Corona-Alltag - Wie Kabarettisten im Home-Office mit der Krise umgehen

Di 28.04.20 | 12:17 Uhr | Von Oliver Kranz
Collage: Die Kabarettisten Frank Smilgies (l.), Arnulf Rating (m.) und Timo Doleys (r.) (Bild: dpa/Stache/Hoppe; imago/Schüler | Collage: rbb24)
Audio: rbbKultur | 24.04.2020 | Oliver Kranz | Bild: dpa/Stache/Hoppe; imago/Schüler | Collage: rbb24

Die ersten Corona-Beschränkungen sind gelockert, aber die Theater bleiben weiter dicht. Und das betrifft auch das Kabarett. Bühnen wie die "Distel" oder die "Wühlmäuse" in Berlin fürchten um die Existenz. Was tun Kabarettisten, die im Home-Office festsitzen? Von Oliver Kranz

Arnulf Rating genießt die Krise. Er wohnt im Norden von Berlin und wird oft von Fluglärm geplagt. Der fällt jetzt weg. "Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich im Winter sehr viel getourt bin und eigentlich sowieso Ferien machen wollte. Und insofern arbeite ich dann an meinen neuen Programmen. Und da wird mir gerade der Stoff frei Haus geliefert", sagt Rating.

Dem Satiriker geht es immer dann gut, wenn es der Gesellschaft schlecht geht. Wobei viele der alten Gewissheiten gerade ins Wanken geraten. Ist im Kapitalismus wirklich der Profit das Wichtigste? Im Moment steht das halbe Land still und die Gesundheit scheint Priorität zu haben. "Das finde ich eine erfreuliche Entwicklung. Ich habe schon überlegt, ob das mit meiner Tätigkeit zusammenhängt", meint Rating. Seit seinem letzten Auftritt Mitte März wende sich auf einmal die Politik dem zu, was jahrelang gefordert wurde: "also weniger arbeiten, weg mit dem Wachstumswahn. Die Leute sitzen entspannt zu Hause und es geht. Der Finanzminister macht auf einmal das Portemonnaie auf und das Geld ist da."

Rating hat Soforthilfe beantragt

Arnulf Rating hat selber 5.000 Euro Soforthilfe beantragt und auch bekommen. Einige Auftritte sind ihm weggebrochen. Der Kabarettist weiß noch nicht, was er tun wird, wenn die Theater längere Zeit geschlossen bleiben sollten. Bis zum Ende der Sommerpause will er erst einmal durchhalten. Das will auch Frank Smilgies, der in verschiedenen Kabarettformationen mitwirkt, zum Beispiel im Duo "Ulan und Bator".

"Ich verstehe auch, wenn jetzt viele Leute - und zu denen gehöre ich auch - erst mal gucken, wo sie selber bleiben, also sowohl finanziell als auch sozial und dass man irgendwie gesund bleibt. Also nicht nur frei von Viren, sondern auch gesund im Kopf", so Smilgies.

Schreiben gegen die Krisenbewältigung

Deshalb postet Frank Smilgies täglich Krisentipps seiner Bühnenfigur Gordon Brettsteiger als Videoclips im Internet. "Diese Sachen können dann für die Bühne wachsen. Also ich finde jeden Tag Themen, und die schreibe ich fort."

Schreiben, schreiben, schreiben ist Frank Smilgies Weg zur Krisenbewältigung. Sein Kollege Timo Doleys vom Kabarett "Distel" setzt eher aufs Lesen: "'Die Pest' von Camus habe ich noch nie gelesen und bin jetzt gerade dabei. Das ist natürlich spannend, dass so eine Krise vor langer Zeit ähnliche Mechanismen hat wie heute", meint Doleys.

Und wenn er nicht liest, hört Timo Doleys Politikerreden und sammelt Material für seine Auftritte. Im Kabarett "Distel" parodiert er seit fünf Jahren die Bundeskanzlerin mit blondbrauner Strähnchenfrisur, Blazer und Perlenkette.

Merkel am Küchentisch

Für die Corona-Krise hat Timo Doleys eine Reihe mit Videobotschaften aufgenommen, in denen Angela Merkel am Küchentisch sitzt und sich ans Volk wendet. Zwei kurze Clips gibt es schon, weitere sind in Arbeit. "Das Wort 'Öffnungsdiskussions-Orgie' findet vielleicht in einer der nächsten Videobotschaften statt. Oder vielleicht backt sie auch. Vielleicht hat sie Hefe bekommen in irgendeinem Supermarkt und backt jetzt mit Herrn Sauer einen schönen Hefezopf", erzählt Timo Doleys.

Sorgen um das "Distel"-Ensemble

Material für Angela Merkel-Parodien hat Timo Doleys jede Menge. Da er beim Kabarett "Distel" fest angestellt ist, erhält er Kurzarbeitergeld und ist vorerst abgesichert. Doch er macht sich Sorgen um sein Ensemble: "Wir leben von dem, was wir im Haus an Tickets verkaufen. Wir haben keinen Sponsor, wir haben keine Subventionen. Wir haben keine Unterstützung bei der Miete. Jeden Cent, den wir investieren wollen, in einen Scheinwerfer, in eine Glühbirne, den verdienen wir selbst", erklärt Timo Doleys. Darauf war das Ensemble bisher stolz. Doch seit dem 13. März habe sich alles geändert.

Die Zukunft der "Distel" hängt ähnlich wie die der anderen Privattheater von staatlichen Hilfsmaßnahmen ab. Bisher ist ausreichend Geld geflossen. Bleibt zu hoffen, dass es so bleibt.

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Beitrag von Oliver Kranz

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