40 Jahre FEZ Wuhlheide - Als die Pioniereisenbahn zum ersten Mal losdampfte

Do 03.10.19 | 16:34 Uhr | Von Anke Burmeister
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ine Dampflokomotive fährt in den Hauptbahnhof am FEZ ein. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Audio: Inforadio | 02.10.2019 | Anke Burmeister | Bild: dpa/Paul Zinken

Vor 40 Jahren eröffnete in der Berliner Wuhlheide der "Pionierpalast Ernst Thälmann" – heute unter dem Namen FEZ bekannt. Das Kinderparadies wurde über die Wende gerettet und ist auch heute noch der Renner. Anke Burmeister hat sich auf eine Zeitreise begeben.

Als wir zum zehnten Geburtstag meines Sohnes mit seinen Freunden in die Wuhlheide zum FEZ fahren, kommt die alte Pioniereisenbahn um die Ecke gedampft, und die Jungs rufen begeistert: "Hogwarts Express"!

Zwischen Harry Potter und Pionierpalast Ernst Thälmann liegen 40 Jahre. Damals war ich beim Eröffnungs-Appell dabei.

Architekt Günter Stahn hat diesen riesigen Holzbau mit Schwimmhalle, Theaterbühne und Raumfahrtzentrum in den Wald gesetzt - die Lärchen-Verkleidung ist über die Jahre fast schwarz geworden. 13.000 Quadratmeter groß ist das Gebäude, und mehr als zehnmal so groß ist der wilde Park ringsherum. Dort befinden sich noch Bungalows und ein Gästehaus im Badesee.

Thomas Liljeberg-Markuse. (Quelle: imago images/Hohlfeld)
Thomas Liljeberg-Markuse | Bild: imago images/Hohlfeld

Freitreppe mit Kinderstufen

Über 80 Mitarbeiter hat das FEZ. Ihm sei mal erzählt worden, es sei das größte Kinder-, Jugend- und Familienzentrum in Europa, sagt Thomas Liljeberg Marcuse. Und er glaube fest daran, dass das auch so sei. Liljeberg-Marcuse ist einer der beiden Geschäftsführer des FEZ, ein freundlicher, zupackender Mann.

Entscheidend sei, dass das FEZ eine so lange Geschichte habe: "Und dass es eben tatsächlich 40 Jahre lang und durch zwei sehr unterschiedliche Gesellschaftssysteme ein Haus für Kinder gewesen ist." Das merke man an der gesamten Gestaltung, sagt Liljeberg-Marcuse, da haben sich die Architekten schon ihre Gedanken gemacht: "Die Freitreppe, die wir in unserem wunderbaren Foyer haben, hat ganz niedrige Stufen. Da laufen eben kleine Kinder viel schneller hoch als wir Erwachsene."

Erholungszentrum Wuhlheide FEZ-Berlin. (Quelle: dpa/Schoening)
| Bild: dpa/Schoening

FEZitty – Stadt der Kinder

Mehr als 800.000 große und kleine Besucher kommen im Jahr ins FEZ, und richtig voll wird es an den Wochenenden oder in den Sommerferien. Dann öffnet die FEZitty, eine Stadt mit eigener Währung, mit einer Bank, einem Rathaus, Restaurants, Gärtnerei, Tischlerei und geöffnet von zehn bis 17 Uhr.

Am Eingang checken die Kinder ein. In FEZitty arbeiten sie und verdienen ihr eigenes Geld: Die Wuhlis, die sie dann hier ausgeben können.

Plakat "Eltern Freie Zohne" im FEZ
Bild: Anke Burmeister/ rbb

Arbeiten können die Kinder dort im Rathaus, als Büromitarbeiter, im Jobcenter als Jobvermittler oder Büroangestellte. Auch handwerklich gibt es ein großes Angebot: Siebdruck, Textilwerkstatt,  Holzwerkstatt, einen Kreativpalast und eine Spielzeugfabrik." Es gibt auch ein Architektenbüro, eine Abteilung Stadtbau und ein Café", sagt Liljeberg-Marcuse. Die beliebtesten Jobs seien die in Citybank und Rathaus: "Die sind ganz schnell weg."

Hendrik, Ben, Bella, Christoph und Hugo wohnen in Biesdorf und kommen oft in die Wuhlheide. "Es macht einfach Spaß, hier zu spielen und zu arbeiten", sagt Ben. "Wir haben uns da auf der Internetseite so einen Film angeschaut und dachten, das können wir mal ausprobieren", erzählt Hendrik. "Und dann fanden wir es echt schön. Man kann auch mit seinen Freunden hingehen. Im Urlaub ist man halt allein, nur mit seinen Eltern und den Geschwistern. Das ist manchmal langweilig."

Kunst und Ökogarten

"Elternfreie Zone" steht auf selbst gemalten Pappschildern, die überall verteilt sind. Die Schilder gestalten die Kinder bei Markus, der bildender Künstler ist und einige Tage als Honorarkraft in der FEZitty arbeitet. "Die Kinder können frei entscheiden", sagt er. "Manchmal gibt es Konflikte, aber normalerweise lösen die sie selbst."

Hinten im Ökogarten gackern die Hühner, und bei Regina mixen einige Mädchen Kräuteröle. Früher war Regina Technische Assistentin bei Narva. Nach der Wende musste auch sie umdenken: "Ich habe das mit Erfolg und Bravour dann auch für mich so gemeistert." Die Aufgabe erfüllt Regina so sehr, dass sie als Rentnerin immer noch von März bis Dezember in den Ökogarten kommt.

In der Belegschaft stelle sich die Ost-West-Frage nicht wirklich, meint der Chef Thomas Liljeberg Marcuse – bei den Besuchern schon eher: "Ich glaube, dass in den Köpfen mancher Menschen, die auf das FEZ schauen, immer noch eine große Rolle spielt."

Für das FEZ selbst spiele es insofern noch eine Rolle, als es der Belegschaft immer wieder bewusst werde, was dem FEZ eigentlich in den letzten 40 Jahren widerfahren sei: "Und das ist bei allen Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben, ein ganz großes Glück: Dass es dieses Haus immer noch für Kinder gibt."

Nach der Wende klug gerettet

Dass es dieses Haus weiterhin geben würde, war nach 1989 überhaupt nicht klar. Disney World wollte sich im Pionier Park Ernst Thälmann und im Pionierpalast einkaufen: Ein großer Vergnügungspark mit teuren Eintrittsgeldern sollte in der Wuhlheide entstehen.

Für Thomas Krüger war das unvorstellbar. Krüger war damals Berlins Jugendsenator und ist heute Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich treffe ihn in seinem Büro am Checkpoint Charlie, und Krüger muss immer noch über den Coup lächeln, der ihm damals mit Unterstützung cleverer Verwaltungsfachleute gelungen ist.

Thomas Krüger (SPD), Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Thomas KrügerBild: dpa/Soeren Stache

Anstatt Abwicklung und Verkauf an Disney hieß es perspektivische Abwicklung. Die Zeit dieser ein, zwei Jahre habe man genutzt, um ein betriebswirtschaftliches Modell zu finden, erzählt Krüger: "Wir haben sehr viel getan, die ideologischen Rudimente, die auch in diesem Haus zu finden waren, zurückzubauen und trotzdem diese Infrastruktur zu halten. Wir haben auch jemand aus der Jugendverwaltung, der sehr clever war, Lutz Mahnkopf, und dort sozusagen als Geschäftsführer eingestiegen ist. Solche intelligenten Agenten brauchte man damals, um nichts anbrennen zu lassen und aus der perspektivischen Abwicklung eine perspektivische Überführung zu machen."

Weltraum im FEZ in Berlin
Bild: Anke Burmeister/ rbb

Hier trainieren künftige Raumfahrer

Auch das Kosmonautenzentrum blieb erhalten, nur dass es heute Orbital heißt. Kosmonauten werden auch nicht Astronauten, sondern einfach Raumfahrer genannt. Hier können Kinder Raketenstarts simulieren, mit Experten diskutieren und das Labor für eine Geburtstagsparty mieten oder regelmäßig im Space Club mitmachen. Das Space Camp im Sommer wird von Jugendlichen aus aller Welt besucht.

Laura ist so ein Space-Club-Kind. Mittlerweile studierte sie Betriebswirtschaft, ist fasziniert vom Weltall. Selbst mal hinfliegen? Eher nicht, sagt sie: "Ich hatte schon im Kletterwald Schiss runterzuspringen. Ich glaube, das wird nichts."

Aber sie glaubt, dass viele aus dem Space Club in diese Richtung gehen werden: "Dass die dann vielleicht beim DLR anfangen, bei der ESA arbeiten oder vielleicht sogar irgendwann noch in die USA gehen und zur NASA. Die Chance ist sehr klein. Aber in diesem Bereich zu arbeiten, das kann ich mir gut vorstellen."

Die Landes-Musikakademie ist mit im Haus

Bei der NASA arbeiten – das war unvorstellbar vor 40 Jahren zur Eröffnung des Pionierpalastes in Anwesenheit der Ministerin für Volksbildung, Margot Honecker. Ich gehe durch dieses Haus, den Stand mit den Wiener Würstchen gleich neben dem Orbital gibt es immer noch so wie früher, und hinter einer großen Doppeltür höre ich Musik: Die Landes-Musikakademie sitzt mit im Haus, auch das war so ein kluger Schachzug zum Erhalt des FEZ.

Mit meinem jüngsten Sohn war ich in letzter Zeit öfter im FEZ. Ich habe ihm dann erzählt, dass ich als Kind auch schon hier war, dass es Pioniere gab und Fahnenappelle. Doch da hat er schon nicht mehr zugehört, sondern ist einfach losgerannt.

Sendung: Inforadio, 02.10.2019, 09:45 Uhr

Beitrag von Anke Burmeister

3 Kommentare

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  1. 3.

    Schade!
    Nun gehe ich am Stock, kann nun nicht in die Pionierrepublik Wuhlheide, in das Haus der Pioniere und so auch nicht in den künstlich angelegten Badesee. Wäre früher gern dahin, bin aber nie rotläufig gewesen. Liebe Berlinerinnen und Berliner, bewahrt bitte die Welt der Kinder für die Kinder und zur Freude der Eltern und Großeltern.

  2. 2.

    Ja, ich habe mich auch über diese Überschrift gewundert. Es ist wirklich erstaunlich, welche Wissenslücken bei rbb-Autoren manchmal festzustellen sind. Dabei müssten die sich doch mit Berlin und Brandenburg perfekt auskennen. Und wenn nicht, kann man das auch ganz leicht nachrecherchieren. Mal abgesehen davon, dass es schlechtes Handwerk ist, wenn man etwas in die Überschrift aufnimmt, was im weiteren Text überhaupt nicht vorkommt. Spätestens da hätte man merken müssen, dass da was nicht stimmt.

  3. 1.

    Die Pioniereisenbahn gab es allerdings schon seit 1956, ebenso den Pionierpark schon seit den 50er Jahren. Nur der damalige Pionierpalast, das heutige Zentrum des FEZ, begeht dieses Jahr sein 40-jähriges Jubiläum.

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