Urteil des Berliner Landgerichts* - Berliner Arzt im Sterbehilfe-Prozess freigesprochen
Das Berliner Landgericht hat einen wegen Sterbehilfe angeklagten Arzt aus Berlin-Steglitz am Donnerstag freigesprochen. Die Begründung: Er habe einer unheilbaren Patientin zwar beim Suizid geholfen, ihm sei aber kein "aktives Tun" vorzuwerfen.
Der Berliner Arzt, dem Hilfe zum Suizid vorgeworfen wurde, ist vom Berliner Landgericht freigesprochen worden. Das Gericht begründete seine Entscheidung am Donnerstag damit, dass er der 44-Jährigen zwar beim Suizid geholfen, sich dabei aber nicht strafbar gemacht habe.
Ihm sei keine Unterlassung von Rettungsmaßnahmen und kein "aktives Tun" nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Patientin vorzuwerfen. "Der Patientenwillen ist zu achten", teilte die Vorsitzende Richterin mit. Dem Mediziner wurde "Tötung auf Verlangen durch positives Zutun" zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft hatte deshalb eine Geldstrafe von 18.000 Euro beantragt.
Arzt wies Vorwürfe gegen ihn zurück
Das Interesse an dem komplexen Fall war groß. Entsprechend viele Zuschauerinnen wollten die Urteilsverkündung hören. Als der Arzt Christoph T. nach dem Freispruch den Gerichtssaal verließ, wurde er draußen mit Applaus empfangen.
Die Frage nach der aktiven Beschleunigung des Sterbevorgangs war am Ende des Prozesses strittig. Der Sterbewilligen Anja D. war ein Anti-Brechmittel injiziert worden. Auch dass der Arzt telefonisch Angehörige abgehalten hatte, die Patientin zu besuchen, könne man ihm nicht vorwerfen. Anja D. habe, so sagte die Vorsitzende Richterin wörtlich, "frei von Willensmängeln die Entscheidung getroffen, zu sterben".
Patientin äußerte mehrfach Wunsch zu sterben
Anja D. war langjährige Patientin des Hausarztes. Sie litt unter einer chronischen Reizdarmerkrankung und sehr starken Schmerzen. Mehrfach äußerte sie den Wunsch, sterben zu wollen. Laut Anklage soll der 68-Jährige als Hausarzt die 44-Jährige im Februar 2013 auf ihren Wunsch hin beim Suizid unterstützt haben. So habe er der Frau in Kenntnis ihrer Absicht ein starkes Schlafmittel verschrieben.
Per Handy-Nachricht habe ihm die Patientin mitgeteilt, dass sie die Tabletten in hoher Dosis eingenommen habe. Er habe die Frau tief komatös in ihrer Wohnung vorgefunden, ihrem Wunsch folgend aber keine Rettungsmaßnahmen eingeleitet. Außerdem wurde dem Arzt zur Last gelegt, den erwachsenen Sohn und die Mutter der Patientin davon abgehalten zu haben, der Frau zur Hilfe zu kommen.
Arzt nahm Urteil ruhig auf
Dass die Patientin 60 Stunden in ihrer Wohnung lag, bevor sie tot war, erscheine für Außenstehende makaber, sagte die Richterin in der Urteilsbegründung. Christoph T. habe sich trotzdem nicht falsch verhalten. Der mittlerweile pensionierte Arzt nahm das Urteil sehr ruhig auf, da er sich immer sicher gewesen sei, richtig zu handeln.
Seit Beginn des Prozesses wies er die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Er habe sich "in ethischer und rechtlicher Hinsicht richtig verhalten". Er sei nicht berechtigt, als Arzt eine Zwangsbehandlung gegen den Patientenwillen vorzunehmen. Es habe an dem Entschluss der Patientin kein Zweifel bestanden. Die 44-Jährige hatte nach seiner Aussage bereits fünf Suizidversuche in 30 Jahren hinter sich. "Da kann ich meine Hilfe nicht verweigern", sagte der Hausarzt.
Sendung: Inforadio, 08.03.2018, 12:32 Uhr