Konzertkritik | Ute Lemper - Ein Konzert der Befreiung inmitten der Corona-Krise

Mi 22.04.20 | 08:44 Uhr | Von Lennart Garbes
ARCHIV - Die Musicaldarstellerin, Chansonsängerin und Schauspielerin Ute Lemper (Quelle: dpa/Hoppe)
Audio: inforadio | 22.04.20 | Lennart Garbes | Bild: dpa/Hoppe

Ute Lemper ist ein deutscher Weltstar. Die Chanson-Sängerin und ehemalige Musical-Darstellerin füllt überall die Konzertsäle. Aus besonderem Anlass hat Lemper nun aber auch ein Konzert von zuhause gegeben. Von Lennart Garbes

Ute Lemper hat sich den Tag für ihr Wohnzimmer-Konzert in Zeiten der Corona-Pandemie ganz genau ausgesucht. Am Dienstag, den 21. April 2020, ist Yom Hashoah, der israelische Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts und den jüdischen Widerstand. Anlässlich von 75 Jahren Befreiung der Konzentrationslager singt Ute Lemper Lieder, geschrieben von jüdischen Gefangenen während des Holocausts.

Penthouse statt großer Bühne

Der Livestream beginnt bei hellem Tageslicht um 14 Uhr Ortszeit in einer Ecke von Lempers New Yorker Penthouse-Wohnung. Aber auch ohne Scheinwerferlicht und große Bühne transportiert die Chansonniere mit Broadway-Vergangenheit eine mitreißende Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. Ihr Mund zeichnet den Schmerz der Lieder nach. Ihr Blick scheint bei Ilse Webers "Ich wandre durch Theresienstadt" wirklich über die Mauer des Ghettos zu blicken.

Lemper singt in drei Sprachen, auf Jiddisch, Englisch und Deutsch. Begleitet wird sie dabei von ihrem Sohn Max an der Gitarre und ihrem langjährigen Pianisten Vana Gierig - in sicherem Abstand. Der Konzertstream ist ein kleiner Vorgeschmack auf Lempers Auftritt im Rahmen des "Voices of Hope: Artists in Times of Oppression"-Festivals der New Yorker Carnegie Hall im kommenden Jahr.

Musik und Talk

Das Programm mit dem Namen "Songs for Eternity" (Lieder für die Ewigkeit) schuf Ute Lemper vor fünf Jahren. Grundlage war ein Buch mit jüdischen Liedern, aus den Ghettos und Konzentrationslagern, gesammelt und aufgeschrieben von dem Holocaust-Überlebenden Shmerke Kaczerginsky. Das Buch war ein Geschenk von Lempers Freundin Orly Beigel. Auch sie kommt während des Konzertstreams zu Wort, erzählt zugeschaltet aus Mexico City über die Kraft der Musik und ihre Mutter, die das KZ überlebte und sich später doch das Leben nahm.

Insgesamt gibt es während des einstündigen Konzerts vier Gäste, so dass die die Musik zeitweise etwas in den Hintergrund gerät. Neben Beigel spricht Lemper mit Clive Gillinson, dem Direktor der Carnegie Hall, die den Stream bereitstellen, dem deutschen Cellisten Jan Vogler und Elie Wiesels Sohn, Elisha. Wobei Cellist Vogler und dessen Frau Mira Wang mit einem Stück des experimentellen Komponisten Erwin Schulhoff auch für musikalische Abwechslung sorgen.

Weill und Dietrich zum Schluss

Zum Ende des Konzerts gibt es dann Lieder von drei Deutschen, die aus Nazideutschland emigriert waren. Zuerst die englische Version von Marlene Dietrichs "Lilly Marleen", gefolgt von Kurt Weill und Bertolt Brecht, deren Lieder Lemper seit Jahrzehnten im Programm hat.

Es ist Lempers großartige Chanson-Stimme, die dabei immer wieder Türen in eine andere Zeit öffnet und mit viel Gefühl darauf hinweist, dass es auch in Zeiten von Corona wichtig ist, an vergangenes Grauen zu erinnern - genauso wie an die unerschütterliche Hoffnung und den Widerstand dagegen.

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Beitrag von Lennart Garbes

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