste abzufedern. Spendenwillige erhalten von den Häusern entsprechende Quittungen. Die Regelung betrifft alle Karten, die für Veranstaltungen in den landeseigenen Bühnen in Sälen mit mehr als 500 Plätzen für den Zeitraum 10. März bis 19. April gekauft wurden.

Komische Oper: "Hier sind alle perplex"

Seitens der Bühnen hieß es am Mittwoch übereinstimmend, die Proben liefen wie gewohnt weiter. Die Komische Oper wird allerdings die Dichte der Proben reduzieren, wie die Sprecherin des Hauses, Andrea Röber, sagte. Nur der Chor probt so wie ursprünglich geplant. Da die Komische Oper über keinen kleinen Saal verfügt, sind sämtliche Vorstellungen in den kommenden fünf Wochen von der Absage betroffen.

"Hier sind alle perplex und hoffen auf den 20. April", sagte Röber dem rbb. Ab dem 20. April, nach den Osterferien, soll nach bisherigen Planungen die Sperre aller Großveranstaltungen in den Berliner Bühnen wieder aufgehoben werden. Besonders verunsichert seien die freien Künstler, dabei vor allem die Tänzer, die nicht fest angestellt sind und für die Komische Oper sehr wichtig sind.

Carmen und Idomeneo im Livestream

Matthias Schulz, Intendant der Staatsoper Unter den Linden, sprach im Gespräch mit dem rbb von einem "schmerzhaften Schritt", da viele Vorstellungen ausverkauft waren. "Wir hadern aber nicht, sondern werden damit umgehen", so Schulz. Sein Haus setzt auf innovative Wege: Die Staatsoper Unter den Linden weicht teilweise auf das Internet aus. Die Vorstellung der Oper "Carmen" mit Generalmusikdirektor Daniel Barenboim wird an diesem Donnerstag vor leeren Rängen aufgeführt und über die Internet-Plattformen der Staatsoper und des rbb kostenlos gestreamt, so Schulz. Auch im rbb-Hörfunk wird die Vorstellung ausgestrahlt.

Für die Premiere der Mozart-Oper "Idomeneo" am 22. März mit dem Dirigenten Sir Simon Rattle strebt die Staatsoper eine ähnliche Lösung an. Auch die Festtage der Staatsoper über Ostern, zu der jedes Jahr auch viele Zuschauer aus dem Ausland anreisen, sind betroffen.

Deutsche Oper und Philharmonie per Mausklick

Auch die Deutsche Oper überlegt, am 21. März die Premiere des "Antikrist" entweder per Livestream zu übertragen oder den Termin zu verschieben, wie Geschäftsführer Thomas Fehrle dem rbb sagte. "Die Aufführungen Aida und Othello entfallen komplett", so Fehrle. Ob im kleinen Saal der "Tischlerei" Veranstaltungen stattfinden könnten, sei noch unklar.

Auch die Berliner Philharmonie schließt mit sofortiger Wirkung beide Säle, also den Großen Saal und auch den Kammermusiksaal, wie am Mittwoch bekannt gegeben wurde. Auch die täglichen Führungen durch die Philharmonie sowie die kostenlosen Lunchkonzerte finden bis 19. April 2020 nicht statt.

Allerdings wird auch die Philharmonie die Möglichkeiten des Internet nutzen: Das Konzert der Berliner Philharmoniker mit Sir Simon Rattle und den Vocalsolisten Stuttgart am Donnerstag um 20 Uhr wird ohne Publikum gespielt und live über die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker im Internet kostenlos gestreamt. Die Konzertkarten für die abgesagten Veranstaltungen in den kommenden fünf Wochen werden erstattet, wie die Philharmonie mitteilte.

Berliner Ensemble lässt Großen Saal offen

Am Mittwoch folgten zudem weitere Häuser und Veranstalter dem Aufruf von Kultursenator Klaus Lederer (Linke), größere Vorstellungen abzusagen. Die Berliner Festspiele streichen alle Veranstaltungen bis zum 9. April. Davon betroffen ist auch das MaerzMusik-Festival für Zeitfragen. Das HAU Hebbel am Ufer stellt seinen Spielbetrieb bis zum 19. März ein, ausgewählte Veranstaltungen werden per Livestream übertragen. Welche das sind, ist auf der Internetseite des HAU abrufbar.

Das Berliner Ensemble verzichtet derweil auf eine Schließung seines Großen Saals, begrenzt aber dessen Platzkapazität: Der 2. Rang wird geschlossen, das Belüftungssystem geändert, alle Räume werden intensiver gereinigt und desinfiziert, wie das Berliner Ensemble am Donnerstag mitteilte. Die Zuschauerkapazität im Großen Saal wird auf 480 beschränkt. Uneingeschränkt bespielt werden die kleinen Bühnen des Berliner Ensembles (Neues Haus und Werkraum).

Bühnenverein fordert Geld für Privattheater

Derweil betrachten viele Häuser die kommenden Wochen mit Blick auf ihre Kassen mit großer Sorge. Allein dem Friedrichstadtpalast fehlten nun über zwei Millionen Euro Umsatz, sagte Intendant Bernd Schmidt am Mittwoch dem Inforadio vom rbb. 40.000 Eintrittskarten müssten erstattet werden, da der Saal bis zum 19. April nicht bespielt werden dürfe. Schmidt sagte, der Kultursenator habe versprochen, sich um finanzielle Unterstützung zu bemühen.

Der Intendant des Deutschen Theaters und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon, wünscht sich finanzielle Kompensation auch für Privattheater. Das sei im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit, erklärte Khuon am Mittwoch im rbb. Es sei wichtig, das öffentlich zu sagen, damit diese Selbstverständlichkeit auch im Bewusstsein der Politik sei. Das gelte auch für Privattheater und die Freie Szene. Es dürfe da keine Zweiklassengesellschaft geben.

Am Deutschen Theater fallen die Vorstellungen im Großen Saal bis zum 19. April aus. In den Kammerspielen und der Box kann weitergespielt werden, da sie weniger als 500 Plätze haben. Vorstellungen ohne Publikum zu spielen, die per Internet-Livestream verfolgt werden können, hält Khuon nach eigenen Worten zwar für eine Möglichkeit, aber Livestream könne das Zusammenkommen und den Austausch nicht ersetzen.  

Grütters sagt Hilfe zu

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will derweil Künstler und Kultureinrichtungen bei den Folgen des Coronavirus unterstützen. "Wir müssen auf unverschuldete Härten und Notlagen reagieren und sie ausgleichen", sagte sie am Mittwoch in Berlin. Absagen von Kulturveranstaltungen und spürbarer Besucherrückgang könnten "gerade kleinere Einrichtungen und freie Künstlerinnen und Künstler in erhebliche Bedrängnis" bringen. Die Kulturlandschaft sei durch Ausfälle "schwer gebeutelt".

Sendung: Abendschau, 11.03.2020, 19:30 Uhr

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