Interview | Ökologischer Jagdverein - "Die Angst vor dem Wolf wird hochgepeitscht"

Do 23.05.19 | 15:17 Uhr
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Wolf im Wildpark Schorfheide am 12.11.2014. (Quelle: imago)
Audio: Inforadio | 23.05.2019 | Eckhard Fuhr | Bild: imago stock&people

Wolfsabschüsse sollen erleichtert werden. Das findet Eckard Fuhr vom ökologischen Jagdverein auch vernünftig. Allerdings werde die Gefahr durch Wölfe für die Weidetierhaltung übertrieben - der Politik wirft Fuhr "hysterische Propaganda" vor.

rbb: Herr Fuhr, wie bewerten Sie den Gesetzentwurf, der da gestern verabschiedet wurde?

Eckhard Fuhr: Ich halte diesen Gesetzentwurf alles in allem für vernünftig, weil er bestimmte drängende Probleme löst. Es geht vor allem einmal um die Rechtssicherheit derjenigen, die beauftragt werden, Wölfe zu schießen, die Schaden anrichten. Die waren bisher immer von dem Risiko bedroht, ihren Jagdschein zu verlieren, wenn  sie aus Versehen den falschen Wolf schossen. Das kann für Förster, die ja beruflich jagen müssen, oder für Berufsjäger zu einer existenziell bedrohlichen Situation werden. Und das wird durch die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ausgeschlossen – soweit man das absehen kann. Das heißt: Wenn der falsche Wolf tot ist  – also nicht der, der zugebissen hat, das kann man ja so eindeutig auch selten sagen - dann bedeutet das nicht das berufliche Aus für denjenigen, der ihn erlegt hat.

Eckhard Fuhr (Quelle: privat)
Eckhard Fuhr vom ökologischen Jagdverein Brandenburg | Bild: privat

Trotzdem muss für jeden Abschuss die Genehmigung einer Behörde da sein. Wie kann ich mir das konkret vorstellen – ich sehe da einen Wolf und dann muss ich erstmal beim Amt anrufen?

Zunächst geht es einmal darum, dass Wölfe abgeschossen werden dürfen, die ordnungsgemäß geschützte Weidetiere reißen -  die also den ordnungsgemäßen Herdenschutz mit Elektrozäunen überwinden. Es geht nicht darum, dass ein Schaf irgendwo am Waldrand angebunden wird und das holt sich der Wolf – dieser Wolf wird nicht totgeschossen, sondern wenn er in geschützte Herden einbricht. Wenn das zum zweiten Mal passiert, dann kann das zuständige Amt – das Landesumweltamt in Brandenburg wäre das – eine Abschusserlaubnis erteilen und jemanden damit beauftragen. Das soll ja zeitnah und ortsnah am Geschehen passieren. Und dann ist der nachts an dieser Schafkoppel und wartet ab, was passiert. Wenn sich ein Wolf oder ein Rudel nähert und dabei ist, den Zaun zu überwinden, dann kann er einen dieser Wölfe schießen. In der Regel wird das zur Folge haben, dass die anderen es sich überlegen, ob sie wiederkommen. Wenn sie trotzdem wiederkommen, kann ein weiterer Wolf geschossen werden.

Nun ist die CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner der Ansicht, dass man es soweit eigentlich gar nicht kommen lassen müsste, dass man die Zahl der Wölfe regulieren muss und dass man sie also auch vorbeugend töten sollte.

Ich halte das für absoluten Unsinn. Erstens lässt sich allein durch die Lebensweise und das Wanderverhalten der Wölfe so etwas wie eine wolfsfreie Zone, und das steckt ja hinter dieser Idee, gar nicht aufrechterhalten. Man muss überall in Deutschland mit Wölfen rechnen, die auch Weidetiere erbeuten, wenn die nicht geschützt sind. Eine wolfsfreie Zone ist ehrlich gesagt eine ziemliche Schnapsidee.

Aber können Sie die Angst der Bauern und die Emotionalität nachvollziehen? 667 Weidetiere sind im vergangenen Jahr von Wölfen angegriffen worden.

Ja, das sind schon viele, aber gemessen an der Gesamtzahl der Weidetiere relativiert sich das wieder. In Brandenburg geht es zum Beispiel immer um die vielen Kälber, die gerissen werden. Wir haben 90.000 Mutterkühe in Brandenburg, das heißt: 90.000 Kälber werden da im Jahr geboren. Von denen werden 60 oder 70 gerissen - mutmaßlich gerissen, denn vielleicht hat der Wolf auch nur tote Kälber angefressen. Das ist ja alles gar nicht so sicher zu sagen.

Wie kann man denn den Menschen die Angst vor dem Wolf nehmen?

Vor allem sollten sich die Politiker und die Parteien mal überlegen, was sie eigentlich tun, wenn sie mit dieser Angst spielen. Nach meiner Wahrnehmung ist es nämlich so, dass diese Angst vor dem Wolf und diese Angst um die Herden in einer geradezu hysterischen Propaganda hochgepeitscht wird. Es ist doch gar nicht so, dass dort, wo der Wolf schon seit Jahren flächendeckend vorkommt – wie im Süden Brandenburgs, in der Lausitz und in Nordsachsen –, keine Weidetierhaltung mehr möglich ist. Man muss auch mal sagen, dass es in der Regel funktioniert mit dem Herdenschutz. Es gibt große Schafsbetrieben mitten im Wolfsgebiet, die nie Probleme haben. Darüber wird nie gesprochen. Es wird über jedes gerissene Schaf gesprochen und es wird behauptet, dass das das Ende der ökologisch so wichtigen Weidetierhaltung ist. Daran stimmt, dass die Weidetierhaltung ökologisch sehr wichtig ist für die Artenvielfalt. Aber es stimmt nicht, dass die Anwesenheit des Wolfes diese Weidetierhaltung gefährdet.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dörthe Nath, Inforadio.

6 Kommentare

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  1. 6.

    Danke für das Interview.
    Dennoch bleibt bei mir die Frage, weshalb man dann den Wolf nicht narkotisieren kann und fortschaffen in ein Gebiet, wo er nicht so schnell an Herdentiere gelangt.

  2. 3.

    Treffend auf den Punkt gebracht EIn sehr schöner Beitrag.
    Gruß von der Hummel ;-).

  3. 2.

    Entweder ich will Natur - oder keine. Fertig. Wenn mich die Natur stört, muss ich was unternehmen. So ein Herdenhund ist auch Natur, oder die Herde kriegt einen Zaun. Oder ich habe Verluste. Ich finde es bitter um jedes Tier, das woran auch immer stirbt. Ich bin Rehstreichler. Aber auch Wolfkrauler. Wildkatzenschnurrer. Zuchtkuh-Fütterer. Hundegassigeher. Wenn wir in Frieden zusammen leben wollen, müssen wir uns bemühen, wie auch beim Menschen. Ich gehe da auch nicht nach Parteien, Frauen oder Gedöns, sondern nur nach Lebewesen. Wer andere ausrottet, wird selber ausgerottet. Gruß von den Bienchen...

  4. 1.

    Bitte ein Lobbyregister. Frau Klöckner kann man nicht mehr ernst nehmen.

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