Nach antisemitischer Hasstirade gegen Restaurantbesitzer - "Ich will vor dieser Ungerechtigkeit nicht aufgeben"

Sa 27.01.18 | 11:02 Uhr | Von Franziska Hoppen
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Der jüdische Restaurantbesitzer Yorai Feinberg steht am 21.12.2017 in seinem Restaurant in Berlin-Schöneberg. (Quelle: dpa Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio | 26.01.2018 | Franziska Hoppen | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Sechs Minuten dauert die Hasstirade: Das Video, in dem ein Passant Yorai Feinberg antisemitisch beschimpft, wurde im Netz tausendfach geteilt. Gegen den Pöbler laufen inzwischen Ermittlungen. Doch wie geht es Yorai Feinberg - einen Monat danach? Von Franziska Hoppen

Antisemitismus ist für Yorai Feinberg nichts Neues. Sachbeschädigung, Beschimpfungen, Hass-Anrufe, Hass-E-Mails, schlechte Online-Bewertungen. Und das nur, weil sein Restaurant israelisch kocht, weil an der Wand ein Davidsstern hängt und im Fenster die Menora steht. Einige seiner Mitarbeiter machen sich Sorgen. "Aber ich nehme das wohl ein bisschen kämpferischer", sagt Feinberg. "Ich will vor dieser Ungerechtigkeit nicht aufgeben." Seit einer Weile hängen drei Videokameras im Restaurant. Zum Selbstschutz.

Im Dezember filmt Feinbergs Freundin die Hasstirade eines polizeilich bekannten Mannes. Vor dem Restaurant in Berlin-Schöneberg brüllt er: "Ihr werdet alle in den Gaskammern landen. Euch will keiner hier" – sechs Minuten lang. Das Video wird tausendfach in sozialen Netzwerken geteilt. Es entfacht eine neue Debatte über Antisemitismus. Gegen den 60-jährigen Pöbler laufen jetzt Ermittlungen wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Widerstands gegen Vollzugsbeamte.

Die Geschichte soll eine Chance sein

Mehr als 50 Interviews hat der junge Gastronom seitdem gegeben. Sein Restaurant ist jetzt oft voll. Das Interesse und die Solidarität der Berliner berühre ihn tief. "Wir haben sehr, sehr viele solidarische Nachrichten bekommen. Blumen, Schokoladen. Auch von Muslimen. Diese wunderbaren Menschen kamen persönlich hierher, mit Tränen in den Augen und haben sich entschuldigt. Das zeigt doch, dass die guten Menschen in der Mehrheit sind." Feinberg hat diese Gäste umarmt, mit ihnen geweint und hat beschlossen: diese Geschichte soll eine Chance sein.

Israelkritik zunehmend antisemitisch

2012 kommt Feinberg nach Berlin, frisch aus Namibia. Er hat schon in acht Ländern gelebt, und im Gepäck hat er mehrere Geschäftsideen und eine große Liebe für Hummus und israelische Salate. Ihm gefällt, wie liberal die deutsche Hauptstadt ist, die große Kunstszene, die vielen Möglichkeiten. Er bleibt.

Seit einigen Jahren aber beobachtet Feinberg einen Trend. Die internationale BDS-Bewegung, die für Boykott israelischer Produkte, Desinvestition und Sanktionen steht, wird auch in Deutschland immer aktiver. Israelkritik werde zunehmend antisemitisch, Hass auf Juden salonfähiger. Das hänge auch mit den muslimischen Migranten zusammen, sagt Feinberg. Er selbst ist kein gläubiger Jude, aber manche seiner Freunde sind es. Sie spielen mit dem Gedanken, Berlin zu verlassen. Auch Feinberg hat daran schon einmal gedacht.

"Holocaust Flashbacks" im Berliner Alltag

Der 37-Jährige ist Sohn Holocaust-Überlebender, die Nationalsozialisten haben den Großteil seiner Familie ausgelöscht. Wenn Feinberg heute durch Berlin läuft, muss er oft daran denken. "Es ist ein sehr komisches Gefühl. Wenn ich die Stolpersteine sehe, denke ich an den Holocaust. Mehrmals am Tag habe ich Holocaust-Flashbacks. Wenn ein alter Mensch mich komisch anschaut, überlege ich, warum. Wenn ich einen kleinen Raum sehe, löst das etwas in mir aus. Auch wenn ich ein wunderschönes Haus sehe, überlege ich, was wohl damals darin los war."

Und trotzdem nennt Feinberg Berlin heute sein "Lebenszentrum". Er sagt, es könnte ihm und seinem Schöneberger Restaurant schlimmer ergehen. "Wir sind hier ziemlich geschützt. Das ist wie eine Toleranzmauer". Man müsse Deutschland sogar ein Lob aussprechen. Denn es gehe offen und bewusst mit Hass und Rassismus um, bekämpfe Homophobie und Frauenfeindlichkeit.

Blick in ein israelisches Restaurant am 21.12.2017 in Berlin-Schöneberg (Quelle: dpa/ Jörg Carstensen)
Ein Davidstern hängt in Feinbergs Restaurant. | Bild: dpa

Welle der Solidarität, des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft

Die Welle der Solidarität, des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft, die Feinberg überrumpelt hat, stimmt ihn positiv. "Nach diesem Angriff bin ich optimistischer als zuvor." Wenn er sehe, in welchem Verhältnis solidarische Nachrichten und Hassnachrichten stehen, dann bekomme er ein sehr gutes Gefühl. "Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei all den Menschen, die solidarische Nachrichten geschickt haben oder hierher kamen. Ich schätzte das wirklich sehr. Es tut gut, das zu hören und zu erleben."

Beitrag von Franziska Hoppen

10 Kommentare

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  1. 10.

    Schlechte Online-Bewertungen haben nicht immer damit zu tun, dass israelisch gekocht wird. Ganz im Gegenteil! Es sollte mehr von solchen Restaurants geben. Doch leider fällt es einigen schwer eine Qualitätsbewertung für das Essen vom Antisemitismus zu unterscheiden.

  2. 7.

    NEIN,GIBT ES NICHT.
    Es ist nicht hinnehmbar, wenn Menschen wegen ihres Glaubens, ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder Hautfarbe angegriffen werden. Egal ob verbal, körperlich oder sonstwie. UNDZWAR im Sinne von uns ALLEN, denn JEDE/R von uns könnte auch mal der oder dir Nächste sein, die/der angegriffen wird.

  3. 6.

    Achja ? In gewissen Parallelwelten vielleicht. In der Realität wohl kaum.

  4. 5.

    Es gibt leider immer noch die Unverbesserlichen, wie diesen Typen auf dem Video, für den die Justiz hoffentlich die passende Antwort findet. Ebenso für alle Eingereisten, die meinen, die könnten sich hier produzueren wie in ihren Herkunftsländer.
    Ich bin geborene Berlinerin und mur bleibt neben Fremdschämen nur der Widerspruch gegen solche Hasstiraden und die Solidarität mit Herr Feinberg und allen anderen Angegriffenen. Wer sich hier dermaßen daneben benimmt gehört abgeschoben. Wir müssen die Einheimischen Unbelehrbaren in Griff nekommen und haben damit genug zu tun und das bitte gründlich und Herr Müller, bitte nicht nur als Lippenbekenntnis an Gedenktagen.

  5. 4.

    Als ob's in Berlin keine wichtigeren Probleme gäbe.

  6. 3.

    Ich empfinde es als eine große Schande, das so etwas ausgerechnet hier in Deutschland geschied. Wir sollten uns in Grund und Boden schämen. Ich bin Deutsche und ich bin der Meinung ,wir haben dem jüdischem Volk so viel Schreckliches angetan, um so schlimmer, das es heute immer so boese Menschen hier gibt. Sehr geehrter Herr Feinberg, ich möchte mich dafür in aller Form bei ihnen entschuldigen.

  7. 2.

    Herrn Feinberg gebührt alle Unterstützung, die er bekommen kann. Großer Respekt.

  8. 1.

    Scheinbar gibt es noch immer Nazis bei uns.
    Das tut mir wirklich sehr leid
    Aber dieser Mann der da rumgepöbelt hat, war in meinen Augen kein Maßstab.

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