Ort in Südbrandenburg zu verkaufen - Der Traum vom eigenen Dorf

So 19.11.17 | 15:58 Uhr
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Baufällige Wohnhäuser sind am 16.11.2017 in dem kleinen Ort Alwine nahe Domsdorf (Brandenburg) zu sehen (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: radioBERLIN | 19.11.2017 | Interview mit Matthias Knake vom Auktionshaus Karhausen | Bild: dpa/Patrick Pleul

Alwine liegt in der Niederlausitz und kommt in drei Wochen unter den Hammer. Für schlappe 125.000 Euro gibt es mehrere Häuser, Straßen und ein Plumpsklo. Die rbb|24-User haben schon Ideen, was sie aus dem Privat-Dorf machen würden. Einen Haken gibt es aber.

Tief im brandenburgischen Süden, kurz vor Sachsen, liegt die Siedlung Alwine. Für das Anfangsgebot von 125.000 Euro gibt es gleich das ganze Dorf zu ersteigern. Dazu gehören sechs Doppel- und Mehrfamilienhäuser und 16.000 Quadratmeter Land. Es liegt einsam an einer Landstraße mitten im Wald. 15 Menschen leben hier. Anfang Dezember soll das Mini-Dorf in Berlin versteigert werden.

Bewohner heizen noch mit dem Kohleofen

An den Häusern des Dorfes blättert der Putz ab. Fenster sind zerschlagen, eine alte Gardine hängt heraus. Daneben stehen rund geschnittene Buchsbäume in Kübeln. Ein sauber angelegtes Beet schmückt einen Garten. Die 15 Einwohner leben hier mit Hunden, Katzen und einem Papagei. Es gibt einen Dorfplatz, fünf Straßen und ein Plumpsklo. Eine moderne Heizung existiert bisher nicht. Geheizt wird mit Kohlen oder Holz im Kachelofen.

Trotzdem fühlen sich die Anwohner wohl und genießen das Landleben. "Ich komm vom Dorf in Schleswig-Holstein und ich fühl' mich hier pudelwohl. Ich bin ja Naturmensch", sagte Anwohner Paul Urbanek dem rbb. Auch seine Nachbarin Erika Krüger, 79 Jahre alt, möchte hier nicht weg – wegen der Ruhe.

Erika Kühne (79) und Paul Urbanek (71) stehen am 16.11.2017 an einem Mehrfamilienhaus im kleinen Dorf Alwine nahe Domsdorf (Brandenburg) (Quelle: dpa/Patrick Pleul)Anwohner Erika Kühne (79) und Paul Urbanek (71) vor einem Mehrfamilienhaus im Dorf Alwine

Vom Lasertag-Parcours, der Partylocation bis zum Familien-Dorf

Die Idee vom Leben auf dem Land zieht auch viele rbb|24-User an. Viele haben schon Ideen, was man aus dem Dorf machen könnte: das Dorf umbenennen, eine Dorf-WG gründen, laute Partys feiern, viele Tiere halten, einen Laserspiel-Parcours aufbauen oder ein Kunstprojekt starten.

Viele würden für das eigene Dorf 125.000 Euro zusammenlegen. Denn als Dorf-Herr könne man sich seine Nachbarn selbst aussuchen und zum Beispiel mit der ganzen Familie einziehen. Alwine ist aber auch für die interessant, die wenig Menschen um sich herum haben möchten.

Es gibt aber auch kritische Stimmen:

Häuser sind dringend sanierungsbedürftig

Der Traum vom eigenen Dorf hat aber auch einen Haken: Die Häuser müssen dringend renoviert werden. Von "Feuchtigkeits- und Fassadenschäden" ist in der Objektbeschreibung [http://karhausen-immobilienauktionen.de] die Rede, der Zustand sei "umfassend modernisierungs- und sanierungsbedürftig."

Aufgrund der Mängel gingen derzeit im Jahr nur 16.000 Euro Miete ein, sagte Matthias Knake vom Berliner Auktionshaus Karhausen. Von einer guten Kapitalanlage spricht der Auktionator trotzdem. Bis zu 30.000 Euro Mieteinahmen seien im Jahr möglich, sobald die Mängel behoben sind. 

Die Aufgabe des neuen Eigentümers werde es sein, mit jedem Mieter ein Gespräch zu führen und die Mängel zu beheben, sagte Knake dem rbb: "Was ist in deiner Wohnung zu machen? Willst du eine Zentralheizung haben? Willst du die alte Heizung behalten oder ein Fenster austauschen? Ist die Elektrik in Ordnung?"

Straße und baufälliges Haus in Alwine (Quelle: dpa/Patrick Pleul)

Siedlung bleibt in Privatbesitz

Trotz der Mängel rechnet er mit einem großen Interesse an der Auktion. "Wer kann schon sagen, mir gehört ein Dorf?", so Knake. Aber er relativiert auch: "Das ist natürlich kein eigenes Dorf, das ein eigenes Ortsschild hat. Man kann sich auch nicht zum Bürgermeister wählen lassen."

Denn das Mini-Dorf gehört zur Stadt Uebigau-Wahrenbrück im Landkreis Elbe-Elster. Der Bürgermeister von Uebigau-Wahrenbrück, Andreas Claus (parteilos), sieht die Versteigerung locker: "Das ist eine ganz normale zivilrechtliche Angelegenheit." Das sei heute Privatland, so Claus. Nach der Wende hatte die Treuhand die einstigen volkseigenen Flächen an zwei Brüder verkauft. Einer der Eigentümer ist laut Auktionshaus inzwischen gestorben, die Erben haben die Siedlung zur Auktion freigegeben.

Claus rechnet damit, dass sich in den kommenden Tagen noch viele Interessenten das Mini-Dorf anschauen werden. Mieterin Erika Kühne sieht der Versteigerung gelassen entgegen. "Och, die sollen machen, was sie wollen", sagte die Seniorin.

Am 9. Dezember "Herrscher des Dorfes" werden

Nach Berlin, wo am 9. Dezember die Versteigerung stattfinden wird, sind es rund zwei Stunden Fahrt mit dem Auto. Ab 12 Uhr kann im Auditorium Friedrichstraße in Mitte jeder mitbieten. Für Knake sticht ein Vorteil besonders heraus: "Man kann sich Herrscher dieses Dorfes nennen und muss sich mit niemandem abstimmen."

Zu dem Gebot von mindestens 125.000 Euro kommen selbstverständlich noch sieben Prozent Maklergebühr hinzu.

Mit Informationen von Stefan Sperfeld und Uwe Hessenmüller

7 Kommentare

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  1. 7.

    Ich stimme Ihnen ja zu.Menschen aber erst einmal dazu zu bewegen ein solch marodes Dorf(?) zu übernehmen übersteigt selbst mein Vorstellungsvermögen.Keine Bank wird einer Gruppe von Leuten einen Kredit bewilligend.Seien Sie noch so glaubwürdig.@Marten beschreibt die Situation schon sehr viel treffender.Außerdem ist es noch lange nicht mit dem Einsatz von 125.000 Euro getan.Leider.

  2. 6.

    So witzig es sein mag, dass der Fall es zu einer Headline mit einiger Bekanntheit geschafft hat: Dörfer wie diese gibt es viele, nicht nur in Brandenburg. Die Bausubstanz uralt und abrissreif, eine schlechte Anbindung an das Verkehrsnetz, keine Geschäfte und Ärzte in der Nähe, oft nicht einmal Anschluss an ein Abwassernetz, kein schnelles Internet und kein brauchbarer Handyempfang. Klar, dass es junge Leute da eher in die Städte zieht.

    Die 125.000 Euro mögen erschwinglich wirken, aber mit der Miete der jetzt schon über 70 jährigen Bewohner werden die Kaufkosten zu deren Lebzeiten kaum einzuspielen sein. Und danach will dort niemand hin. Jede Investition wäre in den Sand gesetzt. Von daher brauchen sich Gentrifizierungsgegner wirklich keine Sorgen zu machen, dass dort nach dem Verkauf (sofern der überhaupt stattfindet) Luxussanierungen erfolgen und die Bewohner vor die Tür gesetzt werden.

  3. 5.

    Nach meiner Lebenserfahrung scheitern solche Vorhaben eher an den Menschen als am Geld. Wenn es eine Gruppe gibt, die ernsthaft und verbindlich ein gemeinsames Ziel verfolgt, und wenn die Ressourcen - in diesem Fall Grundstücke und Gebäude - zu wirtschaftlich machbaren Konditionen zu haben sind, dann findet sich das mit der Finanzierung. Gerade im Moment sucht so viel Geld nach Anlage, schon eine geringe Verzinsung von 1 oder 1,5 Prozent würde sicher viele Leute motivieren, Geld einzubringen, und dann noch für einen guten Zweck. Wenn genug Eigenmittel zusammen kommen, geben auch Banken Geld, das ist ja schließlich ihr Geschäft. Warum sollte das nicht funktionieren? Es muss sich rechnen, sicherlich. Dabei geht es nicht nur um den Kaufpreis, sondern auch um die notwendigen Instandsetzungen. Das muss aus den Mietzahlungen refinanziert werden. Wenn es Verantwortliche im Dorf gäbe, die das in die Hand nehmen, und alle BewohnerInnen einbeziehen, könnte es funktionieren.

  4. 4.

    Dieser von Ihnen genannte Vorschlag ist begrüßenswert u.klingt vernünftig.Schon deshalb um irgendwelche"Heuschrecken"von Investoren den Wind aus die Segel zu nehmen.Leider wird es,wie immer,am Geld scheitern.Sehr bedauerlich.

  5. 3.

    Warum legen die Bewohnerinnen nicht zusammen und kaufen ihr Dorf selbst? Dann können sie selbst entscheiden, wann sie was sie sanieren wollen. Klar, das kostet Geld, und vielleicht sind nicht alle kreditwürdig. Aber gemeinsam ist vieles möglich, was eine/r alleine nicht schafft. Vielleicht gäbe es ja auch eine Genossenschaft, die das Dorf übernehmen könnte. So wie Hobrechtsfelde, zum Beispiel. Selbermachen ist doch besser, als wenn alles an einen Investor geht, und die Leute dann vielleicht wegziehen müssen.

  6. 2.

    Gute Idee....

    Kommt aber sicherlich anders. ...Und wird ja auch nicht bei dem Betrag bleiben. Einzig der Abriß wird kommen. Danach super hässliche Stadtvillen mit riesigen Tiefgaragen für Leute , die die Natur sooo lieben , aber nur desinfiziert und möglichst ohne Garten...aber mitten im Grünen .....

  7. 1.

    Ich würde nur wenige Häuser renovieren. Den Rest abreißen und eine Art Gnadenhof für Tiere, die keiner mehr haben will, aufbauen. Leider fehlt mir dazu noch der Lottogewinn.

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