Existenzkampf der Berliner Clubs - "Wenn wir ehrlich sind, sind wir eigentlich alle insolvent"

Fr 17.07.20 | 12:18 Uhr | Von Henrike Möller
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Ein Mann steht vor dem Eingang zum Nachtclub Cassiopeia auf dem RAW-Gelände. (Quelle: Lisa Ducret/dpa)
Bild: Lisa Ducret/dpa

40 der 140 Berliner Clubs haben Soforthilfe IV vom Berliner Senat erhalten. Im Schnitt 81.000 Euro, aber sehr ungleich verteilt. Und gerettet sind sie damit nicht. Clubs wie das "Cassiopeia" hoffen vielmehr auf nachhaltige Konzepte. Von Henrike Möller

Er sei wirklich dankbar, betont Florian Falkenhagen immer wieder. Er ist Geschäftsführer vom Cassiopeia, einem Club mit 15-jähriger Geschichte auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain. Und trotzdem: "Das ist nichts, wo man jetzt sagen kann, ok, wir haben’s geschafft, wir können jetzt durchatmen."

89.000 Euro hat das Cassiopeia vom Senat bekommen. Das ist mehr als die meisten anderen Clubs, deren Antrag auf Soforthilfe IV genehmigt wurde. Länger als drei Monate wird das Geld aber dennoch nicht reichen, sagt Falkenhagen.

Mini-Events für die Community - nicht fürs Geld

Wie viele andere Clubs auch veranstaltet das Cassiopeia in seinem Außenbereich inzwischen zwar kleine Events wie Open Air-Kneipenquizze, Flohmärkte oder Biergarten-Abende. Geld bringen diese Alternativ-Konzepte aber kaum, sagt Florian Falkenhagen: "Das ist alles ein Tropfen auf den heißen Stein, machen wir uns nichts vor. Tatsächlich machen wir diese Aktionen, um unsere Mitarbeiterinnen ein Stück weit aus dem Kurzarbeiter-Geld rauszuholen."

Das sagt auch Eli vom "About Blank": "Und um die soziale Funktion, die das About Blank hat, aufrechtzuerhalten und dem Stammpublikum etwas zurückzugeben." Seit Anfang Juli hat der Club am Ostkreuz seinen Sektgarten geöffnet.

Eine große treue Community hat sich für die Berliner Clubs unter Corona als überlebenswichtig erwiesen. 130.000 Euro hat das "About Blank" durch Crowdfunding eingenommen - mehr als die meisten anderen Berliner Clubs. Ohne den Support ihres Publikums wäre auch das Schwuz in Neukölln nach eigenen Angaben bereits Ende Mai in die Insolvenz geschlittert.

Hoffnung auf Fördergelder

"Wenn wir ehrlich sind, sind wir im Grunde eigentlich alle insolvent oder zumindest die meisten von uns, weil wir keine Rücklagen haben", sagt Pamela Schobeß, Betreiberin des "Gretchen" am Mehringdamm. "Einige haben Kredite beantragt, obwohl sie jetzt schon im Grunde gar nicht wissen, wie sie sie zurückzahlen sollen." Ihr eigener Schuldenberg beläuft sich inzwischen auf 50.000 bis 75.000 Euro. "Die meisten von uns vertrauen darauf, dass die Förderungen kommen und dass wir darüber unsere Schulden zurückbezahlen können", so Schobeß.

Sie hofft auf die zweite Welle der Soforthilfe IV. Im August startet die Bewerbungsfrist. Diesmal können auch kleine Clubs wie das Gretchen mit weniger als zehn Mitarbeitern Anträge stellen. Bei der ersten Welle der Soforthilfe IV waren diese Clubs von der Antragsstellung ausgenommen. Das Gesamtvolumen der neuen Soforthilfe IV beträgt laut Senatsverwaltung für Kultur 30 Millionen Euro.

Open Air-Veranstaltungen sollen retten

Was die Clubs ebenfalls ein Stück weit aus ihren Schulden hieven könnte, wären Open Air-Veranstaltungen, glaubt Pamela Schobeß, die auch Vorsitzende der Club Commission ist, der Interessenvertretung der Berliner Clubs: "Es gibt ja überall illegale Raves. Da achtet aber niemand auf Mund-Nasen-Schutz oder auf die Abstandsregel. Deswegen wäre das eigentlich eine Win-Win-Situation für alle, wenn es Open-Air-Veranstaltungen gäbe, die organisiert wären, wo sich halt auch Leute entsprechend kümmern und die Verantwortung übernehmen."

Für mehr genehmigte Open Airs in Berlin in der jetzigen Situation setzt sich auch der SPD-Politiker Daniel Buchholz ein. "Das gibt wenigstens ein bisschen Entlastung", sagte er am Freitag im rbb-Inforadio. Bezirke sollten "etwas toleranter schauen", an welchen Orten es Möglichkeiten gibt, um die wichtige und bunte Kulturlandschaft in Berlin zu erhalten, so Buchholz.

Clubs bleiben lieber geschlossen und erhalten Förderung

Dass sie weiterhin geschlossen sind, dafür haben die meisten Berliner Clubs Verständnis. Zumal eine Öffnung unter Abstandsregeln sie erst recht in den finanziellen Ruin treiben würde. Florian Falkenhagen vom Cassiopeia sagt: "Wir brauchen ja auch eine gewisse Anzahl an Personen, um überhaupt unsere Kosten decken zu können. Und mit 1,50 m Abstand schaffen wir das nicht. Meine Angst ist, dass gesagt wird, ok, ihr könnt unter den und den Auflagen aufmachen, und das war's jetzt mit der Unterstützung." Falkenhagen hofft, dass die Clubs solange geschlossen bleiben, "bis es tatsächlich ein Konzept gibt, dass sowohl die Sicherheit der Menschen als auch die wirtschaftliche Sicherheit der Clubs sichert."

Sendung: Inforadio, 17.07.2020, 6:55 Uhr

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Beitrag von Henrike Möller

25 Kommentare

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  1. 25.

    Jawolla immer rauf da. Die Lufthansa muss doch Millionen verdient haben trotzdem haben die Geld bekommen. Also warum nicht auch ein Club der übrigens keine Menschen reich machen soll sondern bei den meisten das Ziel ist schwarze null und Entertainment und Kultur anbieten. Menschen ein lächeln schenken und ein wenig den Alltag vergessen lassen soll das ist das Ziel von den Inhaber von Clubs (jedenfalls die ich kenne). Sowie gab es in den letzten Jahren sehr viele neue Brandschutzverordnungen und lärmschutzrichtlinien vom Land Berlin die die Clubs umsetzen mussten damit sie weiter öffnen konnten. Diese Umbaumaßnahmen machen natürlich die meisten Firmen gratis und frisst kaum Geld*Ironie off*. Ich Spende privat an meine lieblingsclubs und versuche so stark es geht zu unterstützen in dieser Zeit jedoch reicht es nicht. Diese Clubs gibt es schon sehr lange sie gehören zu Berlin und sind auch nicht mehr weg zu denken. Sie haben genau so ein recht auf finanzielle Unterstützung wie andere!

  2. 24.

    So ein Blödsinn. Es gibt auch Clubs die das nach der Arbeit aufgebaut haben, wo Freunde helfen, und gerade so jeden Monat deckeln. Dies alles aus Leidenschaft und bei ner roten Null zufrieden sind. Aber genau diese Clubs bekommen nichts, da keine Arbeitsplätze dran hängen. Da ist das egal, ob die die gleichen Mieten bezahlen müssen. (Dies zu deinen Vorurteilen gegenüber Clubs)

  3. 23.

    Volle Zustimmung Konstanze. Aber viele von den Clubinhabern denken halt sie sind was besonderes und "haben" Anspruch auf staatliche Förderung. Was ein Kultursenator von den Linken ja auch so sieht. Der beschenkt seine Klientel halt auch.

  4. 22.

    Ja, und an apple the day keeps the doctor away. Durch eine gesunde Lebensweise kann man Erkrankungen vorbeugen. Ich vermute, ein so kluger Sprücheklopfer wie Sie wird sich an diese simple Weisheit meines Opas halten, und sollten Sie - was das Schicksal verhüten möge - krank werden, so haben Sie hoffentlich ausreichend dafür vorgesorgt, denn andernfalls würde sich mein Mitleid in Grenzen halten.

  5. 20.

    Nichts anderes habe ich auch von Dir hier erwartet. Bin maßlos enttäuscht von dir.

  6. 19.

    Wie schon meine Oma immer gesagt hat................."Spare in der Zeit, dann hast du in der Not".
    Das haben offensichtlich die wenigsten getan.
    Mein Mitleid hält sich da in Grenzen.

  7. 18.

    Was soll das rumgejammer? Das ist Unternehmerisches Risiko. Und ja, dazu gehören auch Pandemien.
    Wer nach 15 Jahren nicht aussreichend Rücklagen gebildet hat geht eben unter.

  8. 17.

    Hallo Heike, haben Sie schon einmal an Alternativen gedacht?Es fing alles mal ohne Fallzahlen an.Ein Corona-Selbstlauf als Alternative ?Sind ausreichend Lebensmittel,Elektrizität,Medikamente,Kosmetika,Kraftsoffe u.ä.z.B. nichts? Wo kommt das alles bloß her? Sebstläufer?Wie schnell waren Hygieneartikel,Nahrungsmittel knapp!Solange das Vertrauen in die Bewahrung der Gesundheit(der Deutsche tut auch ohne Corona nicht wenig für seine Gesundheit und Schönheit)nicht wiederhergestellt ist wird weniger gekauft,investiert,weniger in Gaststätten gegangen etc. Vielleicht haben Sie und andere, die in die gleiche Kerbe schlagen eine brauchbare Idee. In wie wenig Bars oder Gaststätten werden die Corona-Auflagen eingehalten?Steuergelder und Corona-Kriminalität. Öffentliches Leben und Wirtschaft können sich nur durch Einhaltung der Maßnahmen langsam erholen. Jetzt schnell ist langsam! Ca. 60%Erwerbsfähige.

  9. 16.

    Gottseidank scheint es hier noch vernünftige Leute zu geben, die auch mal den Sinn dieser ganzen Maßnahmen hinterfragen, obwohl es gar keine Fallzahlen mehr gibt.
    Ich finde es unverantwortlich von der Stadt, von dem Land, wie hier mit unseren Steuergeldern umgegangen wird, nur um ein kleines Angst Klientel zu befriedigen, die tatsächlich wahrscheinlich immer noch denken, sie brauchen nur rausgehen und würden sofort tot umfallen.

  10. 14.

    Clubbesitzer haben vor der Krise Millionen gemacht. Null Bedarf an Hilfen.

  11. 13.

    Empathie zeichnet Sie nicht gerade aus. Davon abgesehen - ist es Ihnen eigentlich bewusst - dass es unterschiedliche Lebensentwürfe und individuelle Überlebenskonzepte innerhalb der Gesellschaft gibt? Die Club-Szene trägt zur internationalen Attraktivität der Stadt z.B. als touristischer Standort bei und somit zur Steuereinnahmen. Wovon Sie, als Nutznießer öffentlicher Haushalte ungeniert profitieren. Z.B. als Lohn- oder Gehaltsempfänger in einem anderen Sektor.
    Seltsamerweise sehen manche Menschen die ALG2 als Lösung für andere, selten für sich selbst.

  12. 12.

    Die tote Szene ist echt traurig, und hier geht ein Stück Berlin aber auch Leben verloren.
    Dazu noch dieses erbärmliche Bashing auf Leute, die mal feiern bzw. dies nur wollen.
    Aber wer soll denn eine Änderung an den Verhältnissen herbeiführen?
    CDU mit 40%?
    Medien für die es super läuft und sich nicht mal die 1984-Frage stellen?
    HartzIV-Empfänger für die sich nichts geändert hat?
    Krankenhauspersonal?
    Mitarbeiter mit Homeoffice und 100%?
    Clubbetreiber und -gänger und Studenten, die ihre Arbeit verloren haben, müssten eig. jeden Tag auf der Straße sein.
    Aber dann werden sie als rechts gebrandmarkt.
    Also halten sie auch still.
    Dass ein Links-Senat dies alles tut, der auch bald kein Geld anderer mehr verteilen kann, muss hier jeden aufhorchen lassen.

  13. 11.

    Alg2 ...i h bekomme als ehemaliger Hauptverdiener der Familie 211 € das reicht nicht mal für meine KV.
    Wirklich ein Witz wie wir damit unser Leben halten sollen. Meine Frau weint täglich

  14. 10.

    Es ist nichts passiert nach den einschlägig bekannten Demos. Es passiert nichts nach dem öffnen der Kitas. Kein einziges Bett in der Jaffeestr. ist belegt. Angeblich gab es heute 23 (!) Infizierte. Wenn das alles stimmt, was rechtfertigt denn hier was? Irgendwas stimmt einfach nicht. Jetzt schreien alle nach Quarantäne für ein paar Malle-Feierheinis. Wo waren die Schreihälse die die 10000 Demonstranten in selbige verfrachten wollten ?

  15. 9.

    Ahem, weil man 99% der Bevölkerung ein Berufsverbot eben nicht zumutet? Was für eine ignorante Aussage.

  16. 8.

    Vielleicht sollten die Club-und Partygänger für ihren Club spenden.

  17. 7.

    Es gibt bereits ein passendes Mittel dafür. Das nennt sich ALG 2.
    Warum soll man den vielen Clubbesitzern und deren Mitarbeiter nicht das zumuten, was mit anderen auch zumutet ?

  18. 6.

    Zitat Kopfschüttler: "Dann geht endlich auf die Straße und kämpft für Eure Rechte!"
    Welche Rechte meinen Sie?

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