Zwist um Corona-Papier - Charité-Vorstand distanziert sich von Vorschlag zu vollen Konzertsälen

Di 18.08.20 | 14:22 Uhr
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Archivbild: Der Saal der Komischen Oper Berlin während der Verleihung der "Quadriga-Preises". Mit dem Quadriga-Preis des Vereins Werkstatt für Deutschland werden Personen geehrt, die Zeichen für Aufbruch und Erneuerung gesetzt haben. (Quelle: dpa/S. Stache)
Audio: Inforadio | 18.08.2020 | Maria Ossowski | Bild: dpa/S. Stache

Ein Papier zweier Charité-Institute hält voll besetzte Konzerthäuser für machbar. Doch der Charité-Vorstand distanziert sich von der Stellungnahme. Kulturstaatsministerin Grütters nennt es "einen von mehreren wichtigen Experten-Beiträgen".

Die Berliner Charité-Führung hat sich von einer Empfehlung zweier ihrer Institute distanziert, wonach ein voller Publikumsbetrieb in Konzert- und Opernhäusern für machbar erklärt wird.

Der Vorstand der Charité erklärte auf Twitter, das Papier zur Wiederaufnahme des Oper- und Konzertbetriebs unter Corona-Bedingungen sei nicht abgestimmt und gebe nicht die Position des Vorstands wieder. Der Entwurf berücksichtige nicht die aktuelle Dynamik des Infektionsgeschehens und der damit verbundenen Risiken. Das Papier sei daher nicht als Handlungsvorschlag, sondern als Grundlage einer weiteren kritischen Diskussion im Rahmen der Berliner Teststrategie zu betrachten.

Für Berlins Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ist die Empfehlung "einer von mehreren wichtigen Experten-Beiträgen", die der Politik dabei helfen, zu entscheiden, wie es weiter geht. man studiere auch aufmerksam, wie die Nachbarländer vorgehen. "Salzburg ja jetzt bewiesen, dass auch Pandemie-bezogen Theater gemacht werden kann", sagte Grütters am Dienstag. Man suche für Berlin nach Öffnungsmaßnahmen, die dafür sorgten, dass "nicht nur 20 Prozent der Stühle besetzt sind".

Durchgehende Maskenpflicht, Lüftung und kein Catering

In den Empfehlungen des Institutes für Sozialmedizin und Epidemiologie sowie für Hygiene und Umweltmedizin heißt es, vollständiger Publikumsbetrieb sei möglich, wenn zum Beispiel die ganze Zeit Maske getragen werde. In Foyers, an den Kassen, Garderoben und im Sanitärbereich sollten die Abstandsregeln eingehalten werden, heißt es in den Empfehlungen. Durch Wegeführung sollte die Laufrichtung des Publikums gewährleistet werden. In den Klassik-Veranstaltungen würden während der Veranstaltungen ohnehin keine Gespräche geführt, Bewegungsströme und Gedränge seien in der Regel gut zu steuern. Bei Symptomen einer möglichen Infektion sollten Zuhörer auf einen Besuch verzichten. Außerdem sollten die Kontaktdaten hinterlegt werden. Einlass- und Ticketkontrollen sollten kontaktlos erfolgen. Eine ausreichende Lüftung müsse gesichert werden, der Verkauf von Essen und Getränken müsste aber unterbleiben.

Kultursenator Lederer zeigt sich überrascht

Auch Kultursenator Klaus Lederer zeigte sich im Gespräch mit der Abendschau vom rbb überrascht über die Stellungnahme: "Keine*r der Expert*innen hat jemals vertreten, dass volle Konzertsäle mit ein paar Hygienemaßnahmen unproblematisch seien. Insofern überrascht uns diese Empfehlung aus der Charité, von der wir über Presseanfragen erfahren haben. Insbesondere überrascht uns, dass zu deren Mitverfasser*innen Expert*innen gehören, mit denen wir bereits zusammengearbeitet haben.", so Lederer.

Musikrat: "Zu schön, um wahr zu sein"

Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, teilte auf der Internetseite des Rats zu dem Papier der Charité-Institute mit: Die Meldung der stimme hoffnungsvoll und sei zugleich sehr überraschend. Die Stellungnahme zum Publikumsbetrieb scheine "zu schön, um wahr zu sein – und wirft bei rationaler Betrachtung einige Fragen auf", heißt es weiter.

Sendung: Abendschau, 17.8.2020, 19:30 Uhr

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15 Kommentare

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  1. 13.

    Typisch für diese Krise: die eigentlichen Experten machen auf fachlicher Grundlage Vorschläge und die Leitung entscheidet dann politisch (unsachlich) was Anderes.

  2. 12.

    Gut, dass der Vorstand der Charité das ablehnt. Konzerte mit maskiertem Publikum – das wäre wirklich unerträglich. Denken Sie bitte auch an das Orchester, die Solisten, die sich dieses traumatisierende Jammerbild ansehen müssten. Die Pandemiefreunde würden sich freilich über diese Art von Veranstaltung freuen, wäre sie doch ein willkommenes Puzzlestück ihrer behaupteten neuen Realität.

  3. 11.

    Ihrem Vorschlag "die Krankheitsverläufe junger Leute zu veröffentlichen schließe ich mich an. Allerdings würde ich es für vernünftig halten auch die Zahlen zu veröffentlichen, Zahlen denen man entnehmen kann wie groß für diese Leute das Risiko ist einen solchen Verlauf zu erleben. Die Risiken sind sehr ungleich verteilt, dementsprechend würden die Zahlen helfen das Risiko für jede Bevölkerungsgruppe realistisch einzuschätzen.
    Mich würde z.B. das Durchschnittsalter der in Berlin hospitalisierten und derzeit intensivmedizinisch behandelten interessieren. Es sind momentan 14 Patienten in einer 4-Millionen Stadt und man kann in der Tat nicht ausschliessen dass darunter auch ein junger Patient sich befindet.

  4. 10.

    Corona-Leugner glaubten noch nie an den demokratischen Staat. Denn Corona-Leugner sind oft nur Rechtsradikale im neuen Gewand. Verschwörungstheoretiker.

  5. 9.

    Wenn ich mir die Artikelüberschrift zum Thema von rbb24 von gestern anschaue, wundert mich die Stellungnahme des Vorstands nicht. Eine "Empfehlung" volle Konzertsäle wieder zuzulassen, gab es nie. Nur wer den Artikel in Gänze gelesen hat, konnte diesen Widerspruch zur Headline entdecken.
    Solche Überschriften braucht doch nun jetzt wirklich niemand, sie führen nur zu noch mehr Verunsicherung bzw. falscher Sicherheit, je nachdem wie kritisch oder oder unkritisch man die Nachrichten überfliegt.

  6. 8.

    Vollbesetzte Konzerthäuser sind so angesichts der Lage absurd. Die Corona-Leugner freuen sich, wie man hier in den Kommentaren sieht.

  7. 7.

    Corona ist vollständig zu einem Politikum mutiert. Es gibt keinen sach- und fachlichen Diskurs mehr.
    Die ersten waren da das Team Laschet/Streek, welches von den Medien fleißig befeuert wurde.
    Der ideologische Streit ist mittlerweile auch bei der oberen Bildungsschicht angekommen.
    Die Politik lacht sich da ins Fäustchen. Die Gruppen werden gezielt gegeneinander ausgespielt, um so von dem politischen Versagen ablenken zu können. Im Herbst werden nicht nur die Zahlen explodieren, wir werden uns wohl zusätzlich auch noch selbst zerfleischen.

  8. 6.

    Mich hat der erste Beitrag schon sehr verwundert. Bei der derzeitigen Dynamik zu den Infektionszahlen würde ich es unverantwortlich halten......
    Ich habe auch sehr wenig Verständnis, dass ohne Rücksicht auf Verluste Urlaub in Risikogebiete & Länder gemacht wird. Man sollte mal Krankheitsverläufe von jungen Menschen veröffentlichen um einigen die Augen zu öffnen, wie gefährlich dieser Virus ist.
    Ich habe mir dazu mal von meiner ehemaligen Klassenkameradin schildern lassen wie es bei ihrer Tochter (35) auf der Kippe stand.
    Warum nehmen sich die Menschen nicht etwas zurück.......Für mich nicht nachvollziehbar.

  9. 5.

    Vorstand, verblieb Ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun...

  10. 4.

    Das ist doch jetzt mehr als lächerlich, also langsam verliere ich die Glaubwürdigkeit an die Existenz eines demokratischen Staates.

  11. 3.

    Endlich mal Experten mit klarem Menschenverstand, die den Mut und die Courage haben, dem ganzen Wahnsinn vernünftige Vorschläge entgegen zu setzen. Lange genug warte ich schon darauf, dass wir anfangen, realistisch und objektiv mit der Situation umzugehen. Aber da warte ich wohl noch bis Sommer 2021 drauf...

  12. 2.

    Lasst doch einfach weissen Rauch steigen, wenn ihr euch einig seid!

  13. 1.

    War mir klar, dass da was kommt.
    Das konnte ja auch so nicht stehenbleiben.
    Wenigstens erkennt man den Diskussionsbeitrag an.
    Das ist ja schon mal ein Anfang.

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