Der Mikrozensus in der Kritik - Die falschen Alleinerziehenden
Wer sein Kind ohne fremde Hilfe erzieht, gilt laut Gesetz als alleinerziehend. Wie viele es davon in Berlin und Brandenburg gibt, lässt sich aber gar nicht so leicht sagen. Denn die Statistik hat Zählschwierigkeiten bei den Alleinerziehenden. Von Johanna Siegemund
Eigentlich sind es gute Nachrichten: Die Zahl der Alleinerziehenden in Berlin und Brandenburg sinkt. Waren es in Berlin im Jahr 2013 noch mehr als 104.000 Alleinerziehende, ist die Zahl im Jahr 2017 auf knapp 99.000 Alleinerziehende gesunken. Auch in Brandenburg ist die Zahl von 62.000 Alleinerziehenden auf 57.000 zurückgegangen. Aber wie werden diese Zahlen erhoben?
Das Gesetz sagt: Alleinerziehend ist, wer ohne fremde Hilfe ein Kind erzieht. Die Statistik hat da eine andere Definition. Im Mikrozensus gilt man bereits als alleinerziehend, wenn man allein mit den Kindern in einem Haushalt wohnt. Die jährlichen Zahlen zu den verschiedenen Familienmodellen sind deswegen mit Vorsicht zu betrachten.
Der Mikrozensus soll einen Überblick über die Bevölkerung geben
Durch die statistische Erhebung können Aussagen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie der Bevölkerungsstruktur in Deutschland getroffen werden. Das heißt, durch die Statistik wird dargestellt, wer, wie, wo und mit wie vielen anderen Haushaltsmitgliedern lebt. Auch, wie alt die Bevölkerung ist, als was sie arbeitet und ob sie zum Arbeitsplatz pendeln muss, kann mit dem Mikrozensus festgestellt werden. Verantwortliche aus Verwaltungen, Parlamenten und Wissenschaft beziehen sich auf die Statistik.
Bei den Familienmodellen kommt der Mikrozensus an seine Grenze
Der Mikrozensus will unter anderem auch Familienstrukturen abbilden. Er erfasst die vielfältigen Lebensformen in Deutschland aber nur oberflächlich. So kann die Statistik lediglich abfragen, wer in einem Haushalt lebt. Mütter und Väter, die allein mit einem oder mehreren Kindern in einem Haushalt leben, werden automatisch "alleinerziehend" erfasst. Cornelia Spachtholz vom Verband berufstätiger Mütter kritisiert das: "Nur weil das Kind bei einem Elternteil gemeldet ist, heißt das nicht, dass es nicht auch von dem anderen Elternteil betreut wird oder beim anderen Elternteil ein zweites zu Hause hat."
"Getrennt erziehende" Eltern gibt es aber in der Statistik nicht. Dadurch entsteht eine Verzerrung des Begriffes "Alleinerziehend", die nur unzureichend bei der Veröffentlichung der Statistik erklärt wird. "Man muss in der Kommunikation klar und eindeutig sein", wünscht sich Spachtholz.
Nur gesetzlich vorgeschriebene Infos abgefragt
Eine zuverlässige Zahl zu den tatsächlich Alleinerziehenden wird nicht im Mikrozensus erhoben. Die Statistik kann lediglich darstellen, wie viele Haushalte es gibt, in denen ein Elternteil und Kinder gemeldet sind. Das liegt auch daran, "dass im Rahmen des Mikrozensus nur gesetzlich vorgeschriebene Informationen erfragt werden dürfen", erklärt Jörg Feilbach vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, die Befragung muss außerdem "praktikabel sein und die Auskunftspflichtigen sollten nicht überfordert werden."
Das wäre auch wichtig, um die Statistik mit anderen Ländern vergleichbar zu machen. Um Familienstrukturen und verschiedene Lebensmodelle zu vergleichen, eignet sich der Mikrozensus aus diesem Grund aber eher weniger - er kann nur ein Anhaltspunkt sein.
Sendung: Inforadio, 11.12.2018, 10:45 Uhr