Interview | Pornfilmfestival Berlin - "Sex ist wichtiger denn je"

Fr 23.10.20 | 15:06 Uhr
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Paulita Pappel (Quelle: Lukas Papierak)
Bild: Lukas Papierak

Beim Pornfilmfestival Berlin finden sich normalerweise hunderte Gäste in vollen Kinos zusammen. Wegen Corona läuft jetzt ein reduziertes Programm - aber ausfallen sollte das Festival auf keinen Fall, sagt Kuratorin Paulita Pappel. Gut gestartet ist es schon mal.

Das Programm des Pornfilmfestivals ist jedes Jahr vollgepackt mit Kurz- und Langfilmen, Diskussionen und Partys. Normalerweise kommen dabei hunderte Gäste in vollgequetschte Kinos oder Darkrooms. All das ist in diesem Jahr während der Corona-Pandemie nicht mehr so möglich wie bisher. Wie geht ein Festival damit um, das engen Körperkontakt eigentlich voraussetzt? Wir haben mit einer der Kuratorinnen des Festivals, Paulita Pappel, gesprochen.

rbb: Frau Pappel, wie ist das diesjährige Festival unter Corona-Bedingungen angelaufen und wie waren die ersten Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer?

Paulita Pappel: Unsere Screenings waren alle schnell ausverkauft, das war in diesem Jahr bei der reduzierten Anzahl an Kinoplätzen aber auch nicht schwer. Die Reaktionen waren verhalten. Sonst sind die Kinos bei unseren Screenings immer komplett voll, dieses Jahr ist der Kinosaal fast leer. Das ist zwar auch nett, weil man mehr Platz hat, aber es ist auch verwirrend. Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer freuen sich aber darüber, dass das Festival stattfindet.

Konnten internationale Filmemacherinnen und -macher für das Festival einreisen?

Nein, leider nicht. Dass niemand aus den USA oder Australien einreisen können wird, war uns klar, bei Filmemacherinnen und -machern aus Europa war es anfangs noch unsicher. Letztendlich haben aber leider alle abgesagt.

Wie hat sich die Pandemie auf die Einreichung der Filme ausgewirkt?

Viele Filme konnten aufgrund der Pandemie nicht fertig produziert werden. Wir haben aber in diesem Jahr mit den "Sex in Times of Corona Porn Shorts" eine neue Kategorie, in der es um Sex und die Auseinandersetzungen mit der Krise geht. Deshalb haben wir noch viele neue Einreichungen erhalten – während des Lockdowns hatten scheinbar viele Menschen nichts zu tun, außer Filme zu drehen.

Wie war es denn, unter Pandemie-Bedingungen ein Festival zu planen, das engen Körperkontakt feiert?

Das war schwierig. Das Pornfilmfestival lebt davon, live stattzufinden. Wir zelebrieren Sexualität, Respekt und offene Kommunikation. Während der Corona-Krise dürfen nicht viele Zuschauerinnen und Zuschauer kommen und niemand darf sich anfassen. Die Planung und Ungewissheit war nervtötend und traurig. Es hat aber auch dabei geholfen, sich daran zu erinnern, wie wichtig Räume sind, in denen man sich live zusammenfindet.

Wieso war es so wichtig, dass das Festival dieses Jahr noch stattfindet?

Wir haben in unserem Team über Monate hinweg darüber diskutiert, ob es vernünftig ist, das Festival dieses Jahr stattfinden zu lassen. Wir wollten den Menschen Mut machen und zeigen, dass das Leben trotzdem weitergeht. Deshalb haben wir uns für ein reduziertes Programm entschieden, das unter strengen Hygienebedingungen stattfindet. Nach dem Festival findet ab November jeden Monat ein zusätzliches Screening statt. Außerdem können alle Filme nach dem Festival mit einem Festivalpass online gestreamed werden.

Wieso habt Ihr euch nicht dafür entschieden, das Festival zu verschieben?

Das konnten wir uns nicht vorstellen. Gerade in dieser Zeit, in der viele Sexevents nicht stattfinden und Clubs geschlossen sind, war es uns wichtig, das Festival trotzdem zu organisieren. Die sexpositive Kultur- und Clubszene liegt ja momentan komplett darnieder. Wir dachten uns, dass es genau deshalb dieses Jahr umso wichtiger ist.

Wie wichtig ist Sex während einer Pandemie?

Ich würde sagen, dass Sex wichtiger ist denn je. Dieses Jahr ist zwar alles anders und etwas anstrengender, aber es ist wichtig, mit Verständnis und Vorsicht zu schauen, was möglich ist. Wir sehen unser diesjähriges Festival deshalb als einen Versuch. Schließlich wissen wir nicht, wie die Situation nächstes Jahr ist. Falls es also immer noch so sein wird, haben wir bereits Erfahrung. Wir sind zwar ein physisches Festival, probieren aber auch gern andere Sachen aus und eine Krise öffnet auch neue Türen. Unsere Online-Screenings bieten nun auch Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht zum Festival nach Berlin kommen können, Zugang zum Festival.

Wie fühlt sich das für euch als Team an, ein Festival unter diesen besonderen Bedingungen?

Die Verantwortung ist groß. Wir wollen gerade als Pornfilmfestival nicht zu einem neuen Corona-Hotspot in Berlin werden. Deshalb sind wir in der Umsetzung auch sehr streng. Es war aber teilweise frustrierend an einem Festival zu arbeiten, das nicht so werden kann und darf, wie man es sich eigentlich wünscht. Die Filmmachenden aus Berlin halten aber zusammen. Das ist schön und gibt mir viel.

Du produzierst ja selbst Pornos, wie hat sich die Pandemie auf die Branche und dein eigenes Geschäft ausgewirkt?

Unterschiedlich. Ich besitze die Online-Plattform "Lustery", auf der privat gefilmte Videos von Paaren zu sehen sind. Das hat sich als pandemie-sicheres Modell herausgestellt. Wir haben während der Krise sogar mehr Einreichungen erhalten und hatten eine größere Anzahl an Zuschauerinnen und Zuschauern. Bei anderen Produktionen sah das aber schlechter aus. In der Pornobranche wurde während des Lockdowns fast alles gestoppt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Steven Meyer für rbb|24.

4 Kommentare

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  1. 4.

    Quarantäne, Abstandregeln und soziale Isolation, seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verbringen viele Menschen mehr Zeit zu Hause. Die Zwangsnähe in der Pandemie verändert das Sexleben in vielen Beziehungen. Unsicherheit vieler Paare ist groß. Pärchen haben momentan natürlich das große Los gezogen, denn sie können einfach zu Hause in ihren eigenen vier Wänden mit dem Partner oder der Partnerin Filme drehen. Allerdings sei es auch dabei wichtig, auf die Handhygiene zu achten. Wer allerdings einen festen Partner hat, mit dem man zusammenlebt oder den man regelmäßig sieht, muss natürlich nicht auf Sex verzichten. Das Sozialleben vieler liegt brach. Da kann es schon mal ganz schön einsam werden, vor allem für Singles. Sie sehnen sich nach Zärtlichkeit und Intimität. Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es viele. Steigende Verkaufszahlen bei vielen Erotik-Onlineshops lassen Vermutungen darüber zu, womit sich der eine oder die andere die freie Zeit vertreibt.

  2. 2.

    Dahin, wo die gefährlicheren Viren rauskommen könnten.
    Und sind ist momentan halt Mund und Nase ...

  3. 1.

    Eine Frage bleibt offen. Wo kommt die Maske hin?

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