Reportage | Ideensafari im Plänterwald - Die Zukunft des Spreeparks rückt näher
Kein Rummel, keine Partymeile - sondern Ort für Kunst und Kultur: Mehr als 2.000 Berliner haben Ideen für den früheren DDR-Kulturpark im Plänterwald abgegeben. Die müssen jetzt in ein Konzept integriert werden. Von Thomas Rautenberg
Am Info-Pavillon im Spreepark ist es an diesem Nachmittag ungewöhnlich voll. Die etwa 50 Gäste der Runde kennen sich schon. In den vergangenen zwei Jahren haben sie immer wieder über die Zukunft des Spreeparks diskutiert. Dazu gehört auch Andrea Gerbode vom Bund Berlin. Die Naturschützerin ist seit Anfang des Neustarts vor drei Jahren mit dabei. "Ich kenne den Park noch, als er aufgelassen war, man noch mit der Eisenbahn herum fahren konnte und dabei aufpassen musste, dass man nicht die herunterhängenden Äste ins Gesicht bekommt. Aber das macht ja auch den Charme der Fläche aus, dass alles so unfertig ist", beschreibt die 40-Jährige.

Die Eisenbahnschienen gibt es noch. Sie halten sich nur unter kniehohem Gras und mannshohen Büschen versteckt. Die Natur hat seit Ende des Vergnügungsparkes vor mehr als 15 Jahren ganze Arbeit geleistet. Die erste Station ist das Mero-Haus. Viel ist davon nicht übrig geblieben, dünne Stahlträger stützen ein wuchtiges Dach in der Form einer Wolke. Abgerissen wird es nicht, sagt Tim Gärtner, der für die landeseigene Gesellschaft Grün Berlin die Fäden in der Hand hält. Der ehemalige Gastronomietempel aus DDR-Zeiten soll wieder nutzbar gemacht werden. "Mittlerweile hat das architekturhistorischen Stellenwert. Die Idee im Rahmenplan ist, dass man das Gebäude etwas anhebt, damit es einen luftigeren Charakter bekommt", sagt Gärtner. An den Seiten soll es nicht geschlossen werden, sondern nur als regengeschützter Ort dienen.
Gewächshaus, Proberaum, Tanztempel
Die Liste mit Vorschlägen für die Nutzung des Mero-Hauses ist innerhalb von Minuten prall gefüllt: Gaststätte, Gewächshaus mit angeschlossener Bioküche, Proberäume für Bands bis hin zu einem Tanz- und Musiktempel. Viele der Vorschläge erdet Tim Gärtner von Grün Berlin gleich wieder mit einem Fingerzeig auf die Umgebung – hier würden die Verstärker nie bis zum Anschlag aufgerissen werden können. "Das Landschaftsschutzgebiet beginnt dort, an dem Zaun. Da ist also die Grenze und dahinter ist ein deutlich höherer Schutzstatus erreicht, als wir ihn hier auf dem Gelände haben", sagt Gärtner. "Das ist gerade mit Blick auf den Lärm und die Anzahl von Lärmtagen unbedingt zu berücksichtigen. Das sind Themen, die im Bebauungsplan genau geregelt werden."
Alle Ideen werden akribisch notiert - die Diskussion in anschließenden Workshops soll zeigen, was möglich und was nicht möglich ist. Am Begriff "Landschaftsschutzgebiet Plänterwald" kommt künftig jedoch keiner vorbei. Was zwangsläufig die Frage an Bund-Frau Andrea Gerbode aufwirft, ob sie von den anderen nicht als Bremserin wahrgenommen werde. "Nein, das Gefühl habe ich überhaupt nicht", antwortet Gerbode. "Ich finde, dass das sowohl in der Zusammenarbeit mit Grün Berlin als auch den anderen Akteuren konsensual gesehen wird. Man möchte den Dreiklang Natur, Kunst und Kultur leben. Ich habe schon den Eindruck, dass auf die Natur ein großes Augenmerk gelegt wird."
Weltumsegler-Doku aus Cannes unterm Zelt
Der Tross zieht vom Mero-Haus weiter zur früheren Cinema-Kuppel, einem Kino-Zelt, das die vergangenen Jahre erstaunlich unbeschadet überstanden hat. Das Zeltgerüst soll bleiben, die Planen müssen erneuert werden. Keine 30 Meter ist der Treptower Park entfernt. Der muschelförmige Bau könnte zum künftigen Haupteingang des Spreeparkes werden oder ein Kino bleiben. Sabine Liebisch vom Kultur Spreepark e.V. stellt sich dieses Areal in zwei, drei Jahren so vor: "Ein schöner Sommerabend: Ihr kommt mit dem Floß an und holt ein Getränk. In Cannes ist ein wunderbarer Dokumentarfilm über einen Weltumsegler gelaufen. Und dann geht man hier rein, ist wie unter einer großen Glocke und sieht den Dokumentarfilm, wie einer die Welt umsegelt. Das ist doch einzigartig!"

Vor knapp drei Jahren hat die Bürgerbeteiligung für den neuen Spreepark begonnen. Über 2.000 Interessierte haben sich beteiligt und rund 1.000 Vorschläge sind in den Planungsentwurf eingeflossen, sagt Grün Berlin-Geschäftsführer Christoph Schmidt. "Beispielsweise, dass man sehr gern auch eine wasserseitige Erschließung möchte, dass wir einen Schiffsanleger brauchen, dass wir Flächen für Gastronomie und Service brauchen, auch für das ganz normale Fußballspielen und das Picknicken..." Ebenso hätten laut Schmidt einige Kulturakteure Vorschläge eingereicht, die auf der Suche nach Raum seien. Oder von Leuten, die den Park noch von früher kennen und sagen, dass sie ihn wieder mit Lust und Freude erleben wollen.
"Wichtig, die Wertigkeit des Parks zu erhalten"
Erleben soll man dann auch wieder das Riesenrad. Zum einen als Karussell, zum anderen vielleicht auch als drehende Leinwand für audiovisuelle Produktionen. Nirgendwo im Park liegen Vergangenheit und Zukunft so eng beieinander, wie direkt unter dem 60 Meter hohen Stahlkoloss. "Vor eineinhalb Jahren knarrte und quietschte es hier noch", sagt Christoph Schmidt. "Wir haben das Rad jetzt geölt, es ist ruhig geworden. Das Rad darf sich aber weiterhin drehen. Das soll es auch in Zukunft."
Wie diese Zukunft konkret aussehen könnte, soll Ende des Jahres, mit dem Abschluss der zweiten Phase der Bürgerbeteiligung, feststehen. Wenn alles gut geht, könnten die alten Zäune im Plänterwald in zwei, drei Jahren abgebaut und das Areal wieder genutzt werden. Insofern habe es sich gelohnt, sich viel Zeit für das Projekt zu nehmen, sagt Andrea Gerbode vom Bund Berlin. "Auch wenn viele einen anderen Hintergrund und damit einen anderen Blick auf die Fläche haben, merkt man: Es ist ihnen wichtig, die Wertigkeit des Parks zu erhalten. Und daher denke ich auch, dass wir einen guten Job gemacht haben."
Sendung: Inforadio, 06.07.2019, 9:25 Uhr