Livestream-Kritik | Ausrufezeichen für Solidarität - Didi Hallervorden lädt zum "Lockdown Treff"

So 22.11.20 | 10:16 Uhr | Von Ute Büsing
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Harald Martenstein, Dominique Horwitz, Christiane Zander, Dieter Hallervorden und Johannes Hallervorden, Valerie Lillibeth, Susan Sideropoulos, Claus Peymann, Jan Sosniok und Valentina Caliandro kommen zum Livestream von Hallervordens Lockdown-Treff ins Berliner Schlosspark Theater (Quelle: dpa/Gerald Matzka).
Bild: dpa/Gerald Matzka

Sein Eilantrag auf Einstweilige Verfügung zur Weiterführung des Spielbetriebs ist gescheitert. Jetzt macht Dieter Hallervorden auf seine Weise weiter Theater: mit "Hallervordens Lockdown-Treff" im Livestream. Ute Büsing hat es sich angesehen.

Es ist ein Opening mit Grandezza. Der Hausherr des Berliner Schlosspark Theaters und Betreiber der Comedian-Spielstätte Wühlmäuse betritt mit weißem Rauschebart und Weste seine Bühne im Schlosspark Theater. Dieter Hallervorden hat wie andere Berliner Theaterbetreiber alles getan in Sachen Corona-Regeln und Hygienemaßnahmen, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten und darf dennoch nicht weitermachen. Mit seinem live gestreamten "Lockdown Treff" will er jetzt ein Ausrufezeichen für Solidarität setzen.

Hallervordens treues Heer

Also kommen "Zwei wie Bonnie und Clyde" (Susan Sideropoulos, Jan Sosniok ) live auf die Bühne, die eigentlich Mitte April Premiere gehabt hätten und im Lockdown gerade wieder nicht durften. Da sind schon über 1000 Zuschauer virtuell dabei im Livestream des Schlosspark-Theaters, dessen Parkett Dieter Hallervorden früh mit Puppen besetzt hatte, um den Corona-Leerstand zu illustrieren. Welche von "Hamlets Geist" beseelten Rettungsinseln das Theater gerade jetzt bieten könnte, trägt inmitten der Puppen Franziska Troegner vor.

Hallervorden hat ein treues Darstellerheer aus Schlosspark-Theater- und Wühlmäuse-Produktionen für seinen "Treff" um sich geschart. Der ein wenig in Vergessenheit geratene Charakterdarsteller Michael Mendl soll demnächst mit "Rent a Friend" im Schlosspark Theater brillieren. Im Livestream trägt er jetzt Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" eher leise und eindringlich vor.

Künstler brauchen Extrawürste

An die knüpft ein besonderer Gast an, Claus Peymann, früherer Intendant des Berliner Ensembles, vehementer Theaterverteidiger und Uraufführungsregisseur der "Publikumsbeschimpfung". Er betreibt jetzt draußen vor der Theatertür ein kleines nicht wirklich in die Gänge kommendes Pappmaschee-Klapptheater und streitet lautstark für die "Extrawurst", die Künstler wollen und bräuchten, wo andere unter Corona so üppig abgefunden würden.

Claus Peymann bekämpft die "Inhumanität" der Theaterschließungen und Kunstvorführungsverbote, fälschlich dem "Freizeit"-Bereich zugeordnet. Andere Gäste haben es eine Nummer kleiner auf den Brettern der Welt wie der Kabarettist Frank Lüdecke, der an seiner Klampfe zupft. Dann kommt wieder ein kleiner Szenenausschnitt aus "Schmetterlinge sind frei" mit Hausherrsohn Johannes Hallervorden und Helen Barke, einer Produktion, die eigentlich am 2. Januar 2021 Premiere haben soll. Aber wer weiß.

Engagierte Bühnenacts gegen Troll-Kampf im Livechat

Ungeachtet der engagierten Bühnenacts tobt im Livechat ein Troll-Kampf um die Deutungshoheit der Pandemie Covid 19 mit immer irreren Auslassungen. Völlig sinnfrei und später von Komödiant Thorsten Sträter auch entsprechend kommentiert. Es ist, als schlichen sich Leute auf solche Live-Seiten, die nur ihren eigenen Dumm-Shit auf der Agenda haben. Das ist schade, denn durchgängig vorgetragen wird ein ernstes Anliegen: Hört uns an, seht uns zu, wir sind für Euch mit unserer Kunst da! Unterstützt uns!

Aus der Kabarettisten-Liga, die Dieter Hallervorden in den Wühlmäusen an den Start bringt, treten noch Ole Lehmann und Bürger Lars Dietrich auf. Harald Martenstein, Kolumnist beim Tagesspiegel und Buchautor, gibt ein Corona-Test-Schmankerl zum Besten und Schauspieler Dominique Horwitz liest fast todernst etwas von Charlie Chaplin. Der Schluss nach einer guten Stunde "Lockdown Treff" gebührt dann wieder dem Hausherrn. In "Gottes Lebenslauf", einer Produktion, die im September vor dem Corona-Lockdown kurz gespielt werden konnte, läuft der 85ährige zu ganz großer Protestform auf und konstatiert: "Ich überlebe!" Da schauen ihm 1.700 Menschen Online zu, viel mehr als er je zu einer Vorstellung im Schlosspark Theater unterbringen könnte. Die Anmutung ist irgendwie heimelig.

Sendung: Inforadio, 23.11.2020, 6 Uhr

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Beitrag von Ute Büsing

12 Kommentare

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  1. 12.

    Du bist ein großer Künstler und begeisterst mich seit meiner Jugend mit Spaß aber auch mit toller schauspielerischer Leistung. Nicht aufgeben Dieter Hallervorden und noch viele tolle Jahre! Mit "Nonstop Nonsens" Legendär ist bis heute sein Duett mit Helga Feddersen: "Du, die Wanne ist voll". und seine Spielfilme klasse.
    Du hast dein eigener Laden aufgebaut, Schlosspark Theater in Berlin. Du hast dich bemüht, dein Bestes zu geben"

  2. 11.

    Lieber Rbb,
    Liebe Ute Büsing,

    bitte benennen Sie mich doch mit meinem richtigen Namen : " Valerie Lillibeth " ,
    nicht wie angegeben ... ich bin der linke Engel auf dem Bild !!!

    Herzlichen Dank
    Valerie Lillibeth

  3. 10.

    Ein Macher, der kreativ schafft... Gerne würde ich mit ihm in Würde streiten.

  4. 9.

    An den Ideen und dem Esprit von Herrn Hallervorden kann sich so Mancher ein Beispiel nehmen!

  5. 8.

    Auch ich schließe mich an. Bloß nicht nachlassen, Herr Hallervorden.

  6. 7.

    Es ist schon rührend, wie sich Dieter Hallervorden und die Künstler gegen ihr Schicksal stemmen.Aber ich denke,die Berliner Kultur wird nach der Krise arg gerupft sein.Vieles,was uns liebgewordenen war wird dann einfach nicht mehr existieren.

  7. 6.

    Also ich finde Didi Hallervorden toll!

  8. 5.

    Vielen Dank an Dieter Hallervorden und allen Unterstützern, natürlich war es anders als sonst, aber das hatte ich auch erwartet. Es ist ein Signal gewesen, nein mehr eine Botschaft um durchzuhalten, um in dieser Zeit auch noch Mensch sein zu dürfen. Ich bin mir sicher, wir werden uns alle eines Tages im Theater wiedersehen. Ach ja und was die Kommentarfunktion anbetrifft, man kann sie auch einfach ausblenden, zum ärgern habe ich weder Zeit noch Lust.

  9. 4.

    Dem schließe ich mich voll und ganz an. Alles Gute, Didi Hallervorden!

  10. 3.

    Zu allererst, was seit Jahrzehnten überfällig: Herzlichsten Dank fürs "Palim Palim" !!! =)
    Zudem reihe ich mich gern in die Reihe derer ein, die durchs Überleben protestieren.

    Lachen ist die beste Medizin, dessen Auslöser auch bestens digital übertragen werden kann: Terrabytes an Katzenvideos beweisen das. Sicherlich müssen die Stätten und auch die ErschafferInnen der Unterhaltung erhalten bleiben, damit diese in einer Nach-Pandemiezeit benutzbar sind, jedoch sehe ich die gesamte Branche nicht als "primär förderungsbedürftig" an, was bedeutet, daß sie m.E. nicht die "ersten Extrawürste" braucht: wenn alle "grundversorgt" sind, rede ich auch gern über Extrawürste für die "Spaß-Industrie".

    In diesem Sinne: Protestiert alle! Überlebt! ;-)

  11. 2.

    Didi Hallervorden gehört für mich zu den ganz Großen, die nie langweilig waren, und er ist immer noch gut. Wenn so jemanden seine Meinung vorbringt, bin ich bereit zuzuhören, auch wenn ich nicht derselben Meinung bin. Alle Gute Didi und auf bessere Zeiten!

  12. 1.

    Als regelmäßiger Schloßparktheaterbesucher war ich enttäuscht, dass fast alle vom Blatt abgelesen haben. Selbst einfache, kurze Texte, wie Ebsteins "Theater"!
    Sowas gibt's dort sonst nicht.
    Und leider echt ätzend: dass die Kommentarfunktion aktiviert war.
    Die Hetze dort war nicht auszuhalten...

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