Museen in Berlin und Potsdam - "Wir haben schon Übung im Schließen und wieder Öffnen"

Di 20.04.21 | 06:23 Uhr | Von Anne Kohlick
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Eine Person betrachtet die Bilder in einer Ausstellung im Museum Barberini. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

Technikmuseum geschlossen, Barberini wieder offen: Die Corona-Regeln machen den Museen in Berlin und Brandenburg zu schaffen. Hinter dem Auf und Zu steckt ein großer logistischer Aufwand. Mit der "Bundesnotbremse" droht allen Ausstellungen die Schließung. Von Anne Kohlick

"Es ist ein Wechselbad der Gefühle", sagt Dorothee Entrup. "Jetzt freuen wir uns, weil das Museum seit dem Wochenende wieder offen ist." Aber wie lange das Barberini in Potsdam Besucherinnen und Besucher empfangen darf, nachdem es zuvor für zwei Wochen geschlossen war, ist unklar. "Leider liegt die Inzidenz inzwischen wieder über 100 in Potsdam", erklärt die Kunsthistorikerin, die im Museum nicht nur für die Vermittlungsarbeit zuständig ist, sondern auch für das Corona-Schutzkonzept.

Überschreiten die Infektionszahlen diese Grenze, muss das Museum wieder schließen - so will es die Brandenburger Corona-Eindämmungsverordnung. Schwanken die Inzidenzen mal über, mal unter 100 wie zuletzt, ergibt sich ein Jojo-Effekt: auf, zu, wieder auf. Für die Museen ist das eine Herausforderung, die bald auch den Berliner Ausstellungshäusern bevorstehen könnte.

Berlin erlaubt Museumsbesuch mit Negativtest

Noch greift in der Hauptstadt eine Sonderregel, die es Museen erlaubt, Besucherinnen und Besucher auch bei höheren Corona-Fallzahlen zu empfangen. Bedingung dafür ist ein tagesaktueller negativer Corona-Schnelltest oder ein Impfausweis, der einen vollen Impfschutz gegen Corona belegt. Hinzukommen FFP2-Maskenpflicht und ein stark reduziertes Ticket-Kontingent, das online für genaue Zeitfenster zur Buchung freigeschaltet wird.

Unter diesen Umständen hat der Hamburger Bahnhof mit seinen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst erst vergangene Woche wiedereröffnet. "Eine Person pro 40 Quadratmeter Ausstellungsfläche ist uns erlaubt", erklärt Gabriele Knapstein, Leiterin des Hamburger Bahnhofs. "Damit sind die Vorgaben viel strenger als im vergangenen Jahr: Da galten mal 20, dann zehn Quadratmeter als Maßstab." Die Kunsthistorikerin bedauert, wie wenigen Menschen "wir unser geistiges Kapital, das so lange ruhen musste, derzeit zugänglich machen können".

"Bundesnotbremse" bedeutet das Ende der Berliner Ausnahme

Rund 500 Besucherinnen und Besucher am Tag darf der Hamburger Bahnhof empfangen. Vor Corona kamen an guten Tagen viermal so viele. Und bald könnte die Zahl der Gäste wieder auf Null sinken. Tritt die sogenannte Bundesnotbremse in Kraft, über die der Bundestag am Mittwoch abstimmen wird, müssen die Museen schließen - in allen Landkreisen mit einer Inzidenz über 100. "Zu so einer bundesweiten Regelung darf es auch in Berlin keine Ausnahme geben", betont Anja Scholtyssek, Sprecherin der Senatsverwaltung für Kultur. Derzeit liegt die Inzidenz in Berlin bei rund 150 Neuinfektionen wöchentlich pro 100.000 Einwohner.

Weil die Corona-Fallzahlen schon im März stark stiegen, haben sich manche Berliner Museen entschieden, gar nicht erst zu öffnen - etwa das Ausstellungshaus für Fotografie C/O Berlin oder das Deutsche Technikmuseum am Tempelhofer Ufer. "Wir haben befürchtet, dass wir nur für ein paar Tage hätten öffnen können," sagt deren Sprecherin Tiziana Zugaro. Das sei nicht wirtschaftlich, denn es brauche allein zwei Wochen, um die Wiedereröffnung des Deutschen Technikmuseums vorzubereiten - zum Beispiel um Dienstpläne für das Aufsichtspersonal zu machen und Mitarbeitende aus der Kurzarbeit zu holen. "Man kann ein Museum schnell schließen, aber es zu öffnen, ist wesentlich aufwändiger."

"Jojo-Spiele sind nicht finanzierbar"

Um Ausstellungen zu öffnen, brauche es Planbarkeit, die über die aktuelle Woche hinausgehe, sagt auch Magnus Pölcher von C/O Berlin. Eigentlich war für Ende März eine große Wiedereröffnung im Amerika-Haus in Charlottenburg geplant - "unter anderem mit unserer Jubiläumsausstellung, die zum 20. Geburtstag von C/O Berlin eigentlich schon im letzten Sommer hätte eröffnen sollen". Unbedingt wolle man die jahrelange Arbeit, die in diesem Projekt steckt, endlich dem Publikum zeigen.

"Aber angesichts der steigenden Infektionszahlen fanden wir es nicht das richtige Zeichen, zu öffnen", sagt Magnus Pölcher. Außerdem erschweren die aktuellen Corona-Regeln die wirtschaftliche Lage für das Ausstellungshaus, hinter dem eine gemeinnützige Stiftung steht. "Circa 100 Besucher am Tag dürften wir gemäß der aktuellen Corona-Regeln empfangen - dafür das Ganze wieder hochfahren?" Und für wie lange? Das sei die andere entscheidende Frage. "Jojo-Spiele - erst auf, dann wieder zu - sowas ist nicht finanzierbar für C/O Berlin."

"Ein Zeichen setzen, dass Kultur immer noch da ist"

Das Museum Barberini in Potsdam dagegen ist bereit, im Zweifelsfall auch nur für wenige Tage am Stück zu öffnen - zusätzlich zu einem breiten digitalen Angebot an Online-Führungen und Vorträgen [museum-barberini.de]. "Wir wollen ein Zeichen setzen, dass Kultur immer noch da ist in dieser Zeit", sagt Kunsthistorikerin Dorothee Entrup. Das sei Dank der Hasso-Plattner-Stiftung möglich, die das Museum finanziere - und auch den logistischen Aufwand abdecke, der hinter einer kurzfristigen Wiedereröffnung steht.

Nur drei, vier Tage Vorbereitung seien dafür am Barberini nötig, sagt Dorothee Entrup. "Das schaffen wir in so kurzer Zeit, weil wir schon zweimal Schließen und Wiederöffnen hinter uns haben. Wir haben darin mittlerweile Übung - und einen genauen Fahrplan, den wir befolgen. Und das strenge Hygienekonzept steht ebenfalls." Sobald es für die Finanzierung grünes Licht gebe, würden zuerst alle Dienstleister informiert, dass wieder Personal gebraucht werde - "zum Beispiel die Kollegen, die Aufsicht in den Ausstellungsräumen machen, andere an der Garderobe, am Empfang." Beschriftungen müssen neu gestaltet, der Online-Ticketshop wiedereröffnet werden.

Tickets fürs Barberini nur drei Tage im Voraus

Doch schon nach wenigen Tagen, die das Barberini geöffnet hat, wird es wohl wieder vorbei sein. Denn die Inzidenz in Potsdam überschreitet erneut der Hunderter-Grenze. "Deswegen verkaufen wir im Onlineshop nur Zeitfenster für die nächsten drei Tage. Falls wir wieder schließen müssen, sparen wir uns und den Gästen so die Rückabwicklung von Tickets, die nicht genutzt werden konnten." Aktuell werden wegen der überschrittenen Inzidenz-Grenze keine Tickets mehr verkauft.

Für die Staatlichen Museen Berlin kann man online Zeitfenster für die aktuelle Woche buchen. Ob die Ausstellungen allerdings noch am Wochenende Besucher empfangen dürfen, hängt von Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat am Mittwoch und Donnerstag ab. "Falls die Museen wieder schließen müssen, werden die Kosten für gebuchte Tickets rückerstattet", versichert Sprecher Markus Farr.

Auch geschlossene Ausstellungen verursachen Kosten

Als "Zustand der permanenten Unruhe" beschreibt die Leiterin des Hamburger Bahnhofs, Gabriele Knapstein, die aktuelle Situation. Während den Museen durch ausbleibende Eintrittsgelder Einnahmen entgehen, verursachen Ausstellungen auch während der Schließzeit Kosten. "Unsere Medienkunst-Schau 'Magical Soup' haben wir verlängert, weil sie vor dem November-Lockdown nur wenige Wochen zu sehen war", erklärt die Kunsthistorikerin. Jetzt müsse die Ausstellung aber abgebaut werden. "Um Videokunst zu zeigen, brauchen wir Bildschirme, Beamer, Lautsprecher, die wir leihen mussten. Die kosten jeden Tag, den sie im Museum stehen und länger als bis zum 18.4. konnten wir die Miete nicht finanzieren."

Um die weitläufigen Ausstellungsräume des Hamburger Bahnhofs und der Rieckhallen zu sichern, wurde Aufsichtspersonal aus der Kurzarbeit geholt. "Die Kolleginnen und Kollegen werden jetzt erstmal weiterbeschäftigt - auch falls die Museen wieder schließen müssen", sagt Gabriele Knapstein. Man wolle bereit sein, nach der drohenden Schließung wiederzueröffnen, sobald die Infektionszahlen sinken. Das verlange der Bildungsauftrag der öffentlichen Museen.

"Es ist ein besonderer Gewinn, gerade in dieser Krisenzeit, ins Museum zu gehen", findet die Leiterin des Hamburger Bahnhofs, "die eigenen vier Wände zu verlassen, in solchen weiten Räumen zu sein und sich durch eine Ausstellung gedanklich mal auf etwas ganz anderes einzulassen als auf Corona."

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Beitrag von Anne Kohlick

4 Kommentare

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  1. 4.

    Wenn es weiter so geht, und es geht so weiter, fällt das Aufmachen irgendwann weg. Kultur, Gastronomie, Tourismus - alles überflüssig. Der moderne Mensch braucht zum "Leben" wohl nur noch Arbeit, Essen und Schlaf. Okay, etwas Internet und Netflix geht auch, dazu braucht man nicht rauszugehen. Um 1750 öffnete in Europa das erste Museum und Restaurant. Bald wieder Geschichte, wegen Corona bzw. den werkwürdigen Maßnahmen dagegen.

  2. 3.

    Wenn man die Anzahl der Besucher limitiert und die Hygiene Regeln einhält - wie soll sich dann jemand in diesen hohen Räumen infizieren. Abstand halten ist möglich. So ein Unfug mit dem sinnlosen Aktionismus. Wir müssen endlich wieder anfangen den gesunden Menschenverstand zu benutzen!

  3. 2.

    Es ist einfach nur lächerlich das die schließen müssen! Aber wir werden ja von ganz erfahrenen Leuten regiert!

  4. 1.

    Die Museen machen auf und die Kitas sind in der Notbetreuung. Mein Kind darf die Kita schon seit Dezember nicht mehr besuchen.
    Ich frage mich, ob es verhältnismäßig ist?

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