Kritik an Berliner Rapperin - Wenn die Hautfarbe zum Geschäftsmodell wird
Weiße Sängerinnen oder Influencerinnen legen sich immer häufiger eine dunklere Hautfarbe zu. Der Grund: Die Inszenierung als "Schwarze" verkauft sich einfach besser. Doch während die einen den Trend feiern, sehen andere blanken Rassismus. Von Anke Fink
"Black is back" titelt das deutsche Mode-Magazin "Elle" in der aktuellen November-Ausgabe. "Schwarz ist wieder da: unwiderstehlich!", heißt es weiter. Das Magazin berichtet davon, dass Models of Colour nie so gefragt gewesen seien wie jetzt und vermittelt den Eindruck, dunkelhäutige Models seien gerade Trend. Das allein sorgt schon für Ärger in der schwarzen Community, denn Hautfarbe lässt sich nicht einfach an- und ausziehen, wie ein trendiges Kleid. Zusätzlich verwechselte die "Elle" auch noch die Namen zweier abgebildeter Models.
Supermodel Naomi Campbell hat den deutschen Magazin-Machern den Fauxpas nicht durchgehen lassen und kritisierte das Team in einem Instagram-Post: "Ich habe es schon unzählige Male gesagt: Wir sind kein Trend. Wir sind hier, um zu bleiben. Es ist in Ordnung, schwarze Models zu feiern. Aber bitte tun Sie das auf elegante und respektvolle Weise."
Zwar hat sich die Chefredakteurin Sabine Nedelchev auf Instagram öffentlich entschuldigt: "Es war ein Fehler, die Titelzeile 'Back to black' zu verwenden, die so verstanden werden konnte, als ob schwarze Menschen eine Art Modetrend wären". Das tue ihr leid, ebenso wie die Verwechslung der beiden Models. Aber das Kind ist im Brunnen oder besser der Shitstorm in den sozialen Medien am Brodeln.
"My skin colour is not a trend"
Die afrodeutsche Autorin Abena Appiah veranlasste der "Elle"-Titel zu einem bissigen Kommentar, den sie in der Bochumer Stadt- und Studierendenzeitschrift veröffentlicht hat unter dem Titel: "Elle mich am Arsch - My skin colour is not a trend". [www.bszonline.de.] Sie schlägt den Bogen zu einem Phänomen, bei dem sich weiße Frauen schminken, stylen und zum Teil sogar operieren lassen, um als schwarze Frauen wahrgenommen zu werden: das so genannte 'Blackfishing'. Dieser Trend hat in den USA bei der Reality-TV-Familie Kardashian angefangen, ist von Künstlerinnen wie Mega-Popstar Ariana Grande übernommen worden und ist mit der in Berlin lebenden Rapperin Shirin David längst in Deutschland angekommen.
Stereotyp der dunkelhäutigen exotischen Frau
David hat sich in ihren aktuellen Musikvideos allem Anschein nach die Haut absichtlich dunkel getönt, trägt starkes Make-up, betont ihre Lippen und zeigt sehr eindrucksvoll einen großen Po – Stereotype, die eben vor allem schwarzen Frauen zugeschrieben werden.
"Ich verbiete niemandem, ins Solarium zu gehen", sagt Autorin Abena Appiah im Gespräch mit rbb|24. Aber sie wirft diesen Künstlerinnen vor, dass sie sich das Aussehen von People of Color zunutze machen, um damit Geld zu verdienen. "Sie nehmen die Deals mit der Kosmetikindustrie an, anstatt den Frauen eine Chance zu geben, die schwarz sind", so Appiah weiter. Zudem bediene der 'Blackfishing'-Trend wieder das Stereotyp von exotischen, sexy und dunkelhäutigen Frauen. Sie werden damit wie in der jahrhundertealten Geschichte von Rassismus und Diskriminierung sexualisiert und zum Objekt degradiert – so lautet der Vorwurf im Internet unisono. Die deutsche Rapperin Shirin David reite diese Welle, stellt Appiah fest. Mit dieser Kritik an der Künstlerin ist sie längst nicht alleine. Die Youtuberin Victoria Hadithi hat sich dem 'Blackfishing' von Shirin David in einem eigenen Video gewidmet mit dem Titel "Liebe Shirin David, Schwarz sein ist kein 'KOSTÜM'!".
Schwarze Künstlerinnen müssen eine Schippe drauflegen
Die Rapperin hat sich zu den Vorwürfen im Lifestylemagazin "noizz" geäußert [https://noizz.de] und schreibt, dass sie für ihr Musikvideo zu "On Off" ein Body-Make-up ausprobiert habe. Dass daraus ein Skandal gemacht werde, findet sie schade. "Falls sich jemand aufgrund der dunklen Farbe […] verletzt fühlt, weise ich ausdrücklich darauf hin, dass dies nicht meine Absicht war und schicke eine dicke Umarmung", wird sie zitiert.
Aber genau diese Naivität sei das Problem, findet Abena Appiah. Zu einem Drittel, denken die Frauen, die sich als "black" inszenieren, dass es wirklich schön sei, dunkle Haut zu haben. Zu einem weiteren Drittel würden sie einfach nicht darüber nachdenken, dass sich People of Color durch 'Blackfishing' angegriffen fühlen. Und zum letzten machten sie es aus Marketing-Gründen, um sich ihrer Zielgruppe anzupassen. "Schwarze Künstlerinnen müssen immer eine Schippe mehr drauflegen, um wahrgenommen zu werden", sagt Appiah. Deswegen hat 'Blackfishing' so ein Geschmäckle. Ihrer Erfahrung nach ist es immer noch so: Wenn eine weiße Frau Rastas trägt, ist sie schön. "Wenn ich Rastas trage, bin ich Ghetto."
Wieder nur das Aussehen von Frauen
Die Popjournalistin, Kulturwissenschaftlerin und Radioeins-Soundcheck-Kritikerin Ariana Zustra beschäftigt sich mit dem Phänomen schon eine ganze Weile. Im Gespräch mit rbb|24 stellt sie fest: "Beim 'Blackfishing' machen sich weiße Leute kulturelle Eigenheiten wie bestimmte Styles einer strukturell benachteiligten Gesellschaftsschicht zunutze, ohne dass People of Color selbst etwas davon haben." Sie fühlten sich betrogen, weil sie die Originale sind. 'Blackfishing' sei zudem nicht nur rassistisch, sondern auch sexistisch. "Frauen werden zum Objekt gemacht. Es geht wieder mal nur um das Aussehen von Frauen", sagt Zustra weiter.
Wertschätzung vs. Ausbeutung
Die Popkultur kennt den Begriff der Aneignung von anderen Kulturen schon lange. In Musik und Mode haben sich die verschiedenen Protagonisten schon immer beieinander bedient. So kann 'Blackfishing' laut Zustra auch positiv gedeutet werden. Das Motiv sei entscheidend. Sofern Künstler ihre Werke durch schwarze Kultur "wertschätzend ergänzen" und nicht "ausbeuterisch" seien, habe dies möglicherweise auch positive Effekte. "Bestimmte Formen schwarzer Kultur werden sichtbarer und präsenter." Allerdings sei es wünschenswert, dass People of Color und ihre Kulturformen selbst sichtbarer werden, anstatt dass Weiße diese präsentieren. Ziel sei es, dass es irgendwann nicht mehr auffällt, ob ein Künstler schwarz oder weiß ist. "Erst wenn People of Color gleiche Rechte und Chancen haben, wird es keine so große Rolle mehr spielen, was sich jemand anzieht oder wie sich jemand schminkt", so Zustra.
Wo beim 'Blackfishing' allerdings die Grenze ist, könnten People of Color nur selbst entscheiden. "Im Internet lässt Kritik nicht lange auf sich warten." Künstler, die 'Blackfishing' betreiben, bekämen in den sozialen Medien sehr schnell mit, wenn sich Menschen davon herabgesetzt fühlen, sagt Zustra weiter. Sie hofft aber, dass sich die Streitkultur künftig bessert und nicht nur Hass die Debatte übertönt. Wenn die Künstlerinnen und Influencerinnen dann reflektieren und auf die Vorwürfe reagieren, käme vielleicht etwas davon auf allen Seiten an.