Interview | Ulrich Matthes zum Deutschen Filmpreis - "Die Nominierten werden aufgeregt auf dem Sofa sitzen"

Fr 24.04.20 | 07:42 Uhr
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Archivbild: Kostja Ullmann, Monika Grütters, Ulrich Matthes und Emilia Schüle beim Fototermin bei der Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2020 im Delphi Filmpalast, Berlin. (Quelle: imago images)
Audio: Radioeins | 22.04.2020 | Interview mit Ulrich Matthes | Bild: imago images

Wegen Corona wird der Deutsche Filmpreis diesmal nicht in einer rauschenden Gala verliehen, sondern in einem Fernsehstudio. Filmakademie-Präsident Ulrich Matthes sagt, warum die Verleihung ihm gerade jetzt wichtig ist - und was er dabei besonders vermissen wird.

rbb: Herr Matthes, wie groß ist Ihr Dank, dass die Verleihung des Deutschen Filmpreises stattfindet?

Ulrich Matthes: Ich bin sehr froh, dass sie stattfindet. Die gesamte Filmbranche hat es wirklich hart getroffen – wie viele andere Branchen auch. Die Kinolandschaft ist total gefährdet. Die Produktionen liegen brach. Sehr viele Menschen in den unterschiedlichsten Gewerken, wie beispielsweise Schauspielerinnen und Schauspieler, knapsen total.

Insofern brauchte es unbedingt dieses Signal der Solidarität und des Mutmachens. Vor allem werden damit auch die Leistungen der Nominierten des vergangenen Kinojahres gewürdigt. Es wäre fatal und einfach traurig für die Branche, wenn nun auch noch diese Preisverleihung ausfallen würde. Die Produktionsgesellschaften können die Preisgelder gleich in die nächste Produktion stecken. Insofern muss das Kinoleben irgendwann weitergehen. Ich bin momentan sehr in Sorge, dass wir womöglich nach Corona nur noch die Hälfte aller Kinos in ganz Deutschland haben werden. Und abgesehen von dem wirtschaftlichen Aspekt, wäre es auch kulturell furchtbar. Vor allem Kleinstädte auf dem Land brauchen die Kinos als soziale und kommunikative Orte.

Wo sind denn gerade die Stellschrauben, an denen Sie noch was machen können?

Ich rutsche auch auf Knien, wenn es was nützt. In dieser Woche hatte ich erst noch ein längeres Gespäch mit Monika Grütters (Anm. d. Red. Kulturstaatssekretärin). Ich habe mich auch vor Corona immer schon gegen jegliches Politiker-Bashing verwahrt. Allerdings kommt die Kultur deutlich zu kurz. Es wäre gut, wenn in der zweiten Welle der sozialen Maßnahmen die Kultur deutlicher und bewusster erwähnt und bedacht würde. Denn wir alle merken in diesem Lockdown, wie bedürftig wir sind, mal wieder ins Kino zu gehen, ins Fußballstadion, in die Konzertsäle oder ins Theater.

Das wird, so schätze ich, noch lange nicht mehr möglich sein. Die Sehnsucht danach wird immer größer. Ich würde auch gerne mal wieder auf der Bühne stehen. Insofern kann ich nur einen leidenschaftlichen Appell an die Politik richten: Vergesst die Kultur nicht, vergesst den Film, das Kino sowie die Theater nicht.

Können Sie sich vorstellen, dass unter Corona-Bedingungen, also mit Abstand und Mundschutz, gespielt werden könnte?

Man kann darüber nachdenken. Ulrich Khuon, mein Intendant am Deutschen Theater, und viele andere Intendanten denken darüber nach, was man von den Stücken spielen könnte. Dann baut man ein paar Sitzreihen aus und die Leute sitzen mit Abstand im Saal. Anstatt 600 Besuchern, die normalerweise ins Deutsche Theater kommen, passen eben nur 200 Zuschauerinnen und Zuschauer rein. Und es werden eben Stücke gespielt, bei denen nur ein, zwei oder drei Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne stehen, bei denen man sicher sein kann, dass sie sich nicht so nahe kommen.

Alle müssen irgendwie improvisieren. Alle müssen irgendwie damit klarkommen. Theater mit Masken schließt sich aber aus. Das menschliche Gesicht möchte man in all seinen Facetten, in seinen Schönheiten und seinen weniger schönen Seiten sehen. Dafür plädiere ich also nicht. Aber ich wäre sehr dafür, auch nur vor 50 Zuschauern zu lesen.

Auch die Gala zum Deutschen Filmpreis ist improvisiert: Auf der einen Seite gibt es kein Publikum, andererseits soll es berauschende Bilder geben. Wissen Sie, wie das Studio aussehen wird?

Ich möchte nicht zu viel verraten, natürlich um die Spannung zu kitzeln. Die Regisseurin Sherry Hormann hat sich sehr schöne Sachen einfallen lassen. Edin Hasanovic (Anm. d. Red.: Der Schauspieler moderiert die Gala) wird es großartig machen. Es gibt etliche Laudatorinnen und Laudatoren im Studio, wie beispielsweise Iris Berben, Jannis Niewöhner, Charly Hübner oder Monika Grütters. Auf großen Screens werden die Nominierten zitternd und aufgeregt zu Hause auf dem Sofa sitzen und denken, hoffentlich gewinne ich. Ich glaube, der Abend kann in seiner etwas reduzierten Form durchaus humorvoll und ein bisschen ernst gleichermaßen werden. Das wäre schön.

Wird es eine kleine Party geben?

Wir werden uns natürlich leider nicht gegenseitig in die Arme sinken und Küsschen wohin auch immer geben. Das fällt aus. Und das ist schmerzhaft. Es gehört eigentlich zum Filmpreis dazu, dass man auch die, die nicht gewonnen haben, tröstet und in den Arm nimmt. Wir sind ja körperliche Wesen. Wir wollen uns knuddeln und in den Arm nehmen, und ich vermisse die Berührung schmerzlich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Ulricht Matthes führten Volker Wieprecht und Robert Skuppin, Radioeins.

Bei dem Text handelt es sich um eine redigierte und leicht gekürzte Fassung. Das vollständige Interview können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: Abendschau, 24.04.2020, 19:30 Uhr

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1 Kommentar

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  1. 1.

    Nix mit Aftershowparty und roter Teppich für die Schauspieler. Da müssen die bunten Blätter eben weiter darben.

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