Auf der Pirsch mit einem Jäger - "Ich bin ein überzeugter Kochtopf-Jäger"

Torsten Reinwald liebt die Natur - und er liebt die Jagd. Wolf Siebert hat den ehrenamtlichen Jäger begleitet, und sich erklären lassen, warum für ihn die Liebe zur Natur und die Jagd zusammenhängen.
Jäger Torsten Reinwald ist an einem sonnigen Sommerabend nach Schönwalde bei Wandlitz gefahren. Eine ältere Dame hat ihn um Hilfe gebeten, weil ihr Rasen mit den alten Rotbuchen, Douglasien und Rhododendren von Wildschweinen umgepflügt worden ist.
"Die Wildschweine riechen die Schnecken und Würmer unter dem Boden und gehen gezielt auch dorthin", erklärt der 48-Jährige, der seit zehn Jahren einen Jagdschein besitzt. Der sportliche Mann mit gepflegtem Backenbart und wachen Augen liebt nicht nur die Natur, sondern jagt auch gern - und das aus Überzeugung.
Kein Fleisch aus dem Supermarkt
"Schon in der Schule habe ich mich immer gefragt, wenn du Fleisch isst, musst du auch in der Lage sein, ein Tier zu töten. Anders geht es nicht", so Reinwald. "Ich bin ein überzeugter Kochtopf-Jäger. Meine Hauptmotivation ist, was Essbares in die Kühltruhe zu kriegen, wo ich auch genau selber weiß, wo es herkommt." Er esse viel bewusster und lasse "die Finger von Supermarktware".
Reinwald ist hauptberuflich Pressesprecher des Deutschen Jagdverbands, pro Woche ist er rund zehn Stunden in seinem kleinen Jagdrevier in Schönwalde unterwegs. Da die Tiere aus Reinwalds Jagdrevier in den Garten der älteren Dame gekommen sind, wird von ihm erwartet, dass er Schäden durch Wildschweine verhindert.
Hochsitze bauen, Sturmschäden beseitigen
Sich um das Jagdgebiet zu kümmern, bedeutet für ihn mehr, als nur Tiere zu schießen. Er baut Hochsitze, beseitigt Sturmschäden und legt Grünstreifen mit Wildpflanzenmischungen an. Bevor Maisfeld und Wiesen in seinem Jagdrevier gemäht werden, versucht er, mit seinem Hund Dasko Rehe und ihre Kitze zu vertreiben, damit sie nicht vom Mähdrescher zerquetscht werden. "Ich fühle mich hier zuhause", betont er. Zum Tier- und Artenschutz gehört für ihn auch, dass er Füchse und Waschbären jagt. Denn sie sind die Feinde der Vögel, die am Boden brüten.
Der älteren Dame kann er heute erstmal nicht weiterhelfen. Obwohl sich der Jäger in der Nacht auf die Lauer gelegt hat, ist diesmal kein Wildschwein aufgetaucht.
Treibjagd mit 150 Jägern
Drei Monate später treffe ich ihn wieder: In Baruth, südlich von Berlin, findet eine große Herbstjagd mit 150 Jägern und Hundeführern statt. Sie stammen aus der Region, aber auch aus Skandinavien. Alle Altersgruppen sind dabei, es überwiegt der Männeranteil. Die Jagd-Teilnehmer wirken alle erfahren, sehr sachlich und konzentriert. Da es noch recht früh und frisch ist, soll ein Lagerfeuer gegen die Kälte helfen. An einem Biwak-Zelt gibt es Essen. Eine Stärkung sei wichtig, wenn man sich drei Stunden im Wald aufhalte. "Da braucht man Kohlenhydrate", sagt der erfahrene Jäger Reinwald.

Hunde mit Sicherheitsweste und Glöckchen
Die folgenden drei Stunden werden anstrengend - körperlich und mental. Bei dieser Jagd dürfen Wildschweine, Hirsche und Rehe, aber auch Waschbären und Füchse gejagt werden. "Die Natur regelt sich nicht selbst", betont Reinwald, "auch wenn das gern behauptet wird." Durch den Klimawandel und die warmen Winter fänden Wildtiere genug Nahrung und es gebe viele Maisfelder. "Das aber hat Folgen: Der Hirsch schält mit seinem Geweih die Baumrinde ab, Rehe fressen Knospen, Blätter und Zweige, und das Wildschwein mag Maiskolben auf dem Feld. Waldbesitzer und Bauern erwarten von uns, dass wir dagegen etwas tun."
Torsten Reinwald gehört an diesem Tag nicht zu den Jägern auf dem Hochsitz. Er hat eine andere Aufgabe: Er ist Führer einer Gruppe von Treibern, die mit ihren Hunden in einem festgelegten Abschnitt den Jägern das Wild vor die Flinten treiben.
Der 48-Jährige hat sich auf die Arbeit mit dem Hund spezialisiert. "In dieser Aufgabe, den Wildtieren Beine zu machen und sie zu finden, gehe ich auch auf." Die Hunde sind mit einer Sicherheitsweste bekleidet. Diese soll vor den Hauern der Wildschweine, aber auch vor Brombeerstacheln schützen. Außerdem sind die Hunde mit einem GPS-Halsband ausgestattet, das mit den Handys der Treiber verbunden ist. Damit sie von den Schützen nicht mit Wild verwechselt werden, tragen sie Glöckchen.
Gezielter Stich, um das Leiden des Tieres zu beenden
Nach einer Einsatzbesprechung rücken die Treiber in Abständen von gut 20 Metern vor. Es geht quer durch den Wald, durch kniehohes Gras und Brombeergestrüpp. Torsten Reinwald und die Treiber halten Sichtkontakt und sprechen auch über Funkgeräte miteinander. Bald sehen wir die Hunde nicht mehr, sondern hören Sie nur noch. Plötzlich verändert sich ihr Bellen. Es handelt sich um einen Spurlaut, erklärt Reinwald. "Das heißt, die Hunde sind auf einer ganz frischen Fährte."
Die Hunde haben einen Waschbären gestellt, der unter einen umgestürzten Baum geflüchtet ist. Die Hunde sind direkt an den Tieren dran, durch einen Gewehrschuss könnten sie verletzt werden. Reinwald holt ein Dolch mit einer 23 Zentimeter langen Klinge heraus. Plötzlich herrscht Stille. Torsten Reinwald ist außer Atem, eine Hand ist blutverschmiert. Er hat den Waschbär mit einem gezielten Stich ins Herz getötet, um das Leiden des Tieres schnell zu beenden.
Wildschweine bleiben bis zur letzten Sekunde liegen
Wenig später tötet Torsten Reinwald mit dem Messer noch ein Wildschwein. Auch hier waren die Jäger sehr nah am Tier, und bei Gewehrschuss bestand die Gefahr eines Querschlägers. Reinwald geht ruhig und konzentriert wie ein Handwerker vor. Wie ein Chirurg schneidet er anschließend den Bauch auf, holt die Innereien heraus und zersägt Knochen. Wenig später stöbern Rheinwalds Treiber noch ein Wildschwein auf. Ein Jäger erlegt es mit einem gezielten Schuss.
Reinwald ist zufrieden: "Das war schon gut. Die Hunde haben super gearbeitet. Das war zum Abschluss noch mal das Paradebeispiel. Wir haben das Schwein nicht gesehen. Aber die Hunde haben es gefunden und ihm Beine gemacht." Und genau das sei das Entscheidende, denn ohne Hunde hätte man keine Chance bei einer Bewegungsjagd, so Jäger Reinwald. "Vor allem seit die Wölfe wieder hier sind, sind die Wildschweine noch ausgebuffter. Die bleiben bis zur letzten Sekunde liegen. Ein Reh oder Hirsch hätte schon längst die Flucht ergriffen."
Die Natur nutzen und schützen
Die Jagd ist zu Ende. 66 Sauen, 19 Rehe, vier Füchse und vier Waschbären lautet die Bilanz. Reinwald und ich sind völlig durchgeschwitzt. Wir essen eine Suppe, seine Hände sind blutverschmiert. Ich habe erlebt, dass Jagd für Torsten Reinwald mehr als nur ein Ehrenamt ist.
"Für mich ist es eine Passion. Ich bin mit dem Herzen und dem Verstand dabei. Die Jagd füllt mich aus und es ist für mich ein schönes Gefühl, die Natur zu nutzen und gleichzeitig zu schützen. Das ist für mich das intensivste Naturerlebnis, was es überhaupt gibt." Während im Hintergrund die Jagdhörner erklingen, fügt er hinzu: "Das spornt mich immer wieder an."
Sendung: Inforadio, 18.01.2020, 09:24 Uhr
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